OGH vom 09.06.2020, 14Os39/20x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Hetlinger, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann und Dr. Setz-Hummel in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Walter, in der Strafsache gegen ***** S***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten ***** S***** sowie über die Berufung des Angeklagten ***** G***** gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengericht vom , GZ 80 Hv 27/18m-218, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten ***** S*****, demzufolge auch im ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Klagenfurt verwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte S***** auf diese Entscheidung verwiesen.
Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten ***** G***** obliegt dem Oberlandesgericht Graz.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, im zweiten Rechtsgang (zum ersten vgl 14 Os 42/19m) ergangenen Urteil, das auch einen in Rechtskraft erwachsenen Schuldspruch des Angeklagten ***** G***** enthält, wurde ***** S***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach (gemeint:) § 12 zweiter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 4 Z 3 SMG, schuldig erkannt.
Danach hat er in Österreich und Slowenien ***** K***** dazu bestimmt, am vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25fache der Grenzmenge übersteigenden Menge, nämlich zumindest 16.061,3 Gramm Cannabiskraut mit einer Reinsubstanz von mindestens 1.794 Gramm THCA und 136,84 Gramm Delta9THC von (gemeint:) Slowenien nach Österreich einzuführen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 3, 5, 9 lit a und 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten S*****, der Berechtigung zukommt.
Zutreffend zeigt die Verfahrensrüge (Z 3) auf, dass der in der Hauptverhandlung „gemäß § 252 Abs 2 und 2a StPO“ vorgenommene Vortrag (ON 217 S 16) der in den Anlassberichten der Landespolizeidirektion Kärnten vom (ON 2 S 3) und vom (ON 8 S 5 f, 29 f, 33 bis 55) enthaltenen Berichte und Amtsvermerke über die Angaben einer „registrierten VP“ (Vertrauensperson) sowie eines namentlich nicht genannten „VE“ (verdeckten Ermittlers) § 252 Abs 1 StPO verletzt. Diese wurden nämlich (auch) mit dem Ziel errichtet (RISJustiz RS0117259; Ratz, WKStPO § 281 Rz 228), die Aussagen des verdeckten Ermittlers und der mit diesem in Kontakt stehenden Vertrauensperson festzuhalten. Da der Rechtsmittelwerber mit der Verlesung (auch) dieser Amtsvermerke und amtlichen Schriftstücke nicht gemäß § 252 Abs 1 Z 4 StPO einverstanden war (ON 217 S 14) und auch sonst keine in § 252 Abs 1 StPO aufgezählte Ausnahme vom Unmittelbarkeitsprinzip bei der Beweisaufnahme vorlag, durften sie nicht Eingang in die Hauptverhandlung finden (RISJustiz RS0118778; Kirchbacher, WKStPO § 252 Rz 34, 66).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Verfahrensfehler einen dem Angeklagten nachteiligen Einfluss auf die Entscheidung übte (§ 281 Abs 3 StPO). Das Urteil nimmt zwar auf die genannten Aktenteile nicht ausdrücklich Bezug, ihnen kommt aber bei der Frage des Verhaltens der Vertrauensperson des LKA – und damit bei der Beantwortung der (von den Tatrichtern verneinten [US 7 f, 10]) Frage des Vorliegens unzulässiger Tatprovokation (§ 5 Abs 3 StPO) – zentrale Bedeutung zu (vgl Ratz, WKStPO § 281 Rz 740). Im Übrigen haben die Tatrichter ihre Beweiswürdigung pauschal (auch) auf die „Erhebungsergebnisse der Ermittlungsbehörden“ gestützt (US 6), weshalb ein Eingang der in der Hauptverhandlung zu Unrecht vorgekommenen Verfahrensergebnisse in die Beweiswürdigung auch deshalb nicht ausgeschlossen werden kann.
Die aufgezeigte Nichtigkeit erforderte daher – bei der nichtöffentlichen Beratung (§ 285e StPO) – die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang samt Anordnung einer neuen Hauptverhandlung und Verweisung der Sache an das Erstgericht. Damit erübrigt sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte S***** auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Über die Berufung des Angeklagten G***** wird das Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2020:0140OS00039.20X.0609.000 |
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