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VfGH vom 27.06.1986, B658/85

VfGH vom 27.06.1986, B658/85

Sammlungsnummer

10948

Leitsatz

RundfunkG; Einrichtung der Kommission zur Wahrung des RundfunkG widerspricht nicht dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung; Ablehnung der Übernahme von Werbeaufträgen durch den ORF;

Feststellung der Kommission zur Wahrung des RundfunkG, daß dadurch das RundfunkG nicht verletzt wurde; keine Verweigerung einer Sachentscheidung - kein Entzug des gesetzlichen Richters;

Schutzumfang der Meinungsäußerungsfreiheit nach Art 10 MRK - sogenannte Rundfunkfreiheit mitumfaßt; Gewährleistung dieses Rechtes iVm. dem BVG über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks (Rdf-BVG) bei der Programmgestaltung; Eingriffsmöglichkeit in dieses Recht bei Vergabe von Sendezeiten für Werbesendungen; auch kommerzielle Werbung fällt in den Schutzbereich des Art 10 MRK; verfassungswidrige Auslegung des RundfunkG dahingehend, daß es dem ORF bei Vergabe der für die Werbung zur Verfügung stehenden Sendezeit freistehe, diese nach Gutdünken zu vergeben - infolge dieser Auslegung Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit hinsichtlich zulässiger Gründe für eine Ablehnung; Verletzung im Gleichheitsrecht und im Recht auf Rundfunkfreiheit (unter Bedachtnahme auf das Rdf-BVG)

Spruch

Die bf. Gesellschaften sind durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz und Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Die auch mit Werbemittlung beschäftigte erstbf. Gesellschaft bewarb sich im Frühsommer 1985 beim Österreichischen Rundfunk (ORF) um die Einschaltung von Werbesendungen (im Wert von über 10 Millionen Schilling) für die von der zweitbf. Gesellschaft verlegte Wochenzeitung, und zwar in den Monaten Juli und August 1985 im Hörfunk. Nachdem sie am 29. Mai eingeladen worden war, Details über das Werbekonzept bzw. über die Gestaltung der Werbespots bekanntzugeben, und mit Brief vom 4. Juni mitgeteilt hatte, sie beabsichtige

"zwei Arten von Spots ... senden zu lassen. Zunächst Ankündigung, welche den Inhalt unserer Zeitung (in Analogie zu den Inseraten im Kurier, in der Kronen Zeitung und in anderen Tageszeitungen) dem Publikum mitteilt und weiters Ankündigung für ein Preisausschreiben, mit welchem dem Publikum kundgetan wird, daß es große Gewinnchancen hat, wenn es sich daran beteiligt",

lehnte der ORF am die Übernahme eines Auftrages - nach den Beschwerdebehauptungen ohne Prüfung der vorgelegten Unterlagen - ab und erklärte mit Schreiben vom gleichen Tag unter Hinweis auf die (nach seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen bestehende) Möglichkeit, Werbesendungen ohne Angabe von Gründen abzulehnen,

"... Die Ausgangssituation - siehe Ihren Brief vom 4. Juni - läßt nicht erwarten, daß wir einen solchen Auftrag reibungslos abwickeln können. Inhaltswerbung in dieser Form bleibt ausgeschlossen."

Abschließend gab der ORF mit Schreiben vom 26. Juni seiner Auffassung Ausdruck, daß eine gesetzliche Verpflichtung zur Annahme von Werbeaufträgen mangels Rechtsgrundlage nicht bestünde.

Eine (Administrativ-)Beschwerde wegen Verletzung des Rundfunkgesetzes, die unter Berufung auf § 27 Abs 1 lita des Rundfunkgesetzes, BGBl. 379/1984 (RFG), die Außerachtlassung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes und des Gebotes der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit behauptete und den ORF für verpflichtet hielt, Sendezeit für Werbezwecke nur gleichmäßig und nach sachlichen Kriterien verteilt zu vergeben (aber ausdrücklich erklärte, nicht eine Verpflichtung des ORF zum Abschluß eines bestimmten Vertrages, sondern nur die Feststellung der Verletzung des Rundfunkgesetzes zu begehren), wurde im angefochtenen Bescheid der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes vom mit der Feststellung erledigt, daß "durch die Ablehnung der Ausstrahlung von Werbespots im Sinne von Aufträgen der Beschwerdeführer durch den ORF am 17. und das Rundfunkgesetz nicht verletzt wurde". Der Antrag, die Entscheidung des Generalintendanten aufzuheben, wurde abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde an den VfGH, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Freiheit von jeglicher Vorzensur, allenfalls eine Rechtsverletzung durch Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes gerügt wird. In Wahrheit habe die bel. Beh. eine Sachentscheidung verweigert, aufgrund gehäuften Verkennens der Rechtslage jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, Willkür geübt und dem Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen, insbesondere die Meinungs-, Presse- und Zensurfreiheit verletzenden Inhalt unterstellt; allenfalls verstießen die einschlägigen Bestimmungen des Rundfunkgesetzes ihrerseits gegen ArtI des Bundesverfassungsgesetzes über die Sicherung der Unabhängigkeit des Rundfunks, BGBl. 396/1974 (Rdf-BVG), und gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung, und jene über die Bestellung von Mitgliedern der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes gegen den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung.

Die bel. Beh. hat auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet und die Aufforderung des VfGH, sich über das Verhältnis der §§2 ff. RFG zu § 5 RFG zu äußern, unbeantwortet gelassen. Der Generalintendant hat eine Gegenschrift erstattet und beantragt die Abweisung der Beschwerde.

II. Im Ergebnis ist die Beschwerde begründet.

1. Gerügt wird ua., die belangte Kommission sei in verfassungswidriger Weise eingerichtet worden. Daß die Bundesregierung für ihre Ernennungsvorschläge an den Bundespräsidenten Besetzungsvorschläge vom Präsidenten des OGH und den Präsidenten der vier Oberlandesgerichte einzuholen habe, widerspreche dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung. Denn die Erstattung solcher Vorschläge habe keinerlei Bezug zur richterlichen Funktion und sei daher keine Angelegenheit der Justizverwaltung.

Damit übersieht die Beschwerde, daß der VfGH schon in dem die Personalvertretungs-Aufsichtskommission betreffenden Erk. VfSlg. 8158/1977 festgestellt hat, die Entsendung, Nominierung oder Präsentation von Richtern aus der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit habe (anders als Besetzungsvorschläge der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts: VfSlg. 7376/1974) sehr wohl einen Bezug zu dieser Gerichtsbarkeit. Durch das Gebot der Trennung von Justiz und Verwaltung ist dem Gesetzgeber folglich nur verwehrt, solche Entsendungs-, Nominierungs- und Präsentationsbefugnisse dem Personalsenat eines Gerichtes zu übertragen, weil dessen Mitglieder dabei in Ausübung des richterlichen Amtes tätig würden (Art87 Abs 2 B-VG), wodurch Verwaltungsorgane (Bundespräsident und Bundesregierung) und ein Gericht (der Personalsenat) zusammenwirken müßten. Da es im vorliegenden Fall um Besetzungsvorschläge für jene Mitglieder der Rundfunkkommission geht, die dem Richterstand anzugehören haben (§25 Abs 3 Z 1 RFG), und also die Erstattung der Vorschläge zulässigerweise den Präsidenten der genannten Gerichtshöfe als (monokratischen) Justizverwaltungsorganen übertragen ist, kommt es zu einem solchen Zusammenwirken nicht. Es erübrigt sich daher auch näher zu erörtern, welche Bedeutung dem - behaupteten - Umstand zukäme, daß dem (vom Vorsitzenden durch das Los bestimmten) erkennenden Senat gar kein Mitglied angehörte, das aufgrund eines solchen Besetzungsvorschlages ernannt worden wäre.

2. Der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes obliegt nach § 25 Abs 1 Satz 2 RFG die Rechtsaufsicht über den ORF. Ihre Entscheidung besteht in der Feststellung, ob und durch welchen Sachverhalt eine Bestimmung dieses BG verletzt worden ist (§29 Abs 1). Dauert die Verletzung im Zeitpunkt dieser Feststellung noch an, dann kann die Kommission die Entscheidung des betreffenden Organs aufheben (§29 Abs 2).

Über ein solches Begehren von Personen, die durch die Rechtsverletzung unmittelbar geschädigt zu sein behaupten (§27 Abs 1 lita RFG), hat die Rundfunkkommission im vorliegenden Fall entschieden: Sie hat festgestellt, daß durch den in Beschwerde gezogenen Sachverhalt das Rundfunkgesetz nicht verletzt wurde, und demgemäß den Antrag auf Aufhebung der Entscheidung abgewiesen. Von der Verweigerung einer Sachentscheidung kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein. Eine allfällige Unvollständigkeit des Ermittlungsverfahrens oder der Entscheidungsbegründung - durch ein Übergehen wesentlicher Sachfragen - verletzt das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter nicht; sie kann allerdings unter einem anderen Blickwinkel in die Verfassungssphäre reichen (vgl. VfSlg. 8320/1978 ORF-Generalsekretär).

3. Der Vorwurf, die Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz und auf Freiheit der (Meinungs-)Äußerung seien durch verfassungswidrige Auslegung des Rundfunkgesetzes verletzt worden, ist hingegen berechtigt:

a) Als mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete Anstalt ist der ORF zwar nicht Teil der Staatsverwaltung. Seine Organe sind nicht Organe des Bundes (VfSlg. 7593/1975); soweit ihnen nicht (ausnahmsweise) hoheitliche Aufgaben übertragen sind, handeln sie im Bereich der Privatautonomie (VfSlg. 7717/1975) derart, daß das Gesetz nicht Voraussetzung, sondern Schranke ihres Handelns ist (VfSlg. 7716/1975). Die Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes ist aber eine staatliche Behörde; sie hat die Aufgabe, die Einhaltung des Gesetzes zu überwachen und über behauptete Verletzungen von Bestimmungen des Gesetzes durch den ORF zu entscheiden. Im Wege einer gegen die Verneinung einer solchen Rechtsverletzung gerichteten Beschwerde an den VfGH kann daher eine verfassungswidrige Handhabung des Gesetzes durch den ORF aufgegriffen werden.

b) Das in Art 10 MRK gewährleistete "right to freedom of expression" oder "droit a la liberte d'expression", das durch die deutsche Übersetzung "Anspruch auf freie Meinungsäußerung" nur unzulänglich wiedergegeben wird (weil es - wie es im authentischen Text heißt - "shall include freedom to hold opinions" oder "comprend la liberte d'opinion") schließt die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden ein. Wie der VfGH schon im Erk. VfSlg. 9909/1983 (Wohnanlage-Kabelfernsehen) ausgesprochen hat, liegt im Schutzbereich dieser verfassungsgesetzlichen Gewährleistung auch die Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen mit Hilfe von Fernseh-Rundfunkanlagen (sogenannte Rundfunkfreiheit). Zugleich hat der Gerichtshof aber dargelegt, daß das Rdf-BVG ein - von Art 10 MRK erlaubtes - Konzessionssystem für Hörfunk und Fernsehen vorsieht und gleichzeitig garantiert, daß Rundfunk - von wem immer - nach den Prinzipien der Objektivität und Meinungsvielfalt betrieben wird.

Diese Garantie umfaßt auch die Ausgewogenheit der Programme.

Das in Ausführung des Rdf-BVG ergangene Rundfunkgesetz hat den ORF eingerichtet und verpflichtet, für mindestens drei Programme des Hörfunks und mindestens zwei Programme des Fernsehens zu sorgen und eine gleichmäßige Versorgung aller Bewohner des Bundesgebietes anzustreben. In einem solchen System kann sich Rundfunkfreiheit nicht in der Freiheit des Rundfunkunternehmens erschöpfen, Rundfunk ohne staatliche Eingriffe zu betreiben. Nur dann ist die Rundfunkfreiheit gewährleistet, wenn die Möglichkeit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen angesichts der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme im Rahmen des ORF auch tatsächlich besteht. Es liegt in der Natur der Sache, daß diese Möglichkeit aus technischen Gründen und im Hinblick auf die Einhaltung der genannten Grundsätze äußerst beschränkt ist und regelmäßig nur dadurch verwirklicht werden kann, daß der ORF sich bei seiner Programmgestaltung eben an die genannten Grundsätze hält. Was das vom ORF selbst gestaltete Programm betrifft, verlangt die Rundfunkfreiheit in Verbindung mit dem Rdf-BVG also eine objektive, unparteiliche und ausgewogene Gestaltung. Soweit das Gesetz aber Programme möglich macht, die der einzelne Interessent gestalten kann, muß der Zugang unter den vom Rdf-BVG garantierten Bedingungen offenstehen. Wird jemandem der Zugang unter Verletzung dieser Garantien verwehrt, so verletzt die Behörde, die ein solches Verhalten billigt, das Grundrecht auf Freiheit der (Meinungs-)Äußerung. Es kann deshalb auch die bloße Ablehnung von Sendeaufträgen durch den ORF einen Eingriff in die so verstandene Rundfunkfreiheit darstellen.

In den Schutzbereich des Art 10 MRK - und damit in jenen der Rundfunkfreiheit - fällt auch die sogenannte kommerzielle Werbung. Zwar hat der VfGH in seiner Rechtsprechung zu Art 13 StGG die Einschaltung von Anzeigen in ein Presseerzeugnis als eine mit der Meinungsfreiheit nicht im Zusammenhang stehende besondere Form des Wirtschaftsverkehrs gewertet (VfSlg. 4087/1961). Die Garantie des Art 10 MRK umfaßt jedoch einen weiteren Bereich. Denn die Freiheit zur Mitteilung von Nachrichten oder Ideen geht offenkundig über die Äußerung von Meinungen im engeren Sinn hinaus. Nachrichten oder Ideen übermitteln und das Verhalten des angesprochenen Publikums beeinflussen wollen auch Werbeaussagen. Dieses Ziel von anderen beabsichtigten Wirkungen zu trennen, ist praktisch unmöglich. Dazu kommt, daß Art 10 MRK nicht auf einen bestimmten Zweck der Äußerung abstellt, sondern vielmehr "offene Kommunikationsprozesse in allen gesellschaftlichen Teilbereichen garantieren will" (Berka, Die Kommunikationsfreiheit in Österreich, EuGRZ 1982, 413 ff., 417). Der VfGH teilt daher die Auffassung der Europäischen Kommission für Menschenrechte (vgl. Frowein - Peukert, EMRK-Kommentar, 1985, 228, RZ 9 zu Art 10), wonach auch wirtschaftliche Werbung durch Anzeigen den Schutz von Art 10 Abs 1 genießt, allerdings schärferen Einschränkungen unterstellt werden kann als der Ausdruck politischer Ideen.

Daher hat der VfGH hier zu prüfen, ob der angefochtene Bescheid auf einer verfassungswidrigen Grundlage beruht oder die Behörde dem verfassungsrechtlich unbedenklichen Gesetz fälschlich einen verfassungswidrigen - insbesondere Art 10 MRK und dem Rdf-BVG widersprechenden - Inhalt unterstellt hat (vgl. VfSlg. 9909/1983).

c) § 2 RFG enthält Vorschriften über die Programmgestaltung. Der ORF hat für die dort genannten Anliegen (Abs1) zu sorgen und bei Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben die dort umschriebenen Grundsätze (Abs2) zu beachten. § 5 verpflichtet ihn, Sendezeit an politische Parteien und Interessenvertretungen zu vergeben ("Belangsendungen") und auf die Bewerber entsprechend ihrer Bedeutung im öffentlichen Leben aufzuteilen (Abs1) und den Behörden für Aufrufe und andere wichtige Mitteilungen Sendezeit zur Verfügung zu stellen (Abs2), sagt zu der hier maßgeblichen Frage in Abs 3 aber nur:

"Der Österreichische Rundfunk kann im Rahmen seiner Hörfunk- und Fernsehprogramme Sendezeiten gegen Bezahlung für kommerzielle Werbung vergeben."

Nach Abs 4 hat eines der Programme des Hörfunks von Werbesendungen frei zu bleiben; im übrigen hat das Kuratorium bei Festsetzung des Umfanges der Werbesendungen näher umschriebene zeitliche und sachliche Schranken zu beachten und ist zu gewissen weiteren Beschränkungen ermächtigt; Abs 5 verpflichtet den ORF zur Kennzeichnung von Belang- und Werbesendungen.

In ihrer Beschwerde an die Kommission hatten die bf. Gesellschaften neben ihrem Hinweis auf die aus den §§20 Abs 1 und 31 Abs 2 abgeleiteten Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit auch auf die öffentliche Aufgabe des Rundfunks Bezug genommen und ihre These über die Grundsätze der Vergabe von Werbesendungen auf die Bestimmungen über die Programmgestaltung (§2 Abs 1 und 2) und die Belangsendungen (§5 Abs 1) gestützt.

Der angefochtene Bescheid stellt dazu einleitend fest, daß § 2 RFG keinerlei die kommerzielle Werbung betreffende gesetzliche Programmaufträge enthalte, und führt dann wörtlich aus:

"Dem legistischen Aufbau des § 5 RFG ist unmißverständlich zu entnehmen, daß der ORF nach dem Abs 3 leg. cit. zur Vergabe von Sendezeiten für kommerzielle Werbung (und dabei gebunden an eine Reihe von Beschränkungen und Auflagen) ermächtigt (berechtigt), nicht jedoch verpflichtet ist (arg. 'kann ... vergeben'). Der dadurch eröffnete Ermessensspielraum wird durch den in den §§2 bis 5 RFG enthaltenen gesetzlichen Auftrag zur Erfüllung bestimmter Programmfunktionen bei gleichzeitiger Beachtung der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung eingegrenzt (vgl. hiezu RFR 1982, 37 sowie AICHER, Das Recht der Werbung, 66 ff).

Insoweit die Beschwerdeführer aus der spezifischen Monopolstellung des ORF bei der Annahme von Werbeaufträgen einen Kontrahierungszwang als gegeben ansehen, ist ihnen zu erwidern, daß der ORF zwar kein auf Gewinn gerichtetes Unternehmen, aber als ordentlicher Kaufmann verpflichtet ist, langfristig für die Sicherung einer störungsfreien Aufgabenerfüllung und damit für eine ausreichende wirtschaftliche Basis seiner Unternehmenstätigkeit zu sorgen. In der grundsätzlichen Frage, ob die aus der entgeltlichen Vergabe von Zeiten für Werbesendungen sich ergebende Einnahmequelle überhaupt in Anspruch genommen werden soll, ist der dem ORF nach § 5 Abs 3 RFG eingeräumte Ermessensspielraum wegen des von ihm unter anderen zu beachtenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit praktisch bedeutungslos. Von diesem grundsätzlichen Aspekt ist jedoch die Frage zu unterscheiden, ob der ORF in allen Fällen zur Annahme von Werbeaufträgen verpflichtet ist. Dies ist aber eindeutig zu verneinen, weil einerseits keine absolute Verantwortungsfreiheit des ORF für den Inhalt der von ihm verbreiteten Werbesendungen besteht und andererseits auch die qualitativen Werbeeinschränkungen des Abs 4 des § 5 RFG dem hindernd entgegenstehen. Dazu kommen noch alle übrigen, in anstaltsautonomen Rechtsakten des ORF (Programmrichtlinien, Geschäftsbedingungen für den Werbefunk) festgelegten Beschränkungen.

Zusammenfassend erweist sich, daß einerseits die Beschwerdeführer durch Ausschöpfung des dem Österreichischen Rundfunk im § 5 Abs 3 RFG eingeräumten, ihn zu keinem Tun verpflichtenden Ermessensspielraums in keinem ihnen konkret zustehenden Recht verletzt wurden bzw. überhaupt verletzt werden konnten, andererseits die Beurteilung, ob die nach § 20 Abs 1 RFG und § 31 Abs 2 RFG bei der Geschäftsführung vom ORF zu beachtenden Kriterien verletzt wurden, nicht eine von der Kommission zur Wahrung des Rundfunkgesetzes zu beantwortende Frage ist, sondern vielmehr den Zivilgerichten bzw. der nach § 31 Abs 1 RFG normierten Prüfungskommission und der Kontrolle des Rechnungshofes anheimfällt."

Die Behörde nimmt also offenbar an, daß der ORF bei der Vergabe von Sendezeiten für Werbesendungen aufgrund des § 5 Abs 3 innerhalb des ihm nach Erfüllung der sonstigen Aufgaben verbleibenden zeitlichen Rahmens und der im § 5 Abs 4 geregelten Schranken schlechthin frei sei und daß ihn nur eine gewisse - nicht näher umschriebene - Verantwortung für die von ihm verbreiteten Werbesendungen treffe. Daran knüpft sie die mit der Bejahung der Antragslegitimation schwer zu vereinbarende Aussage, durch Ausschöpfen des (zu keinem Tun verpflichtenden) Ermessensspielraumes hätten die bf. Gesellschaften in keinem Recht verletzt werden können. Wie sich dann noch die unter dem Stichwort "Kontrahierungszwang" (also einem von der Beschwerde ausdrücklich ausgeklammerten und wegen Zuständigkeit der Zivilgerichte im rundfunkrechtlichen Verfahren auch nicht zu erörternden Gesichtspunkt) behandelte Frage stellen soll, "ob der ORF in allen Fällen zur Annahme von Werbeaufträgen verpflichtet ist", bleibt unerklärlich.

Auf all das ist allerdings hier nicht näher einzugehen. Insgesamt ist nämlich der Ausgangspunkt der bel. Beh. verfassungsrechtlich nicht haltbar. Rundfunk ist nach dem Rdf-BVG ausnahmslos "eine öffentliche Aufgabe" (ArtI Abs 3), der Auftrag an den Gesetzgeber zur Gewährleistung der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, der Berücksichtigung der Meinungsvielfalt und der Ausgewogenheit der Programme (Abs2) umfassend. Wohl hatte der Verfassungsgeber in erster Linie die in § 2 RFG genannten Aufgaben vor Augen: Objektiv und unparteilich sein muß vor allem die Berichterstattung, berücksichtigt werden muß besonders die Vielfalt der im öffentlichen Leben vertretenen Meinungen, auszuwägen sind vornehmlich die vom ORF selbst verantworteten Programme. Nichts berechtigt aber zur Annahme, es gäbe eine zulässige Darbietung (ArtI Abs 1 Rdf-BVG), die dem grundsätzlichen Gebot der Objektivität, Unparteilichkeit, Pluralität und Ausgewogenheit nicht mit unterworfen wäre. Verschieden ist nur das diesen Grundsätzen in bezug auf die einzelnen Darbietungen zukommende Gewicht und die Art und Weise, wie den Grundsätzen Rechnung getragen werden muß (weshalb es insoweit geboten sein mag, zwischen "Programm" iS des § 2 RFG und "Programm" im weiteren Sinn zu unterscheiden).

So zeigt § 5 Abs 1 RFG, daß Belangsendungen, deren Programm der Rundfunk nicht selbst gestalten darf (sondern äußerstenfalls auf seine Zulässigkeit zu kontrollieren hat), unter den Bewerbern entsprechend ihrer Bedeutung im öffentlichen Leben - also objektiv und unparteilich, die Meinungsvielfalt beachtend, aber auch ausgewogene Programme gestaltend - aufzuteilen sind. Welche Rolle die verfassungsrechtlichen Grundsätze bei Aufrufen iS des § 5 Abs 2 RFG spielen, kann hier dahingestellt bleiben. Daß sie bei der Vergabe von Werbesendungen nach § 5 Abs 3 erst nach der zunächst kaufmännischen Zielsetzung (arg. "gegen Bezahlung") Berücksichtigung finden sollen, liegt nahe und ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil ein Anspruch auf unentgeltliche Verbreitung im Wege des Rundfunks aus Art 10 MRK ernstlich nicht abgeleitet werden kann. Die in diesem Punkt vergleichsweise dürftige Regelung des Gesetzes darf aber keineswegs so verstanden werden, daß es dem ORF freistünde, Sendezeiten für kommerzielle Werbung an die Interessenten nach Willkür, parteilich, unter einseitiger Bevorzugung bestimmter Richtungen oder mit Ausschluß einzelner Unternehmer zu vergeben (vgl. dazu Funk, Rechtsprobleme der Rundfunkwerbung, in Aicher, Das Recht der Werbung, 1984, 55 ff., 64). Im Lichte des Art 10 MRK und des Rdf-BVG - und also verfassungskonform gesehen - ist der ORF vielmehr verpflichtet, dann, wenn er sich in Handhabung des Gesetzes zur Vergabe von Werbesendungen veranlaßt sieht, jedermann zu denselben objektivsachlichen, der Vielfalt der Interessen von Bewerbern und Öffentlichkeit verpflichteten (wettbewerbs-)neutralen und ausgewogenen Bedingungen für gesetzlich zulässige Werbesendungen zur Verfügung zu stehen und eine Bevorzugung oder Benachteiligung einzelner Wirtschaftssubjekte zu vermeiden.

d) Geht man von diesem - verfassungsrechtlich gebotenen - Verständnis des Rundfunkgesetzes aus, so wird deutlich, daß die Mangelhaftigkeit des angefochtenen Bescheides in die Verfassungssphäre reicht. Indem die Behörde den ORF für schlechthin freihält, die für die Werbung zur Verfügung stehende Sendezeit nach Gutdünken zu vergeben, unterstellt sie dem Gesetz einen verfassungswidrigen Inhalt und kommt aufgrund dieser - einer denkunmöglichen Gesetzesanwendung gleichzuhaltenden (VfSlg. 10386/1985, 10700/1985) - Auslegung zu einer Abweisung des Begehrens der bf. Gesellschaften, ohne zur entscheidungswesentlichen Frage, ob die Ablehnung der Übernahme des Werbeauftrages aus zulässigen Gründen erfolgte, überhaupt irgendwelche Ermittlungen angestellt zu haben. Dieses Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit, das nach ständiger Rechtsprechung des VfGH das Recht auf Gleichheit vor dem Gesetz verletzt (VfSlg. 7328/1974, 7732/1975, 8309/1978, 9005/1981, 9824/1983 ua.) beruht zudem auf einer Gesetzesauslegung, die dem Recht auf Rundfunkfreiheit (unter Bedachtnahme auf das Rdf-BVG) widerspricht; der abweisende Bescheid bewirkt daher auch eine Verletzung dieses Grundrechts.

Der Bescheid ist demgemäß aufzuheben.

Im fortgesetzten Verfahren wird es Aufgabe der Behörde sein, die Gründe der Ablehnung der angestrebten Werbesendung festzustellen und unter den dargelegten Gesichtspunkten zu würdigen. Das Beschwerdevorbringen veranlaßt den VfGH allerdings klarzustellen, daß eine Überprüfung des Inhalts von beabsichtigten Werbesendungen durch den ORF im Hinblick auf dessen notwendige Mitwirkung an der Verbreitung der Darbietung - entgegen der Behauptung der Beschwerde - schon begrifflich keine unerlaubte Vorzensur iS des Beschlusses der Provisorischen Nationalversammlung vom , StGBl. 3, darstellen kann.