OGH vom 07.07.2004, 9ObA66/04b

OGH vom 07.07.2004, 9ObA66/04b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hradil sowie die fachkundigen Laienrichter Friedrich Heim und o. Univ. Prof. Dr. Walter Schrammel als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang P*****, ÖBB-Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Georg Grießer ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Österreichische Bundesbahnen, Elisabethstraße 9, 1010 Wien, vertreten durch Kunz, Schima, Wallentin, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen EUR 738,35 brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 147/03s-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 26 Cga 261/02w-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 266,69 (darin 44,45 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war seit bei der Beklagten beschäftigt und übte zuletzt die Funktion eines Fahrdienstleiters aus. Wegen eines Hüftleidens mit nachfolgender Operation und Komplikationen war der Kläger seit im Krankenstand. Aufgrund eines ärztlichen Gutachtens wurde er mit "gemäß § 131 Abs 1 lit b der Dienstordnung" in den zeitlichen Ruhestand versetzt.

Unstrittig ist, dass auf das Dienstverhältnis des Klägers neben den AVB auch die Bestimmungen der §§ 56 DO und 131 lit b DO Anwendung zu finden haben.

§ 56 DO lautet:

"Bezüge während der Krankheit. Während der Krankheit erhalten Beamte ihre vollständigen Bezüge. Wenn jedoch die Krankheit durch Trunksucht, einen Raufhandel oder anderes eigenes grobes Verschulden hervorgerufen wurde, so können die sämtlichen Bezüge für die Zeit der Erkrankung eingestellt werden. Beamte werden nach einjähriger ununterbrochener Krankheitsdauer in den zeitlichen oder bleibenden Ruhestand versetzt. Die Krankheitsdauer gilt nur dann als unterbrochen, wenn eine mehr als 14-tägige Dienstzeit zwischen zwei Zeiträume von Dienstunfähigkeit wegen derselben Krankheit fällt ...."

§ 131 DO lautet:

"Versetzung in den zeitlichen Ruhestand (Quieszierung). Ein Beamter kann in den zeitlichen Ruhestand versetzt (quiesziert) werden: a) wenn durch eine Veränderung in der Organisation der Dienststellen oder durch bleibende Verringerung der Geschäfte seine Dienstleistung entbehrlich wird; b) wenn er ein Jahr unterbrochen durch Krankheit von der Versehung seines Dienstes abgehalten, die Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit aber zu gewärtigen ist."

Der Kläger begehrt aktuell den Zuspruch eines - der Höhe nach außer Streit stehenden - Betrages von EUR 738,35 sA. Der Kläger sei verfrüht und somit vertragswidrig vor Ablauf des zumindest ein Jahr währenden Krankenstandes in den zeitlichen Ruhestand versetzt worden. Wäre die Ruhestandsversetzung vertragskonform erfolgt, wäre der Kläger in den Genuss der sogenannten allgemeinen Nebenbezugspauschale gekommen, welche erst mit in die Gehaltstabelle integriert worden sei. Die höhere Bemessungsgrundlage hätte daher zu einer höheren Pension geführt, deren Differenz mit der vorliegenden Klage begehrt werde. Die Bestimmung des § 131 lit b DO sei nicht dahin aufzufassen, dass schon die Prognose eines den Zeitraum von einem Jahr erreichenden Krankenstandes für die zeitliche Ruhestandsversetzung ausreiche; vielmehr hätte dieser Zeitraum abgewartet werden müssen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass bereits die Vorhersehbarkeit eines die Dauer eines Jahres erreichenden ununterbrochenen Krankenstandes die beklagte Partei zur Versetzung des Klägers in den zeitlichen Ruhestand berechtigt habe. Diese Vorgangsweise habe auch der von der klagenden Partei in schlüssigem Einvernehmen mit der Personalvertretung gepflogenen Praxis entsprochen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Ruhestandsversetzung vor Ablauf einer Krankenstandsdauer von einem Jahr zulässig gewesen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass es dem Klagebegehren im vorerwähnten Umfang stattgab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass eine Auslegung der Bestimmungen der §§ 56 und 131 lit b DO nur den Schluss zulasse, dass für eine zeitliche Ruhestandsversetzung wegen Krankheit nicht schon allein die Prognose, sondern erst der Ablauf eines vollen Jahres, welches im ununterbrochenen Krankenstands zurückgelegt worden sei, reiche.

Es sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zu der in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Bestimmung des § 131 lit b DO noch keine Rechtsprechung bestehe.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuweisen, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde.

Die klagende Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die hier maßgebliche Frage, ob eine Versetzung in den zeitlichen Ruhestand gemäß § 131 lit b DO erst nach Ablauf eines Jahres, während dem der Bedienstete ununterbrochen durch Krankheit von der Versehung seines Dienstes abgehalten war, zulässig ist, zutreffend bejaht. Es reicht daher insoweit aus, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

§ 56 DO regelt, dass "Beamte" nach einjähriger ununterbrochener Krankheitsdauer in den zeitlichen oder bleibenden Ruhestand versetzt werden. Diese Bestimmung trifft keine Regeln dazu, unter welchen Voraussetzungen die eine oder andere Ruhestandsversetzung zu erfolgen hat. Hier greift hinsichtlich der zeitlichen Ruhestandsversetzung § 131 lit b DO ein. Nach dieser Bestimmung kann der Beamte dann in den zeitlichen Ruhestand versetzt werden, wenn er ein Jahr ununterbrochen durch Krankheit von der Versehung seines Dienstes abgehalten, die Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit aber zu gewärtigen ist. Daraus ist daher kein anderer Regelungsinhalt, sondern eine klare Ergänzung des § 56 DO abzuleiten. Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin ergibt sich auch kein Wertungswiderspruch zur zeitlichen Ruhestandsversetzung, welche möglich ist, wenn der Dienstnehmer aufgrund körperlicher oder geistiger Gebrechen zur Erfüllung der Dienstpflichten dauernd unfähig wird. In diesem Fall muss eben bereits eine sichere Prognose in dem Sinn möglich sein, dass die Dienstunfähigkeit als eine "dauernde" nicht nur den Zeitraum eines Jahres jedenfalls übersteigen wird, sondern auch nicht bebebbar ist. Ist eine solche Prognose hingegen nicht möglich, ist es konsequent, dass die Dienstgeberin ein Jahr ununterbrochenen Krankenstandes abzuwarten hat, bevor sie - unter den sonstigen Prämissen - eine zeitliche Ruhestandsversetzung vornehmen kann. Inwieweit darin eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung liegen soll, ist nicht ersichtlich.

Der Einwand der Revisionswerberin, dass die zeitliche Ruhestandsversetzung aufgrund einer Prognose "mit schlüssiger Zustimmung der Personalvertretung" Praxis der beklagten Partei gewesen sei, ist viel zu wenig konkret, um daraus allenfalls auf eine Betriebsübung schließen zu können. Das Unterbleiben diesbezüglicher Feststellungen vermag daher auch keinen "sekundären" Feststellungsmangel zu begründen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.