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OGH vom 26.02.2015, 28Os12/14w

OGH vom 26.02.2015, 28Os12/14w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter sowie die Rechtsanwälte Dr. Wippel und Dr. Strauss als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Kaltenbrunner als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen Dr. *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom , AZ D 28/10, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Janda, des Kammeranwalts Dr. Kaska und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wird Folge gegeben und Dr. ***** von dem wider ihn erhobenen Vorwurf freigesprochen, er habe eine ihm von Mag. (FH) Sabine H***** und Mag. (FH) DI Klaus H***** erteilte, mit datierte Spezialvollmacht zur Abwicklung des Verkaufs von den genannten gehörigen Liegenschaftsanteilen missbräuchlich verwendet, indem er zu Lasten der Vollmachtgeber ohne deren Ermächtigung und entgegen ihrem Auftrag hinsichtlich der kaufgegenständlichen Liegenschaftsanteile der Käuferin eine Gewährleistungszusage dahingehend machte, dass der Kaufgegenstand über eine aufrechte Bau und Benützungsbewilligung verfüge.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Niederösterreich vom , D 28/10, wurde Dr. ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung sowie der Verletzung von Ehre und Ansehen des Standes schuldig erkannt, weil er eine ihm von Mag. (FH) Sabine H***** und Mag. (FH) DI Klaus H***** erteilte, mit datierte Spezialvollmacht zur Abwicklung des Verkaufs von den genannten gehörigen Liegenschaftsanteilen missbräuchlich verwendete, indem er zu Lasten der Vollmachtgeber ohne deren Ermächtigung und entgegen ihrem Auftrag hinsichtlich der kaufgegenständlichen Liegenschaftsanteile der Käuferin eine Gewährleistungszusage dahingehend machte, dass der Kaufgegenstand über eine aufrechte Bau und Benützungsbewilligung verfüge.

Über den Disziplinarbeschuldigten wurde eine Geldbuße in Höhe von 1.000 Euro verhängt; er wurde weiters verpflichtet, die Verfahrenskosten zu ersetzen.

Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten kommt Berechtigung zu.

Der Vertrag zwischen dem Rechtsanwalt und seinem Mandanten ist ein Bevollmächtigungsvertrag. Als Beauftragter hat der Rechtsanwalt dabei nach § 1009 ABGB sowie § 9 Abs 1 RAO die Interessen seines Mandanten zu wahren ( Feil/Wennig , AnwR 8 § 9 RAO Rz 1 mwN).

§ 9 Abs 1 zweiter Satz RAO umschreibt die Grenzen der anwaltlichen Tätigkeit: der Anwalt darf selbst zur Wahrung der Interessen seines Klienten weder seinen Auftrag überschreiten, noch sich über sein Gewissen hinwegsetzen oder gegen bestehende Gesetze verstoßen (vgl Scheuber in Csoklich/Scheuber , Standesrecht der Rechtsanwälte², 61; König , Standespflichten für ein faires Verfahren im Spiegel der Disziplinarrechtsprechung, AnwBl 1992, 6).

Wer einem anderen eine Sache gegen Entgelt überlässt, haftet nach § 922 Abs 1 ABGB dafür, dass die Sache die bedungenen oder gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften hat und … der getroffenen Verabredung gemäß verwendet werden kann. Die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften bestimmen sich nach der Verkehrsauffassung und gelten außer bei ausdrücklichem Gewährleistungs-ausschluss als stillschweigend vereinbart ( P. Bydlinski in KBB 4 § 922 ABGB Rz 9; Ofner in Schwimann/Kodek ABGB 4 IV § 923 Rz 1).

Bei Wohngebäuden gilt ohne besondere Abrede als vorausgesetzt, dass diese über eine gültige Baubewilligung verfügen, ansonsten läge ein Rechtsmangel vor ( P. Bydlinski in KBB 4 § 922 ABGB Rz 3 mwN). Gleiches muss auch für eine Benützungsbewilligung gelten, weil sonst die widmungsgemäße Verwendung nicht gewährleistet wäre.

Der mit den Verkäufern ausgearbeitete Vertragsentwurf enthielt zur Gewährleistung eine Klausel, wonach „die Verkäufer keine Haftung für eine bestimmte Beschaffenheit, ein besonderes Erträgnis oder ein bestimmtes Ausmaß des Kaufobjekts und des Zubehörs“ übernehmen. Diese im Auftrag an den Disziplinarbeschuldigten zur Vertragserrichtung angestrebte Gewährleistungsfreistellung bezog sich somit auf die am Kaufobjekt aufgetretenen Baumängel, also Sachmängel, für die Mag. (FH) Sabine H***** und Mag. (FH) DI Klaus H***** bei der in der Form eines Weiterverkaufs der bemängelten Eigentumswohnung an einen Dritten nicht haften wollten.

Die inkriminierte von Dr. ***** im Kaufvertrag hinzugefügte Gewährleistungszusage, wonach der Kaufgegenstand über eine aufrechte Bau und Benützungsbewilligung verfüge, betraf hingegen die Gewährleistung für allfällige Rechtsmängel, die vom ursprünglich im Entwurf formulierten Haftungsausschluss nicht umfasst waren. Diese Gewährleistung war zwar mit der Mandatschaft des Disziplinarbeschuldigten nicht besprochen; sie wäre dessen ungeachtet aber im Streitfall wie aufgezeigt als selbst im Fall einer fehlenden Erwähnung im Kaufvertrag als stillschweigend vereinbart zu werten gewesen, weil sich die von Mag. (FH) Sabine H***** und Mag. (FH) DI Klaus H***** angestrebte Gewährleistungsfreistellung gerade nicht auf diesen Gewährleistungsfall bezog.

Der Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) zuwider verstößt das festgestellte Verhalten des Disziplinarbeschuldigten gegen die Bestimmung des § 9 RAO. Dies unabhängig davon, ob ein konkreter Schaden oder nach dem Vorbringen des Berufungswerbers dem Mandanten sogar ein Vorteil entstand. Doch fallbezogen reduziert sich das dem Disziplinarbeschuldigten vorwerfbare Fehlverhalten auf die mangelende Rückfrage bei seinen Klienten, an deren Verpflichtung sich aber dessen ungeachtet nichts geändert hätte.

Bei der dargestellten konkreten Ausgangslage liegt ein bloß geringes Verschulden des Disziplinarbeschuldigten vor. Zudem sind angesichts der vorgegebenen Gewährleistung für vom ausbedungenen Haftungsausschluss für Sachmängel nicht betroffener Rechtsmängel die Folgen dieses Verstoßes als unbedeutend einzustufen, sodass die Voraussetzungen des § 3 DSt vorliegen.

Der Berufung war somit ohne Eingehen auf das sonstige Rechtsmittelvorbringen Folge zu geben und Dr. ***** freizusprechen.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2015:0280OS00012.14W.0226.000