OGH vom 01.12.2016, 28Os5/16v

OGH vom 01.12.2016, 28Os5/16v

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Kammeranwalts gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom , AZ D 20/15, D 29/15, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Oberstaatsanwalt Dr. Denk, MBA LL.M. (WU), des Kammeranwalts Dr. Hans Kaska und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des Kammeranwalts wird Folge gegeben und über den Disziplinarbeschuldigten gemäß § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 9.000 Euro verhängt.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen Freispruch enthaltenden Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom , D 20/15 und D 29/15, wurde ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er

a) im Schriftsatz vom zu 35 Cg 45/11y des ***** als Vertreter der Mag. a Claudia Ö***** insbesondere nachstehendes Vorbringen erstattete:

• „Die Beklagte ... täuscht die Klägerin sohin über Tatsachen.“ (Schriftsatz Seite 11)

• „Zusammenfassend ... eine Rechtsanwältin zerstört zwei Leben, ... täuscht über ihre Schuld.“ (Schriftsatz Seite 12)

• „... ein Richter den Prozessbetrug der beklagten Partei (Anm: *****) negiert.“ (Schriftsatz Seite 23)

• „... ein Richter, wissend, dass Ansprüche bestehen, eine Klage abweist, ...“ (Schriftsatz Seite 24);

b) im Schriftsatz vom zu 35 Cg 45/11y des ***** als Vertreter der Mag. a Claudia Ö***** folgendes vorbrachte:

• „... sogar Lob der Beklagten für deren rechtsmissbräuchlichen und offensichtlich straffälligen Verfahrensführung ...“ (Schriftsatz Seite 6)

• „... des gänzlich offensichtlichen, mehrfachen schweren Betrugs der Beklagten ...“, „... deren Schädigungsvorsatz ...“ (Schriftsatz Seite 7)

• „... mit dem Schriftsatz vom wurde der offensichtliche wissentliche Befugnismissbrauch ...“ (Schriftsatz Seite 10)

• „Erklärung des klagenden offenkundigen Betrugsopfers zur Täterin – im Sinn des § 302 Abs 2 StGB seitens Herrn Rat ***** ...“ (Schriftsatz Seite 10)

• „... keinerlei Zweifel kann bestehen, dass ein Richter, der gänzlich offensichtlich schwarz auf weiß bewiesen, unter dem dringenden Verdacht des, sogar qualifizierten Amtsmissbrauches steht ...“ (Schriftsatz Seite 10)

• „Die Klägerin erstattet daher hier zum zigsten Mal unter auch Verweis auf den Schriftsatz vom ... ihren ... Ersatzanspruch auf volle Genugtuung in jeglicher Hinsicht ... sowie den §§ 146, 147 Abs 3 ...“ (Schriftsatz Seite 12)

• „Die Beklagte hat sich dem entgegen für das Verbrechen entschieden:“ (Schriftsatz Seite 14)

• „Diese ihre Entscheidung zur Strafbegehung setzt die Beklagte im hg Verfahren fort“ (Schriftsatz Seite 14)

• „Zum Beispiel behauptet die Beklagte in ihrer Klagebeantwortung, wissentlich falsch und vorsätzlich täuschend, dass ...“ (Schriftsatz Seite 14)

• „Das Mitverschulden der Beklagten am Tod der Mutter der Klägerin ist nicht mehr heilbar“ (Schriftsatz Seite 15)

• „Die Klägerin stützt ihre Forderung ... auf den offensichtlich schweren Betrug der Beklagten, sohin die §§ 146, 147 Abs 3 StGB“ (Schriftsatz Seite 16);

c) im Schriftsatz vom im Verfahren 35 Cg 45/11y des ***** als Vertreter der Mag. a Claudia Ö***** nachstehende Äußerungen erstattete:

• „... mit seiner Abweisung des Lebensschutzanspruches der Klägerin negiert dieser Richter – erneut – nicht 'nur' das schwere Verschulden der Beklagten, sondern auch – erneut – deren schwere Straffälligkeit ...“ (Schriftsatz Seite 3)

• „mit der, ob des Wissens der Lebensgefahr gänzlich offensichtlich vorsätzlicher mit der offenkundigen Absicht der Machtdemonstration ... getroffener – vulgo – über dein Leben bestimme ich!“ – „sich völlig auf den richterlichen Korps, der seinen schwarz auf weiß bewiesenen Amtsmissbrauch gemäß § 302 Abs 2 StGB im vorliegenden Verfahren ja schon einmal negiert hat, ...“ (Schriftsatz Seite 4)

• „... sondern diese (Anmerkung: gemeint beklagte Partei) verfälscht, selbst ein OGH Erkenntnis ...“ (Schriftsatz Seite 5)

• „... sondern lobte die Beklagte auch noch. Für deren offensichtlich gröbst fahrlässiges Versagen und Folgeverbrechen ...“ (Schriftsatz Seite 5)

• „Aufgrund dieser Vorgehensweise ist auch, 'erklärlich', dass es dieser Richter unterließ, seiner Pflicht, gemäß § 78 StGB nachzukommen und sowohl die Straftaten der Beklagten dadurch, dass sie der Klägerin gegenüber die Schuld auf die Justiz schob ...“ (Schriftsatz Seite 5)

• „... als auch ihren hg Prozessbetrug aufgrund ...“ (Schriftsatz Seite 6)

• „mit seiner Negation und offensichtlichen Verfälschung des öffentlich urkundlich vorliegenden Beweises des schweren tödlichen und lebensverzögernden Verschuldens der Beklagten und deren sowohl Erbärmlichkeit, als auch Straffälligkeit ...“ (Schriftsatz Seite 6)

• „Es ist daher gänzlich offensichtlich, dass das Erstgericht absichtlich der Klägerin ihr Recht auf Leben verweigert und damit erneut den Tatbestand des § 302 Abs 2 StGB, sowie jenen des § 312a StGB erfüllt hat“ (Schriftsatz Seite 8)

• „Letztendlich wird darauf hingewiesen, dass die Unterlassung der Anzeigepflicht nach § 78 StPO ... das Tatbild des § 302 StGB erfüllt.“ (Schriftsatz Seite 9)

• „Im Schriftsatz vom ...stützt die Klägerin ihren Lebenssicherungsanspruch auch ... auf folgende Rechtsgründe: ... auf den offensichtlichen schweren Betrug der Beklagten, sohin auf die §§ 146, 147 Abs 3 StGB, sowie auf den offensichtlichen Rechtsmissbrauch der Beklagten, sohin auf § 1295 Abs 2 iVm § 1331 ABGB“ (Schriftsatz Seite 12);

d) im Schriftsatz vom zu 35 Cg 45/11y des ***** als Vertreter der Mag. a Claudia Ö***** nachstehendes Vorbringen tätigte:

• „Dass ein Mensch in einem Rechtsstaat jahrelang um ihr Leben, ihre grundlegendsten Rechte kämpfen muss, jahrelanges Opfer von massivsten offensichtlichem Amtsmissbrauch und offensichtlichen Verbrechen der Beklagten ist, ist ein landesbeschämender Skandal, ...“ (Schriftsatz Seite 2);

e) im Schriftsatz vom an die Staatsanwaltschaft Wien gegen Frau *****, Rechtsanwältin in *****, *****, Rechtsanwalt in *****, *****, Rechtsanwältin in *****, wegen fahrlässiger, vorsätzlicher, wie auch absichtlicher schwerer Körperverletzung und Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen, sowie schweren Betrugs, schweren Prozessbetrugs und Verfälschung eines OGH Erkenntnisses Strafanzeige erstattete und diesen Schriftsatz aus prozesstaktischen Gründen einbrachte;

f) im Schriftsatz vom an den Obersten Gerichtshof als Vertreter der Mag. a Claudia Ö***** insbesondere vorbrachte:

• „In Folge wird ... bewiesen ... dass der Oberste Gerichtshof ... ganz offensichtlich WISSENTLICH sohin in vermeintlicher Allmacht über Menschen, über die Rechtsordnung, über die Republik ... gegen das zwingende Verfahrensgrundrecht verstoßen hat, gegen seine amtsfähige Pflicht gemäß § 78 StPO verstoßen hat, gegen seine amtsfähige Pflicht gemäß Artikel 89 Abs 2 BVG verstoßen hat, somit umfassend gegen Artikel 18 BVG und Artikel 1 EMRK verstoßen hat, ... damit den Menschenwürde/Rechteschutz – aufgrund auch Verweigerung seiner Vorlagepflicht an das Verfassungsgericht weitestreichend – betreffs des vorliegenden gänzlich offensichtlichen Bruchs des ius cogens des Artikel 3 EMRK vereitelt und so die 'einfach' gesetzlich und verfassungsgemäß absolut untersagte 'erniedrigende Behandlung' von Frau Mag. a Claudia Ö***** ...“

• „... dass der Oberste Gerichtshof vermeint die Bundesverfassung brechen, elementarste Rechte folgenlos verletzen zu können.“ (Seite 3 des Schriftsatzes vom ) „Der mutmaßliche Amtsmissbrauch des Obersten Gerichtshofes und des Oberlandesgerichtes Wien“ (Seite 8 des Schriftsatzes vom ) „Frau Rätin ***** ... bricht mit dieser schwersterniedrigenden und traumatisierenden Behandlung das ius cogens des Artikel 3 EMRK und erfüllt damit offensichtlich das Tatbild des § 302 StGB.“ (Seite 9 des Schriftsatzes vom )

• „Das Höchstgericht hat somit offensichtlich wissentlich gegen zwingendes Verfahrens-Grund-Recht verstoßen.“ (Seite 13 des Schriftsatzes vom )

• „... womit der Oberste Gerichtshof das ius cogens des Artikel 3 EMRK auch selbst gebrochen hat“ (Seite 14 des Schriftsatzes vom )

• „Der Oberste Gerichtshof hat somit auch gegen diese seine verfassungsmäßige Pflicht offensichtlich wissentlich verstoßen und damit sowohl den elementarsten Menschenrechten – weil Menschenwürdeschutz – dessen virulente Not – wenn nicht gerade der vorliegende Fall stichhaltigst beweist – als auch die Herstellung der Würde und internationale Reputation der Republik Österreich vereitelt.“ (Seite 15 des Schriftsatzes vom )

• „Damit hat sich nach dem Landesgericht ***** und dem Oberlandesgericht ***** auch der Oberste Gerichtshof seiner Legimitation selbst entledigt.“ (Seite 16 des Schriftsatzes vom )

• „Ob dieser vorsätzlichen Verletzung der richterlichen Amtspflichten und schwersten Verletzung der Würde eines Menschen fehlen die Worte.“ (Seite 31 des Schriftsatzes vom )

g) im Anspruchsschreiben (Aufforderung gemäß § 8 AHG) vom als Vertreter der Mag. a Claudia Ö***** an die Finanzprokuratur unter anderem ausführte:

• „Diese, zwei Menschen zerstörende, offensichtliche Straftaten wiederholen ***** und ***** in Folge mehrmals, sogar mittels Verfälschung eines OGH Erkenntnisses, und bis heute.“ (Seite 10 des Schriftsatzes vom )

• „Diesen offensichtlich schweren Betrug wiederholten ***** und ***** wissend, dass Frau Mag. a Ö*****, ...“ (Seite 13 des Schriftsatzes vom )

• „Im Namen der Republik weist ***** nicht 'nur' die Klage zur Gänze ab, dieser Richter lobt, auch völlig entgegen dem Obersten Gerichtshof zu ***** ***** und ***** dafür, dass diese zwei Menschen zerstört haben.“ (Seite 20 des Schriftsatzes vom )

• „Das Oberlandesgericht ***** hat sich vielmehr auch für die Aufrechterhaltung der Lebenszerstörung der Klägerin entschieden.“ (Seite 24 des Schriftsatzes vom )

• „Der Richter des ***** ***** verweigert einer, von ihm bereits schwerst geschädigten und erniedrigten Menschenrechtschutzanspruchsbetrügerin, als die Sicherung ihres Lebens.“ (Seite 31 des Schriftsatzes vom )

• „Spätestens damit erfüllt dieser Richter gänzlich offensichtlich auch den Straftatbestand des § 312a StGB.“ (Seite 31 f des Schriftsatzes vom );

h) im Verfahren 35 Cg 45/11y des ***** als Vertreter von Mag. a Claudia Ö***** unter anderem äußerte:

• „- ein Richter den Prozessbetrug der beklagten Partei negiert ...“

• „ein Richter, wissend dass Ansprüche bestehen, eine Klage abweist ...“ (Schriftsatz vom , Seite 26 f)

• „... 'Rechts'-meinung von Herrn ***** (...) unter sogar Lob der Beklagten

für deren rechtsmissbräuchlichen und offensichtlich straffälligen Verfahrensführung ... Negation und Lobes (...) des gänzlich offensichtlichen, mehrfachen schweren Betrugs der Beklagten ...“ (Schriftsatz vom , Seite 6 f)

• „Verfahrenshelfer, den es eben überhaupt nur aufgrund des offensichtlich wissentlichen Befugnismissbrauches (...) des auszuschließenden Richters geben muss ...“ (Schriftsatz vom , Seite 8)

• „dieser Richter (...) nicht gewillt ist, seine lebensbedrohende Schädigung und Erniedrigung der Klägerin und der Republik zu revidieren. (...) unter dem dringenden Verdacht des, sogar qualifizierten, Amtsmissbrauchs steht ...“ (Schriftsatz vom , Seite 10)

• „... dem massiv säumigen bzw seine Amtspflicht zu erfüllen unwilligen Richter ...“ (Schriftsatz vom ).

Rechtliche Beurteilung

Der Disziplinarbeschuldigte wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zur Disziplinarstrafe einer Geldbuße von 6.000 Euro sowie zum Kostenersatz verurteilt.

Der Kammeranwalt bekämpft dieses Erkenntnis mit einer Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe, der Berechtigung zukommt.

Bei der Strafbemessung erachtete der Disziplinarrat als mildernd das Geständnis, als erschwerend hingegen die bisherigen Vorstrafen sowie die hohe Anzahl und die Schwere der inkriminierten Vorwürfe.

Die § 9 Abs 1 RAO widersprechenden unberechtigten Vorwürfe, die sogar den mehrfachen Vorwurf eines kriminelles Verhaltens einschließen, schädigen das Ansehen des Standes der Rechtsanwaltschaft sowohl in ihrer Mitwirkung der Rechtspflege als auch in der Funktion der Vertretung einer Partei. Die persönliche Verantwortung für derartige Anwürfe kann der einschreitende Rechtsanwalt auch nicht auf einen Auftrag seiner Mandantin stützen.

Angesichts des einschlägig (vgl 28 Os 4/15w) getrübten Vorlebens von ***** bedarf es daher einer Geldbuße im Ausmaß von 9.000 Euro, um dem erheblichen Unrechtsgehalt der Tat und dem beträchtlichen Schuldgehalt des Disziplinarbeschuldigten Rechnung zu tragen. Erst dieses Ausmaß rechtfertigt es, von einer – wenn auch befristeten – Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft abzusehen.

In Stattgebung der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war daher über den Disziplinarbeschuldigten eine Geldbuße von 9.000 Euro zu verhängen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0280OS00005.16V.1201.000