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OGH vom 25.05.2011, 8ObA84/10a

OGH vom 25.05.2011, 8ObA84/10a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. P***** R*****, gegen die beklagte Partei Verein W*****, wegen Durchführung einer Ausschreibung (Streitwert 1.388 EUR sA), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 9 Ra 83/10g 7, mit dem der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 14 Cga 81/10y 3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger begehrt, den (nach Berichtigung der ursprünglich gewählten Parteienbezeichnung) beklagten Orchesterverein schuldig zu erkennen, die Positionen des administrativen Geschäftsführers sowie des Vereinspräsidenten nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes unverzüglich öffentlich auszuschreiben, in eventu erhebt er ein Feststellungsbegehren. Der ursprünglich mit der Klage verbundene Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist infolge unangefochtener Überweisung gemäß § 44 Abs 1 JN nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.

In der Klage wird vorgebracht, der beklagte Verein unterliege der Kontrolle des Rechnungshofs. Seine Organe seien nach § 1 StellenbesetzungsG bei der Bestellung von Mitgliedern des Leitungsorgans an die Bestimmungen dieses Gesetzes gebunden. Tatsächlich habe der Beklagte jedoch in den vergangenen Jahren die leitenden Positionen seines administrativen Geschäftsführers und seines Präsidenten jeweils ohne vorausgegangene Ausschreibung neu besetzt bzw befristete Ernennungen wiederholt verlängert. Diese Besetzungsvorgänge seien gesetzwidrig und nichtig.

Der Kläger weise aufgrund seiner einschlägigen Ausbildung und Berufserfahrung eine hinreichende fachliche Qualifikation für beide Leitungspositionen auf. Die Nichteinhaltung des Stellenbesetzungsgesetzes durch den Beklagten habe die Rechtssphäre des Klägers insofern unmittelbar verletzt, als es ihm dadurch verwehrt worden sei, sich im Rahmen einer Ausschreibung um diese Positionen zu bewerben. Sowohl der administrative Geschäftsführer als auch der Präsident des Vereins seien als Arbeitnehmer iSd § 51 ASGG anzusehen, die Klage stehe im Zusammenhang mit der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses.

Die Vorinstanzen wiesen die Klage übereinstimmend a limine wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück.

Der Kläger habe sich nach seinem Vorbringen bisher für keine der gegenständlichen Positionen beworben. Dem Begehren, den Beklagten überhaupt erst zur Durchführung einer Stellenausschreibung zu verpflichten, fehle ein Zusammenhang mit der Anbahnung eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses, weshalb keine Arbeitsrechtssache iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG vorliege.

Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der vorliegende, nach § 39 Abs 2 Z 2 ASGG (idF vor dem BBG 2011) zulässige Protokollarrevisionsrekurs des unvertretenen Klägers, mit dem er die Aufhebung der Zurückweisungsbeschlüsse und Einleitung des Verfahrens über die Klage anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist berechtigt.

Der Begriff der Arbeitsrechtssachen gemäß § 50 Abs 1 ASGG ist nach der Rechtsprechung weit auszulegen ( Neumayr in ZellKomm, § 50 ASGG Rz 8 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Maßgeblich für die Beurteilung ist der in der Klagserzählung behauptete Anspruch, dessen Wahrheit und Richtigkeit für den Zweck der Zuständigkeitsprüfung vorerst zu unterstellen ist.

Ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder dessen Anbahnung iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG kann mittelbar oder unmittelbar, in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht bestehen, das Arbeitsverhältnis darf aber nicht nur zufälliger Anlass für die Streitigkeit sein ( Kuderna , ASGG² 305 f; Neumayr aaO; Majoros in Mazal/Risak Arbeitsrecht 16. Lfg XXII 2.3.3). Ein hinreichender Zusammenhang fehlt in der Regel, wenn der geltend gemachte Anspruch zwischen den Parteien genauso bestehen könnte, wenn das Arbeitsverhältnis weggedacht wird (zB private Darlehensforderung; Geltendmachung einer abgetretenen Forderung eines Dritten [RIS Justiz RS0089409]).

Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, dass dieses Ausschlusskriterium auch für eine Streitigkeit über die Anbahnung eines zukünftigen Arbeitsverhältnisses iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG gelten muss. Es genügt nicht, dass ein Anspruch auf Einhaltung arbeitsrechtlicher Normen erhoben wird, sondern es ist auch ein Zusammenhang mit einem konkret zwischen den Parteien zu begründenden Arbeitsverhältnis zu fordern, um die Fachzuständigkeit der Arbeits und Sozialgerichte zu begründen.

Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist aber ein solcher Zusammenhang nach der vorliegenden Klagserzählung gegeben. Der Kläger stützt seine Sachlegitimation ausdrücklich darauf, dass er in seinem subjektiven Recht auf Bewerbung um zwei bestimmte Dienstverhältnisse in einem den gesetzlichen Kriterien genügenden Ausschreibungsverfahren verletzt worden sei. Im Zusammenhalt mit dem ausführlichen Vorbringen des Klägers über seine fachlichen Qualifikationen, womit offenkundig die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen unterstrichen werden soll, kann dies objektiv nur so verstanden werden, dass er sich um die bezeichneten Positionen im Fall ihrer Ausschreibung beworben hätte (und bei Erfolg seiner Klage bewerben will).

Das Rekursgericht merkt grundsätzlich zutreffend an, dass der Kläger auch aus eigener Initiative, ohne eine Ausschreibung abzuwarten, eine Bewerbung für die angestrebten Positionen abgeben hätte können. In diesem Fall wäre ein über die Gesetzmäßigkeit des tatsächlich durchgeführten Bestellungsvorgangs geführter Rechtsstreit aber jedenfalls problemlos als Arbeitsrechtssache iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG einzuordnen.

Nach dem Zweck und den inhaltlichen Vorgaben des Stellenbesetzungsgesetzes trifft dies aber auch für den gewissermaßen vorgelagerten Anspruch auf Einleitung eines gesetzmäßigen Auswahlverfahrens zu. Eine Ausschreibung nach § 2 Abs 3 StellenbesetzungsG hat nicht nur jene besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten zu enthalten, die „im Hinblick auf die Erfüllung der mit der ausgeschriebenen Stelle verbundenen Aufgaben von den Bewerbern erwartet werden“, sondern auch „über die Aufgaben des Inhabers der ausgeschriebenen Stelle Aufschluss zu geben“. Für Interessenten stellen diese Angaben wesentliche Informationen dar, die den Entschluss zur Bewerbung beeinflussen können. Hinzu kommt, dass die Ausschreibung zu befristen ist, woraus sich taktische Vor oder Nachteile für einzelne Bewerber ergeben können. Der behauptete Anspruch auf Durchsetzung eines Ausschreibungsverfahrens nach dem Stellenbesetzungsgesetz erfüllt daher nach dem hier vorliegenden Klagebegehren keinen Selbstzweck, er ist vielmehr bereits der erste Schritt zur Anbahnung der bezeichneten Arbeitsverhältnisse.

Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts ist daher nach § 50 Abs 1 Z 1 2. Fall ASGG gegeben. Nicht zu prüfen ist im vorliegenden Verfahrensstadium, ob tatsächlich eine Verletzung einer Ausschreibungspflicht vorliegt, und ob daraus die geltend gemachten Ansprüche abgeleitet werden könnten.

Ein Kostenbegehren wurde nicht verzeichnet.