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OGH vom 18.05.2017, 28Os7/16p

OGH vom 18.05.2017, 28Os7/16p

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom , AZ D 45/12, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Mag. Bauer, des Kammeranwalts Dr. Kaska und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und über den Disziplinarbeschuldigten eine Geldbuße von 6.000 Euro verhängt.

Im Übrigen wird der Berufung keine Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom , AZ D 45/12, wurde ***** der Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt, weil er

a./ am in einer Verhandlung des Bezirksgerichts ***** zu AZ 13 C ***** als Auskunftsperson angab, „dass sein Mandant nicht die Absicht hätte, die Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, oder eine andere Liegenschaft zu veräußern, er habe auch nicht über das Vermögen der K***** GmbH unredlich oder redlich verfügt“, wobei sich in weiterer Folge herausstellte, dass der Mandant „unter Beiziehung des Disziplinarbeschuldigten“ bereits am in dessen Kanzlei „einen Kaufvertrag abgeschlossen hatte, in welchem er als allein verfügungsberechtigtes Organ der K***** GmbH“ die Liegenschaft „an die nunmehrige Ehefrau verkauft und diese ihrem Ehemann Fritjof K***** das Wohnungsgebrauchsrecht ob dieser Liegenschaft eingeräumt hatte, wobei diese Verträge nebst der Löschung einer im C-Blatt einverleibten Hypothek am beim Bezirksgericht ***** eingereicht und mit Beschluss vom verbüchert wurden“, sowie

b./ „mit Gesellschafterbeschluss vom als Alleingesellschafter“ – nachdem „am in einer außerordentlichen Generalversammlung der K***** GmbH der Sitz des Unternehmens an die Kanzleianschrift des Disziplinar-beschuldigten verlegt und der Firmenwortlaut als auch der Unternehmensgegenstand geändert wurden“ und „die Stammeinlage des Fritjof K***** als alleiniger Gesellschafter mit notariellem Abtretungsvertrag an den Disziplinarbeschuldigten“ übertragen wurde – „Fritjof K***** als Geschäftsführer mit abberief und sich selbst in diese Position bestellt, was zur Folge hatte, dass der Disziplinarbeschuldigte offiziell alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der nunmehr (richtig wohl:) umfirmierten L***** GmbH war, weshalb in einem allfälligen nach rechtskräftiger Beendigung des Aufteilungsverfahrens zu erwartenden Exekutionsverfahren gegen Fritjof K***** der Zugriff auf dieses Unternehmen vereitelt war, wie auch der exekutive Zugriff zur Liegenschaft EZ *****, Grundbuch *****, durch die Handlungen unter anderem des Disziplinarbeschuldigten entzogen“ wurde.

Mit der angefochtenen Entscheidung wurde dem Disziplinarbeschuldigten gemäß § 16 Abs 1 Z 3 DSt die Ausübung der Rechtsanwaltschaft für vier Monate untersagt, wobei diese Sanktion unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Zugleich wurde über ihn gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 7.000 Euro verhängt; überdies wurde er zum Kostenersatz verpflichtet.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die von ***** erhobene Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld sowie über die Strafe.

Der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) zum Schuldspruch a./ zuwider blieben die Feststellungen zur objektiven Unrichtigkeit der dem Disziplinarbeschuldigten zur Last gelegten Aussage als Auskunftsperson keineswegs unbegründet. Vielmehr konnte der Disziplinarrat seine Konstatierungen mängelfrei aus den in der Disziplinarverhandlung vom verlesenen Akteninhalten und den Depositionen des ***** in der Disziplinarverhandlung ableiten. Die Verantwortung des Rechtsmittelwerbers wurde – entgegen seinen weiteren Einwänden – im Erkenntnis eingehend gewürdigt.

Wenngleich disloziert (in der rechtlichen Beurteilung) legte der Disziplinarrat auch schlüssig dar, dass die objektive Unrichtigkeit der Aussagen des Disziplinarbeschuldigten als Auskunftsperson insbesondere darin zu erblicken ist, dass er relevante Tatsachen verschwieg, die zu einer abweichenden Beurteilung des (der Befragung zugrunde liegenden) Sachverhalts geführt hätten.

Ob ***** damit „den Interessen seines Mandanten“ geschadet hat oder nicht, ist ebenso wenig entscheidend, wie die kritisierte Feststellung des Disziplinarrats, wonach wahrheitsgemäße Angaben dazu geführt hätten, „dass die Antragstellung … auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung … abgewiesen worden wäre“.

Die im Disziplinarerkenntnis zitierten Aussagen des Disziplinarbeschuldigten, es sei „richtig, dass die EZ ***** KG ***** mit einem Pfandrecht der Raiffeisenbank Region Waldviertel Mitte mit 150.000 Euro“ belastet sei und dass er nicht wisse „ob diese Pfandrechte durch die Zahlung getilgt wurden“, sind nicht Gegenstand des Schuldspruchs und insoweit nicht weiter erörterungsbedürftig.

Auch dem Schuldspruch b./ haftet kein Begründungsmangel an. Das konstatierte standeswidrige Verhalten folgerte der Disziplinarrat aus den festgestellten gesellschaftsrechtlichen Verfügungen und Beschlüssen, an welchen ***** aktiv beteiligt war, wobei der erkennende Senat in diesem Zusammenhang auch festhielt, dass aufgrund des zum Zeitpunkt der Verfügungen noch nicht rechtskräftig beendeten Aufteilungsverfahrens „Ansprüche der Roswitha K***** gegenüber Fritjof K***** als Privatperson bzw in seiner Eigenschaft als Gesellschafter der K***** GmbH (zumindest) nicht auszuschließen waren“.

Die im Rechtsmittel thematisierten Fragen, ob durch die zur Last gelegten Verfügungen exekutionsrechtliche Maßnahmen in das Vermögen der K***** GmbH tatsächlich vereitelt wurden bzw ob bereits ein „Exekutionstitel aus dem Aufteilungsverfahren … vorhanden war“, betreffen wiederum keine entscheidenden Tatsachen, zumal bereits die Eignung des angelasteten Verhaltens, den Rechtsanwaltsstand in Misskredit zu bringen, genügt, um den disziplinarrechtlichen Tatbestand des § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt zu erfüllen (vgl Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO9, § 1 DSt Rz 10 ff).

Soweit der Berufungswerber in diesem Zusammenhang der Begründung des Disziplinarrats eigene spekulative Erwägungen entgegenhält, bekämpft er nur die Beweiswürdigung, ohne damit allerdings Bedenken iSd § 473 StPO iVm § 77 Abs 3 StPO hervorzurufen.

Warum exekutionsrechtliche Maßnahmen gegen Fritjof K***** als Privatperson nicht auch dessen Gesellschaftsanteile umfassen sollten und weshalb eine allfällige einstweilige Verfügung eine „rangwahrende Wirkung“ entfalten sollte, legt die Rüge indes nicht dar.

Die Negativfeststellung betreffend die Vermögensverhältnisse der K***** GmbH stehen auch in keinem inhaltlichen Widerspruch (Z 5 dritter Fall) – zur ohnehin unerheblichen – Annahme, wonach exekutionsrechtliche Maßnahmen gegen diese Gesellschaft beeinträchtigt worden wären.

Indem sich die (weitere) Schuldberufung im Wesentlichen darin erschöpft, die bisherige Verantwortung von ***** nochmals zusammenzufassen, zeigt sie keine Bedenken gegen die Richtigkeit der Annahme des Disziplinarrats auf.

Der Berufung wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher keine Folge zu geben.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe kommt hingegen Berechtigung zu.

Der Disziplinarrat wertete bei der Strafbemessung als erschwerend zwei disziplinarrechtliche Vorstrafen, als mildernd hingegen die überlange Verfahrensdauer, die eine Reduktion der – zusätzlich zur bedingt nachgesehenen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft – zu verhängenden Geldbuße von 9.000 Euro um 2.000 Euro bedinge.

Darüber hinaus berücksichtigte die angefochtene Entscheidung bei der Strafbemessung, dass der Disziplinarbeschuldigte „hinsichtlich des Unrechts-bewusstseins seiner Handlungen keinerlei Einsicht gezeigt habe“.

Auch wenn in der Berufung nicht geltend gemacht, ist in Anschlag zu bringen, dass die in der angefochtenen Entscheidung erwähnten disziplinarrechtlichen Vorstrafen von ***** nicht mehr berücksichtigt werden durften. Denn bei einer Geldbuße beträgt die Tilgungsfrist gemäß § 74 Z 2 DSt fünf Jahre ab der vollständigen Zahlung. Die über den Disziplinarbeschuldigten zu AZ D 9/01 verhängte Geldbuße wurde am eingebracht und jene zu AZ D 42/03 am , sodass im Sinne des § 75 DSt beide Geldstrafen seit getilgt waren. Daher ist dem Disziplinarbeschuldigten zu Gute zu halten, dass er unbescholten ist.

Auch die vom Disziplinarrat als erschwerend berücksichtigte leugnende Einlassung ist als unrichtige Gesetzesanwendung im Sinne des § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO iVm § 77 Abs 3 DSt (RIS-Justiz RS0090897, RS0056731) zu werten, denn die verfahrensrechtlich nicht zu beanstandende leugnende Einlassung darf nicht als erschwerend gewichtet werden.

Es liegt somit keiner der im angefochtenen Erkenntnis angenommenen Erschwerungsumstände vor, wohl aber jener des Zusammentreffens von zwei jeweils Ehre und Ansehen des Standes beeinträchtigenden Disziplinarvergehen.

Darüber hinaus war gemäß § 19 Abs 7 DSt die Dauer der über den Disziplinarbeschuldigten verhängten einstweiligen Maßnahme, nämlich die Entziehung des Vertretungsrechts vor dem Bezirksgericht ***** und dem Landesgericht ***** bzw dem Landesgericht ***** vom bis angemessen zu berücksichtigen.

Mit Blick auf diese Strafzumessungsgründe wäre über den Disziplinarbeschuldigten zwar eine Geldbuße von 8.000 Euro als dem Unrecht der Taten und der Schuld des Berufungswerbers entsprechend zu verhängen. Einer zusätzlichen befristeten, bedingt nachgesehenen Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bedurfte es angesichts dieser Strafbemessungsaspekte allerdings weder aus spezial- noch aus generalpräventiven Gründen.

Angesichts der überlangen Verfahrensdauer (Einleitung des Disziplinarverfahrens am ; Unterbrechungsbeschluss gemäß § 23 Abs 2 DSt vom ; Bekanntgabe des rechtskräftig mit Freispruch beendeten Strafverfahrens gegen den ***** durch das Landesgericht *****; Ladung für die erste Verhandlung am ; Ladung für die nächste Ladung am ) war gemäß § 34 Abs 2 StGB (Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek RAO9, § 16 DSt Rz 17; RIS-Justiz RS0054839) die an sich gebotene Geldbuße von 8.000 Euro jedoch als Ausgleich für die Konventionswidrigkeit (Art 6 Abs 1 EMRK) um 2.000 Euro zu mindern und in teilweiser Stattgebung der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 6.000 Euro ohne eine zusätzliche Disziplinarstrafe nach § 16 Abs 1 Z 3, Abs 2 DSt zu verhängen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0280OS00007.16P.0518.000
Schlagworte:
Strafrecht,Standes- und Disziplinarrecht

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