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OGH vom 14.07.2022, 9ObA66/22d

OGH vom 14.07.2022, 9ObA66/22d

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Dr. Andreas Schlegel (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl SchmidWilches (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T* GmbH, *, vertreten durch Bruckmüller RechtsanwaltsgmbH in Linz, gegen die beklagte Partei H* S*, vertreten durch Schima Mayer Starlinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 108/21k34, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Die Klägerin übt das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung aus. Der Beklagte war in deren Filiale St. Pölten von bis beschäftigt. Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist eine von der Klägerin behauptete Verletzung des im Arbeitsvertrag vereinbarten Konkurrenzverbots durch den Beklagten. Sie stellte ein Unterlassungs- und ein Feststellungsbegehren. Das rechtliche Interesse am Feststellungsbegehren begründete die Klägerin ua damit, dass ihr durch die konkurrenzierende Tätigkeit des Beklagten ein erheblicher Schaden drohe.

[2] Das Erstgericht beurteilte die Konkurrenzklausel infolge einer Interessensabwägung nach § 36 Abs 1 Z 3 AngG als unwirksam und wies die Klagebegehren zur Gänze ab.

[3] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und änderte das Ersturteil ab. Es beurteilte die Konkurrenzklausel nicht zur Gänze, sondern nur teilweise, nämlich hinsichtlich des Bereichs der Arbeitsvermittlung und den zu weit gefassten örtlichen Geltungsbereich als unwirksam. Das Unterlassungsbegehren wies es ab. Durch Tätigkeiten im Geschäftszweig der Arbeitskräfteüberlassung im Großraum St. Pölten habe der Beklagte zwar die – soweit wirksam vereinbarte – Konkurrenzklausel verletzt, aber die in der Konkurrenzklausel vereinbarte Jahresfrist sei zum Zeitpunkt der Rechtsmittelentscheidung bereits abgelaufen. Dem Feststellungsbegehren gab es teilweise statt. Es stellte fest, dass der Beklagte der Klägerin für sämtliche Schadenersatzansprüche, die ihr aufgrund der Verletzung der Konkurrenzklausel des Arbeitsvertrags vom (Tätigkeiten im Geschäftszweig der Gesellschaft der Klägerin, sohin im Bereich der Arbeitskräfteüberlassung im Großraum St. Pölten) im Zeitraum bis entstehen, haftet. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

[4] In seiner außerordentlichen Revision bekämpft der Beklagte den klagsstattgebenden Teil dieser Entscheidung. Eine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zeigt er darin jedoch nicht auf:

[5] 1. Das Vorliegen des Feststellungsinteresses ist Voraussetzung für die Begründetheit des Feststellungsanspruchs (RS0039177). Das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung bedarf eines konkreten aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine ehebaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RS0039215). Gegenstand der Klage kann nicht ein erst künftig entstehendes Rechtsverhältnis oder ein künftig entstehender Anspruch sein (RS0039178 [T5, T8]). Das Feststellungsinteresse muss noch im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz vorhanden sein (RS0039178; RS0039204 [T1]).

[6] 2. Das Bestehen eines rechtlichen Interesses an der alsbaldigen Feststellung im Sinne des § 228 ZPO richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, denen – vom Fall grober Fehlbeurteilung abgesehen – keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0039177 [T1]; RS0037977 [T2]).

3. Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe gegen die – im eingeschränkten Umfang wirksam vereinbarte – Konkurrenzklausel verstoßen, wodurch die Rechtsposition der Klägerin bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz wirklich und ernstlich gefährdet gewesen sei, hält sich im Rahmen der dargestellten Grundsätze. Aus den in der außerordentlichen Revision zur Begründung des gegenteiligen Rechtsstandpunkts zitierten Entscheidungen ergibt sich nichts Anderes:

3.1. In der Entscheidung 1 Ob 302/03y hielt der Oberste Gerichtshof die Konkretisierung des dort erhobenen Feststellungsbegehrens für erforderlich, weil sonst Unsicherheiten über die Reichweite des Feststellungsurteils bestünden. Davon kann hier keine Rede sein, geht es doch hier um die aus der Verletzung einer bestimmten Vertragsbestimmung, nämlich der Konkurrenzklausel, herrührenden Schäden in einem ganz bestimmten Zeitraum.

3.2. Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in mehreren Entscheidungen (9 ObA 43/11f; RS0039265) ausgesprochen hat, dass das Feststellungsurteil für den Kläger von „rechtlichpraktischer Bedeutung“ sein muss. Rein theoretische Befürchtungen genügen diesem Erfordernis des § 228 ZPO nicht (RS0039178 [T7]; vgl RS0109383). Die Rechtsprechung bejaht die Zulässigkeit der Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden aus einem bestimmten (zumindest potentiell) schädigenden Ereignis (RS0038909 [T4]). Eine Schadenersatzpflicht begründet daher ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 228 ZPO, wenn es sich dabei um eine bereits gegenwärtige und in allen rechtserzeugenden Tatsachen vollständig konkretisierte Verpflichtung handelt (1 Ob 162/15b [Pkt 3.]; 5 Ob 62/18f [Pkt 4.1.]). Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten ist dies hier der Fall. Er hat rechtswidrig (Verstoß gegen die Konkurrenzklausel), kausal (ohne seine Konkurrenztätigkeit hätte er die Konkurrenzklausel nicht verletzt und würde der Klägerin kein Schaden drohen) und schuldhaft (die Feststellungen bieten keine Hinweise, dass dem Beklagten sein Verhalten nicht vorwerfbar wäre) gegen die Konkurrenzklausel verstoßen und dadurch unter Umständen der Beklagten einen der Höhe nach derzeit noch nicht feststellbaren Schaden zugefügt. Dass zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch kein Schaden festgestellt wurde, nimmt der Klägerin nicht das rechtliche Interesse an der begehrten Festellung.

[10] 3.3. Anderes ergibt sich auch nicht aus der Entscheidung 9 Ob 40/21d. Auch dort hielt der Oberste Gerichtshof zunächst fest, dass nach ständiger Rechtsprechung ein schadenersatzrechtliches Feststellungsbegehren zulässig ist, solange der Eintritt künftiger Schäden – aus einem haftungsbegründenden Verhalten oder Ereignis – nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Bleibt die Möglichkeit offen, dass ein bestimmtes schuldhaftes rechtswidriges Verhalten für einen künftigen Schadenseintritt ursächlich sein könnte, besteht ein Feststellungsinteresse. Klagen auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftige Schäden sind selbst dann zulässig, wenn noch kein feststellbarer Schaden eingetreten ist und nur die Möglichkeit besteht, dass das schädigende Ereignis einen künftigen Schadenseintritt ermöglichen kann (Rz 21). Anders als in der zitierten Entscheidung hat sich hier das schädigende Ereignis, das einen konkreten Schaden auslösen könnte, durch die Verletzung der Konkurrenzklausel bereits ereignet.

[11] 4. Nach der Rechtsprechung ist die Feststellungsklage dann unzulässig, wenn der Kläger seinen Anspruch bereits zur Gänze mit Leistungsklage geltend machen kann (RS0038817). Dies ist etwa dann der Fall, wenn der Schaden bereits zur Gänze eingetreten ist und kein weiterer Schaden zu erwarten ist (vgl RS0038849 [T17]). Die Möglichkeit einer Leistungsklage hindert die Feststellungsklage aber etwa dann nicht, wenn durch den Leistungsanspruch der Feststellungsanspruch nicht erschöpft ist (RS0039021 [T22]). Dies ist hier schon deshalb der Fall, weil sich das Feststellungsbegehren auf einen – zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung am zukünftigen – Zeitraum bis bezieht.

[12] 5. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[13] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

[14] Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Auf die für den Fall der Aufhebung des Berufungsurteils vorgetragenen Ausführungen der Revisionswerberin war nicht weiter einzugehen (RS0107501).

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00066.22D.0714.000

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