OGH vom 23.07.2019, 11Os80/19b

OGH vom 23.07.2019, 11Os80/19b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Haitham A***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 42 Hv 27/18y-181a, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das sonst unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben.

Die Sache wird in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde im Übrigen wird zurückgewiesen.

Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Angeklagte auf die Aufhebung verwiesen.

Die Akten werden dem Erstgericht rückgemittelt, das entsprechende Aktenteile dem Oberlandesgericht Wien zur Erledigung der Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche zuzuleiten haben wird.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Haitham A***** des Verbrechens des schweren Betruges nach § 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Halil S***** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Vorgabe, leistungsfähiger und -williger Vertragspartner eines Devisengeschäfts zu sein, zur Übergabe einer Kiste mit Banknoten im Nominalwert von einer Milliarde neuer irakischer Dinar, somit zu einer Handlung verleitet, die den Genannten im Betrag von 794.370 Euro am Vermögen schädigte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 9 lit a und Z 11 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) konnte der in der Hauptverhandlung am gestellte Antrag auf Vernehmung der Zeugin Dora H***** (ON 181 S 19; US 32) „zum Beweis dafür, dass Frau Tünde A***** an dem gegenständlichen Geschäft mit dem Umtausch irakischer Währung beteiligt war“, mit dem Hinweis darauf, dass diese Zeugin über unmittelbare Wahrnehmungen darüber verfüge, „dass Frau Tünde A***** und Herr Imet Sa***** Geld aus dem gegenständlichen Geschäft lukriert und an sich gebracht haben“ ohne Verletzung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden, weil weder die Beteiligung anderer noch die konkrete Verwertung der Beute eine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erhebliche Tatsache betrifft.

Die Rechtsfehler mangels Feststellungen zur subjektiven Tatseite behauptende Rechtsrüge (Z 9 lit a) orientiert sich nicht an den gerade dazu getroffenen, auch die Schädigung des Halil S***** im Betrag von zumindest 794.370 Euro umfassenden Konstatierungen der Tatrichter (US 7) und verfehlt damit den gesetzlichen Bezugspunkt des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes.

Die Sanktionsrüge dagegen zeigt (im Ergebnis) zutreffend auf, dass das Schöffengericht bei seinem Strafausspruch für die Strafbemessung maßgebende entscheidende Tatsachen offenbar unrichtig beurteilte (Z 11 zweiter Fall).

Das Erstgericht führte im Rahmen der Strafzumessungserwägungen aus (US 37):

„Darüberhinaus steht es dem Angeklagten selbstverständlich frei, sich im Rahmen seiner Verteidigungsrechte zu verantworten, wie immer er es für richtig hält. Dennoch wurden im gegenständlichen Fall die üblichen und zulässigen Verteidigungsrechte deutlich überschritten. So wurde dem Gericht mehrfach glaubwürdig zugetragen, dass der Angeklagte und dessen Familie versuchten, Zeugen ... einzuschüchtern, insbesondere der Zeugin Tünde A***** war es deutlich anzumerken, dass sie nur mit großem Unwohlsein in der Verhandlung aussagte und offensichtlich Repressalien befürchtete. Wenn auch für Mohammad A***** [den Sohn des Angeklagten] die Unschuldsvermutung gilt, so ist doch aufgrund des zeitlichen Zusammenhanges, in dem der Schuss gegen Tünde A***** mit ihrer Aussage bei der Polizei gegen ihren Mann gesetzt wurde, ein deutlicher Hinweis dafür, dass hier bewusst versucht wurde, die Zeugin einzuschüchtern. Auch … die Versuche, Tünde A***** ganz offen einer strafbaren Handlung zu zeihen, die eigentlich der Angeklagte begangen hat, liegen zumindest hart an der Grenze zum Strafbaren, wenn sie auch von der Staatsanwaltschaft nicht ausdrücklich verfolgt wurden.“

Die Beschwerde ersieht dadurch die Unschuldsvermutung verletzt und vermeint darüber hinaus, das Erstgericht hätte „dem Angeklagten seine Verantwortung als erschwerend angelastet“.

Die Unschuldsvermutung (§ 8 StPO; Art 6 Abs 2 MRK) ist verletzt, wenn das Gericht bei der Strafbemessung auf die Begehung einer Straftat als tatsächlichen Anknüpfungspunkt abstellt, die nicht Gegenstand des im angefochtenen Urteil gefällten oder eines sonstigen, rechtskräftigen Schuldspruchs ist (RIS-Justiz RS0132357; vgl RS0074684 [insbesondere T 7, T 11]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 713 und 725; Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 36).

Die oben wiedergegebene Begründungspassage trifft nach ihrem – hiefür maßgeblichen (RIS-Justiz RS0128232) – Sinngehalt derartige Schuldfeststellungen („versuchte, Zeugen ... einzuschüchtern“, „Versuche, Tünde A***** ganz offen einer strafbaren Handlung zu zeihen ...“), woran auch die Formulierung „zumindest [!] hart an der Grenze zum Strafbaren“ nichts zu ändern vermag.

Dies zwingt zur Aufhebung des Strafausspruchs, ohne dass es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedarf.

In weitgehender Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur war das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt zu bleiben hatte, in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im Strafausspruch aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zu verweisen (§ 285e StPO). Dieses wird – nach Prüfung des Vorliegens der in § 7 Abs 3 TilgG genannten Voraussetzungen (vgl US 4 und 8 f; ON 181 S 3; 13 Os 33/16a) und gegebenenfalls nach Erhebung weiterer Strafzumessungstatsachen zu den oben genannten Vorgängen – die Strafe neu zu bemessen haben (Ratz, WK-StPO § 285i Rz 4 f).

Im Übrigen war die Nichtigkeitsbeschwerde – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerung des Verteidigers – des Angeklagten zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO) und er mit seiner Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Die Entscheidung über die Berufung des Angeklagten gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche kommt dem Oberlandesgericht Wien zu (§ 285i StPO; vgl RIS-Justiz RS0100065).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00080.19B.0723.000

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