OGH 22.03.2011, 8ObA84/10a
Rechtssatz
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Norm | |
RS0127103 | Eine auf Durchsetzung der Ausschreibungspflicht nach § 2 StellenbesetzungsG gerichtete Klage ist eine Arbeitsrechtssache nach § 50 Abs 1 Z 1 ASGG im Zusammenhang mit der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses, wenn die klagende Partei behauptet, sich um die konkret auszuschreibende Stelle bewerben zu wollen. |
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras, und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Dr. Peter R*****, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Partei Vorstand des Vereins W*****, wegen Verpflichtung zur Ausschreibung (Streitwert 1.388 EUR) und einstweiliger Verfügung, im Verfahren über den Revisionsrekurs der klagenden und gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 9 Ra 83/10g-7, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Akt wird dem Erstgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, die klagende und gefährdete Partei unter Fristsetzung zur Klarstellung aufzufordern, gegen wen sich die Klage richtet bzw wie die beklagte Partei zu bezeichnen ist. Nach dieser Klarstellung oder nach fruchtlosem Ablauf der dafür gesetzten Frist ist der Akt dem Obersten Gerichtshof wieder vorzulegen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Mit seiner Klage begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen die Positionen des administrativen Geschäftsführers sowie des Präsidenten des Vereins nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes unverzüglich öffentlich auszuschreiben. In eventu erhebt er ein Feststellungsbegehren. Weiters beantragt er die Erlassung der einstweiligen Verfügung, die beklagte Partei zur Unterlassung der Bestellung und Besetzung der Stelle des administrativen Geschäftsführers zu verpflichten. Als Beklagte und Antragsgegnerin (gemeint: Gegnerin der gefährdeten Partei) bezeichnet der Kläger in seiner Klage ausdrücklich den „Vorstand“ des beklagten Vereins. Er nimmt in seiner Klage auch auf das Stellenbesetzungsgesetz Bezug, nach dem die Ausschreibung von „jenem Organ“ vorzunehmen ist, das die Stelle zu besetzen hat.
Die Vorinstanzen haben übereinstimmend die Klage zurückgewiesen. Das Rekursgericht hat den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung an das Bezirksgericht Innere Stadt überwiesen.
In seinem Revisionsrekurs nennt der Kläger nunmehr nicht mehr den „Vorstand“, sondern nur noch den Verein als beklagte Partei. Nähere Ausführungen dazu finden sich nicht.
Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers zu den Verpflichtungen der „Organe“ ist aber nicht ersichtlich, ob die geänderte Parteibezeichnung aus Versehen erfolgte oder auf eine Berichtigung der Parteienbezeichnung abzielt.
Zu beachten ist allerdings, dass parteifähig nur alle physischen und juristischen Personen bzw jene Gebilde sind, denen die Rechtsordnung durch besondere Anordnung die Fähigkeit, zu klagen oder geklagt zu werden, verliehen hat (RIS-Justiz RS0035327).
Nun besitzen zwar Vereine die Parteifähigkeit, regelmäßig aber nicht Teilorganisationen oder Organe dieser Vereine (RIS-Justiz RS0035375).
Damit stellt sich die Frage, ob der „Vorstand“ des Vereins überhaupt als parteifähig anzusehen wäre. Dies ist eine Prozessvoraussetzung, die von Amts wegen zu prüfen ist. Die zur Prüfung erforderlichen Aufklärungen sind vorweg zu veranlassen (Kodek in Rechberger ZPO3 § 526 Rz 1).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden, sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Kuras und die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. P***** R*****, gegen die beklagte Partei Verein W*****, wegen Durchführung einer Ausschreibung (Streitwert 1.388 EUR sA), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom , GZ 9 Ra 83/10g-7, mit dem der Beschluss des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 14 Cga 81/10y-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Einleitung des gesetzlichen Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt, den (nach Berichtigung der ursprünglich gewählten Parteienbezeichnung) beklagten Orchesterverein schuldig zu erkennen, die Positionen des administrativen Geschäftsführers sowie des Vereinspräsidenten nach den Bestimmungen des Stellenbesetzungsgesetzes unverzüglich öffentlich auszuschreiben, in eventu erhebt er ein Feststellungsbegehren. Der ursprünglich mit der Klage verbundene Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung ist infolge unangefochtener Überweisung gemäß § 44 Abs 1 JN nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
In der Klage wird vorgebracht, der beklagte Verein unterliege der Kontrolle des Rechnungshofs. Seine Organe seien nach § 1 StellenbesetzungsG bei der Bestellung von Mitgliedern des Leitungsorgans an die Bestimmungen dieses Gesetzes gebunden. Tatsächlich habe der Beklagte jedoch in den vergangenen Jahren die leitenden Positionen seines administrativen Geschäftsführers und seines Präsidenten jeweils ohne vorausgegangene Ausschreibung neu besetzt bzw befristete Ernennungen wiederholt verlängert. Diese Besetzungsvorgänge seien gesetzwidrig und nichtig.
Der Kläger weise aufgrund seiner einschlägigen Ausbildung und Berufserfahrung eine hinreichende fachliche Qualifikation für beide Leitungspositionen auf. Die Nichteinhaltung des Stellenbesetzungsgesetzes durch den Beklagten habe die Rechtssphäre des Klägers insofern unmittelbar verletzt, als es ihm dadurch verwehrt worden sei, sich im Rahmen einer Ausschreibung um diese Positionen zu bewerben. Sowohl der administrative Geschäftsführer als auch der Präsident des Vereins seien als Arbeitnehmer iSd § 51 ASGG anzusehen, die Klage stehe im Zusammenhang mit der Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage übereinstimmend a limine wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück.
Der Kläger habe sich nach seinem Vorbringen bisher für keine der gegenständlichen Positionen beworben. Dem Begehren, den Beklagten überhaupt erst zur Durchführung einer Stellenausschreibung zu verpflichten, fehle ein Zusammenhang mit der Anbahnung eines konkreten Beschäftigungsverhältnisses, weshalb keine Arbeitsrechtssache iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG vorliege.
Gegen den Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der vorliegende, nach § 39 Abs 2 Z 2 ASGG (idF vor dem BBG 2011) zulässige Protokollarrevisionsrekurs des unvertretenen Klägers, mit dem er die Aufhebung der Zurückweisungsbeschlüsse und Einleitung des Verfahrens über die Klage anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist berechtigt.
Der Begriff der Arbeitsrechtssachen gemäß § 50 Abs 1 ASGG ist nach der Rechtsprechung weit auszulegen (Neumayr in ZellKomm, § 50 ASGG Rz 8 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Maßgeblich für die Beurteilung ist der in der Klagserzählung behauptete Anspruch, dessen Wahrheit und Richtigkeit für den Zweck der Zuständigkeitsprüfung vorerst zu unterstellen ist.
Ein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder dessen Anbahnung iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG kann mittelbar oder unmittelbar, in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht bestehen, das Arbeitsverhältnis darf aber nicht nur zufälliger Anlass für die Streitigkeit sein (Kuderna, ASGG² 305 f; Neumayr aaO; Majoros in Mazal/Risak Arbeitsrecht 16. Lfg XXII 2.3.3). Ein hinreichender Zusammenhang fehlt in der Regel, wenn der geltend gemachte Anspruch zwischen den Parteien genauso bestehen könnte, wenn das Arbeitsverhältnis weggedacht wird (zB private Darlehensforderung; Geltendmachung einer abgetretenen Forderung eines Dritten [RIS-Justiz RS0089409]).
Dem Rekursgericht ist darin beizupflichten, dass dieses Ausschlusskriterium auch für eine Streitigkeit über die Anbahnung eines zukünftigen Arbeitsverhältnisses iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG gelten muss. Es genügt nicht, dass ein Anspruch auf Einhaltung arbeitsrechtlicher Normen erhoben wird, sondern es ist auch ein Zusammenhang mit einem konkret zwischen den Parteien zu begründenden Arbeitsverhältnis zu fordern, um die Fachzuständigkeit der Arbeits- und Sozialgerichte zu begründen.
Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen ist aber ein solcher Zusammenhang nach der vorliegenden Klagserzählung gegeben. Der Kläger stützt seine Sachlegitimation ausdrücklich darauf, dass er in seinem subjektiven Recht auf Bewerbung um zwei bestimmte Dienstverhältnisse in einem den gesetzlichen Kriterien genügenden Ausschreibungsverfahren verletzt worden sei. Im Zusammenhalt mit dem ausführlichen Vorbringen des Klägers über seine fachlichen Qualifikationen, womit offenkundig die Ernsthaftigkeit seiner Bemühungen unterstrichen werden soll, kann dies objektiv nur so verstanden werden, dass er sich um die bezeichneten Positionen im Fall ihrer Ausschreibung beworben hätte (und bei Erfolg seiner Klage bewerben will).
Das Rekursgericht merkt grundsätzlich zutreffend an, dass der Kläger auch aus eigener Initiative, ohne eine Ausschreibung abzuwarten, eine Bewerbung für die angestrebten Positionen abgeben hätte können. In diesem Fall wäre ein über die Gesetzmäßigkeit des tatsächlich durchgeführten Bestellungsvorgangs geführter Rechtsstreit aber jedenfalls problemlos als Arbeitsrechtssache iSd § 50 Abs 1 Z 1 ASGG einzuordnen.
Nach dem Zweck und den inhaltlichen Vorgaben des Stellenbesetzungsgesetzes trifft dies aber auch für den gewissermaßen vorgelagerten Anspruch auf Einleitung eines gesetzmäßigen Auswahlverfahrens zu. Eine Ausschreibung nach § 2 Abs 3 StellenbesetzungsG hat nicht nur jene besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten zu enthalten, die „im Hinblick auf die Erfüllung der mit der ausgeschriebenen Stelle verbundenen Aufgaben von den Bewerbern erwartet werden“, sondern auch „über die Aufgaben des Inhabers der ausgeschriebenen Stelle Aufschluss zu geben“. Für Interessenten stellen diese Angaben wesentliche Informationen dar, die den Entschluss zur Bewerbung beeinflussen können. Hinzu kommt, dass die Ausschreibung zu befristen ist, woraus sich taktische Vor- oder Nachteile für einzelne Bewerber ergeben können. Der behauptete Anspruch auf Durchsetzung eines Ausschreibungsverfahrens nach dem Stellenbesetzungsgesetz erfüllt daher - nach dem hier vorliegenden Klagebegehren - keinen Selbstzweck, er ist vielmehr bereits der erste Schritt zur Anbahnung der bezeichneten Arbeitsverhältnisse.
Die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts ist daher nach § 50 Abs 1 Z 1 2. Fall ASGG gegeben. Nicht zu prüfen ist im vorliegenden Verfahrensstadium, ob tatsächlich eine Verletzung einer Ausschreibungspflicht vorliegt, und ob daraus die geltend gemachten Ansprüche abgeleitet werden könnten.
Ein Kostenbegehren wurde nicht verzeichnet.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet | Zivilrecht |
Schlagworte | Arbeitsrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:2011:008OBA00084.10A.0322.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
AAAAE-06511