OGH vom 09.04.2019, 14Os39/19w
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart des Schriftführers Mag. Binder im Verfahren zur Unterbringung der Elisabeth L***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB, AZ 26 Hv 13/19v des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde der Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom , AZ 11 Bs 35/19p (ON 30 des Hv-Akts), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Elisabeth L***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
In dem von der Staatsanwaltschaft Innsbruck zu AZ 23 St 207/18v gegen Elisabeth L***** wegen des Verdachts eines am zum Nachteil der Barbara O***** begangenen Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs 4 StGB geführten Ermittlungsverfahren (s den am beim Landesgericht Innsbruck eingebrachten Antrag auf Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB; ON 21) wurde Elisabeth L***** aufgrund einer gerichtlich bewilligten, auf den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO gestützten Festnahmeanordnung der Staatsanwaltschaft (ON 12) am festgenommen (ON 16). Das Landesgericht Innsbruck wies am den Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Anhaltung der Genannten nach § 173 Abs 2 Z 3 lit a iVm § 429 Abs 4 StPO ab und ordnete – unter Bejahung des Vorliegens dieses Haftgrundes – deren Enthaftung gegen gelindere Mittel, nämlich die Weisung, sich (weiterhin) einer näher bezeichneten ärztlichen Behandlung zu unterziehen (§ 173 Abs 1 und Abs 5 Z 9 iVm § 429 Abs 5 StPO) an (ON 18).
Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Innsbruck der gegen die gerichtliche Bewilligung der Festnahmeanordnung gerichteten Beschwerde der Betroffenen nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich ihre (fristgerecht erhobene) – nur die Annahme eines Haftgrundes und die Bejahung der Verhältnismäßigkeit kritisierende – Grundrechtsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.
Der Oberste Gerichtshof überprüft im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens die rechtliche Annahme einer der (hier:) in § 170 Abs 1 Z 2 bis 4 StPO genannten Gefahren (nur) dahin, ob sie aus den vom Oberlandesgericht in Anschlag gebrachten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich (mit anderen Worten als nicht oder nur offenbar unzureichend begründet) angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806 [T29]).
Entgegen der Grundrechtsbeschwerde hat das Oberlandesgericht den Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 170 Abs 1 Z 4 StPO formell einwandfrei auf Befund und Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Dr. M***** (ON 8, 11) gestützt und aus einer „verständigen Lesart“ der Expertise – ohne Verstoß gegen das Willkürverbot – geschlossen, dass die Gefahr, die Betroffene werde auf freiem Fuß belassen weitere mit mehr als sechsmonatiger Freiheitsstrafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben (unter anderem schwere Körperverletzungen) begehen, im Zeitpunkt der Bewilligung der Festnahmeanordnung vorlag (BS 8 f).
Bei der Begründung des Haftgrundes nicht in Anschlag gebrachte Tatumstände sind – dem Vorbringen zuwider – unbeachtlich, weil hinsichtlich der Haftgründe keine sinngemäße Anwendung der Nichtigkeitsgründe nach Maßgabe des § 10 GRBG erfolgt (RIS-Justiz RS0120458). Indem die Grundrechtsbeschwerde darauf verweist, dass der Sachverständige die Gefahr nur für den Fall der Nichteinhaltung engmaschiger ärztlicher Kontrolle bejaht und sich die Betroffene dieser von der Tat bis zu ihrer Festnahme regelmäßig freiwillig unterzogen habe, zeigt sie keine Willkür auf, sondern zieht aus den aktenkundigen Beweisergebnissen lediglich andere Schlüsse als das Oberlandesgericht. Zudem übersieht sie, dass eine Substitution der Festnahme durch gelindere Mittel im Gesetz nicht vorgesehen ist (RIS-Justiz RS0131863), sodass eine Sicherstellung der Hintanhaltung der Tatbegehungsgefahr durch Weisung nur im Weg vorangehender Festnahme zu erreichen ist. Die der Betroffenen im Rahmen ihrer Enthaftung erteilte – die Bejahung eines Haftgrundes voraussetzende – Weisung blieb im Übrigen vorliegend unbekämpft.
Warum die Festnahme „völlig unverhältnismäßig“ gewesen sei, lässt die – die für diese Beurteilung allein maßgebende Bedeutung der Sache (§ 170 Abs 3 StPO; zum Begriff Kirchbacher/Rami, WK-StPO § 170 Rz 16) gar nicht reflektierende – Grundrechtsbeschwerde offen.
Mit Blick auf den im Grundrechtsbeschwerdeverfahren geltenden Grundsatz der
Einmaligkeit des Rechtsmittels (§ 10 GRBG iVm § 285 Abs 1 erster Satz StPO) sind die in der
Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur getätigten inhaltlichen Ergänzungen der
Grundrechtsbeschwerde, im Rahmen derer die – bislang nicht bestrittene – Annahme hinreichenden Tatverdachts sowie das Unterbleiben amtswegiger Beweisaufnahmen nach Art einer Aufklärungsrüge (Z 5a) kritisiert (vgl dazu im Übrigen RIS-Justiz RS0122321; Kier in WK² GRBG § 2 Rz 26, 30 mwN) und Beweisanträge gestellt werden, unbeachtlich (RIS-Justiz RS0097055 [T3], RS0097061).
Elisabeth L***** wurde somit durch den angefochtenen Beschluss im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0140OS00039.19W.0409.000 |
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