OGH vom 03.07.2018, 14Os39/18v
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart der FOI Bayer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Giuliano P***** und weitere Angeklagte wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Giuliano P***** und Hassan S***** gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom , GZ 28 Hv 75/17y-144, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Den Angeklagten Giuliano P***** und Hassan S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – Giuliano P***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I./A./I./) und nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I./B./I./) sowie der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 und 3 SMG (I./C./I./), Hassan S***** jeweils eines Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 12 dritter Fall StGB, § 28a Abs 1 zweiter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I./A./II./) sowie nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 2 Z 2 und Abs 4 Z 3 SMG (I./B./II./) schuldig erkannt.
Danach haben
I./ am Brennerpass und im Großraum Innsbruck als Mitglieder einer kriminellen Vereinigung bestehend aus Giuliano P*****, Hassan S*****, sowie vier im Urteil namentlich genannten und weiteren unbekannten Personen,
A./I./ Giuliano P***** vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich insgesamt 34,2 kg Cannabisharz beinhaltend zumindest 3.399,4 Gramm THC, nach Österreich eingeführt, indem er dieses in Turin/Italien entgegennahm und in einem Pkw über den Brennerpass nach Innsbruck transportierte, und zwar
1./ am zirka 16 kg Cannabisharz mit einem THCGehalt von zumindest 6,8 %;
2./ am 18,2 kg Cannabisharz mit einem THCGehalt von zumindest 12,7 %;
A./II./ Hassan S***** zu den zu I./A./I./ angeführten strafbaren Handlungen des Giuliano P***** beigetragen, indem er
1./ die Schmuggelfahrt vom gemeinsam mit im Urteil genannten abgesondert Verfolgten organisierte, am 17. oder von Turin nach Innsbruck fuhr, um das von Giuliano P***** gebrachte Suchtgift zu übernehmen und an Zwischenhändler zu verteilen;
2./ die Schmuggelfahrt vom gemeinsam mit im Urteil genannten abgesondert Verfolgten organisierte, vor dem Giuliano P***** zur Kontaktaufnahme mit ihm seine SIMKarte übergab, selbst von Turin nach Innsbruck fuhr, um das von Giuliano P***** gebrachte Suchtgift zu übernehmen und an Zwischenhändler zu verteilen;
B./ vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 25fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, und zwar
I./ Giuliano P***** am durch Übergabe von ca 16 kg Cannabisharz mit einem THCGehalt von zumindest 6,8 % an Hassan S*****;
II./ Hassan S***** am durch Übergabe von ca 16 kg Cannabisharz mit einem THCGehalt von zumindest 6,8 % an weitere Zwischenhändler;
C./II./ Giuliano P***** am vorschriftswidrig Suchtgift in einer das 15fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich 18,2 kg Cannabisharz mit einem THCGehalt von zumindest 12,7 %, mit dem Vorsatz besessen und befördert, dass es in Verkehr gesetzt werde, indem er das Suchtgift nach erfolgter Einfuhr in das Bundesgebiet zwecks Weitergabe an Hassan S***** nach Innsbruck transportierte.
Den dagegen gerichteten, von Giuliano P***** auf Z 4 und 10 und von Hassan S***** auf Z 5 jeweils des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) wurden durch die Abweisung des Antrags auf Vertagung der Hauptverhandlung und „Abwarten der Ergebnisse der Beschuldigtenvernehmung des Zeugen Abderrazzak C***** alias Nabil B*****, zumal dieser gesagt hat, nach Besprechung mit einem Verteidiger sich auf die Sache einzulassen, sodass weitere Erkenntnisse, die für dieses Verfahren relevant sind, zu erwarten sind“ (ON 143 S 11), Verteidigungsrechte nicht verletzt, ließ doch der Antrag ein den Anforderungen des § 55 Abs 1 StPO entsprechendes Begehren – insbesondere die Angabe eines Beweisthemas und der Relevanz desselben für die Schuld oder Subsumtionsfrage – nicht erkennen (RISJustiz RS0118444, RS0116503, RS0118123). Im Übrigen entspricht eine Vertagung der Hauptverhandlung zum Zweck, Beweisergebnisse abzuwarten, die in einem anderen (hier: dem gegen C***** geführten) Strafverfahren erst gewonnen werden sollen, grundsätzlich nicht dem Gesetz (vgl Danek/Mann, WK-StPO § 276 Rz 11 f und Schwaighofer, WKStPO § 226 Rz 29), und hatte der Zeuge in der Hauptverhandlung am – nachdem er über sein Entschlagungsrecht nach § 157 Abs 1 Z 1 StPO belehrt worden war – angegeben, den Angeklagten P***** nicht zu erkennen (ON 143 S 9 f), sodass der Antrag auch offen ließ, aus welchen Gründen eine abermalige Beweisaufnahme ein anderes, noch günstigeres Ergebnis erwarten lasse (RIS-Justiz RS0099453 [T8]).
Der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Mohamed H***** konnte unterbleiben, weil er nicht erkennen ließ, weshalb trotz (nach wie vor) unbekannten Aufenthalts des Genannten und seiner Ausschreibung zur Festnahme seit Juni 2017 (vgl ON 129 und 131 in ON 70 sowie ON 9 in ON 71) dennoch in absehbarer Zeit eine Ausforschung und Vernehmung des Zeugen erfolgen hätte können (§ 55 Abs 2 StPO;Ratz, WKStPO § 281 Rz 339, 344; RISJustiz RS0099399, RS0099502).
Weshalb die Feststellungen zum Schuldspruch I./A./I./1./ offenbar unzureichend begründet sein sollen (US 30 ff), erklärt die Mängelrüge (nominell Z 10, der Sache nach Z 5 vierter Fall) nicht (RISJustiz RS0118317).
Die leugnende Verantwortung des Angeklagten P***** zu I./A./I./ und I./B./I./ hat das Erstgericht – entgegen der weiteren Rüge (nominell Z 10, der Sache nach Z 5 zweiter Fall) – nicht unberücksichtigt gelassen (US 28), jedoch aus den übrigen Verfahrensergebnissen andere als die vom Beschwerdeführer gewünschten Schlüsse gezogen. Warum sich das Schöffengericht in Bezug auf diese beiden Schuldsprüche auch mit der Behauptung des Zeugen C*****, den Angeklagten P***** nicht zu erkennen (ON 143 S 10), hätte auseinandersetzen sollen, bleibt unklar (RISJustiz RS0118316).
Die Mängelrüge (Z 5 erster Fall) bezieht sich mit der Kritik, es sei nicht unzweifelhaft erkennbar, aus welchen Gründen das Schöffengericht die – den Schuldspruch I./B./I./ betreffende – Feststellung getroffen hat, wonach P***** am in Innsbruck die Suchtgiftlieferung von ca 16 kg Cannabisharz dem Angeklagten S***** überlassen hat, „indem er diesem das Suchtgift zur Verteilung an Mohamed H*****, Nabil B***** und weitere unbekannte Zwischenhändler übergab“ (US 17 f), auf keine den Beschwerdeführer betreffende Konstatierung zu entscheidenden Tatsachen.
Nur das Übergehen von erheblichen, somit für die Schuld oder die Subsumtionsfrage relevanten Verfahrensergebnissen, nicht aber die (hier: dem Beschwerdeführer zum Nachteil gereichende) Würdigung des Beweismaterials stellt den Nichtigkeitsgrund der Unvollständigkeit her (RIS-Justiz RS0118316). Soweit der Beschwerdeführer die konstatierte Organisation des Suchtgiftschmuggels durch ihn anspricht, vermeint er, das Erstgericht hätte sich mit den Behauptungen des Angeklagten P***** auseinandersetzen müssen, wonach im März 2017 immer von einem „Zak“ die Rede gewesen sei (ON 123 S 18), er am 18. Februar und in Innsbruck „Zak“ hätte treffen sollen (ON 123 S 13), er den Übernehmer der Drogen nie persönlich gesehen, sondern nur den Namen „Zak“ erhalten habe (ON 123 S 9), und er sich nicht konkret erinnern könne, den Angeklagten S***** jemals gesehen zu haben, wobei es schon möglich wäre (ON 123 S 12). Das Erstgericht hat aber die Verantwortung des Angeklagten P***** nicht unberücksichtigt gelassen (US 12, 28 ff), sondern anhand der (übrigen) Verfahrensergebnisse (US 29 ff) dieser entgegenstehende Feststellungen getroffen, wobei es einer gesonderten Erörterung der von der Rüge genannten Details der in den hier wesentlichen Teilbereichen ersichtlich als unglaubwürdig qualifizierten Aussage (vgl US 28, 30) nicht bedurfte (RIS-Justiz RS0098642).
Die eine offenbar unzureichende Begründung behauptende Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) spricht mit dem Vorbringen des Fehlens einer Begründung der Feststellung, wonach der Beschwerdeführer dem Angeklagten P***** eine SIMKarte übergeben habe und letzterer am mit S***** telefoniert habe, keine entscheidende Tatsache an, erfüllt doch bereits die konstatierte Organisation der Schmuggelfahrt ab Ende Februar 2017 (US 18) die Kriterien der Beitragstäterschaft nach § 12 dritter Fall StGB (RISJustiz RS0117264).
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00039.18V.0703.000 |
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