OGH vom 25.11.2015, 8ObA82/15i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner und den Hofrat Mag. Ziegelbauer als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johanna Biereder und Mag. Matthias Schachner in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. J***** T 2. I***** L*****, beide vertreten durch Mag. German Storch und Mag. Rainer Storch, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei K***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Ulrich Berger, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen (Revisionsinteresse) 1. 14.506,99 EUR brutto sA, 2. 14.334,20 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 44/15z 21, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 2 ASGG,§ 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.
Auch wenn das Höchstgericht zu einer bestimmten Fallgestaltung noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, bedarf es dann keiner Sachentscheidung des Obersten Gerichtshofs, wenn die aufgeworfene Rechtsfrage bereits nach dem Wortlaut der anzuwendenden Norm so eindeutig gelöst ist, dass nur die in der angefochtenen Entscheidung erstmals vorgenommene - im Schrifttum nicht in Zweifel gezogene - Auslegung ernsthaft in Betracht zu ziehen ist. Dies gilt auch für Kollektivverträge (RIS Justiz RS0042656 [T8; T 15; T 24; T 32]). Die Revision ist auch dann nicht zulässig, wenn ein Streitfall trotz neuer Sachverhaltselemente bereits mit Hilfe vorhandener Leitlinien höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst werden kann (RIS Justiz RS0042656 [T48]). Diese Voraussetzungen treffen hier zu.
Im Revisionsverfahren ist nur mehr strittig, ob die Kläger, die beide über eine abgeschlossene Berufsausübung als Fleischer verfügen und in einem fleischverarbeitenden Betrieb beim Zerteilen von Schweinen eingesetzt waren, nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung (KVAÜ) in die Beschäftigungsgruppe C oder D einzustufen waren.
Nach Punkt IX. Z 1 KVAÜ darf während der Dauer einer Überlassung und in überlassungsfreien Zeiten der Stundenlohn keinesfalls geringer sein als der nach der Beschäftigungsgruppeneinteilung zu zahlende Mindestlohn. Gemäß Punkt IX. 2. KVAÜ sind Arbeitnehmer mit abgeschlossener Berufsausbildung (Lehrabschlussprüfung) in eine der Facharbeiter-Beschäftigungsgruppen (D Facharbeiter oder E Qualifizierter Facharbeiter) einzustufen, es sei denn, dass sie tatsächlich ausschließlich außerhalb des erlernten Lehrberufs und auch außerhalb technologisch verwandter bzw technologisch ähnlicher Berufe eingesetzt werden.
Das Berufungsgericht hat Punkt IX. KVAÜ nach seinem klaren Wortlaut und im Einklang mit der bestehenden höchstgerichtlichen Rechtsprechung (RIS Justiz RS0123952) dahin ausgelegt, dass die Einstufung nach dem KVAÜ an die formale Qualifikation des Arbeitnehmers anknüpft und es ausreicht, wenn die ausgeübte Tätigkeit zumindest einen geringfügigen Bezug zum erlernten Beruf hat.
Soweit die Revision der Einstufung der Kläger als Facharbeiter mit dem Argument entgegentreten möchte, dass sie im Beschäftigerbetrieb nur wenige Arbeitsschritte nach gleichbleibendem Schema verrichtet hätten, die keine Fachausbildung erfordert hätten, findet eine solche Einschränkung im Wortlaut des KVAÜ keine Deckung (vgl 9 ObA 97/12y).
Bei Beantwortung der Frage, ob der Anspruch des Facharbeiters auf richtige Entlohnung nach dem KVAÜ davon abhängt, dass er dem Dienstgeber seine Berufsqualifikation von sich aus im Vorhinein bekanntgegeben oder nachgewiesen hat, obwohl der KVAÜ eine solche Voraussetzung nicht vorsieht, konnte sich das Berufungsgericht ebenfalls auf höchstgerichtliche Rechtsprechung (RIS Justiz RS0027898 = 14 Ob 17/86) stützen.
Seit dem Inkrafttreten des § 2 Abs 1 AVRAG wird diese Auffassung auch durch den Gesetzeswortlaut gestützt. Die Einstufung des Arbeitnehmers nach einem kollektivvertraglichen Entlohnungsschema ist Sache des Arbeitgebers, der (unter anderem) darüber gemäß § 2 Abs 1 Z 7 AVRAG dem Arbeitnehmer unverzüglich nach Beginn des Arbeitsverhältnisses eine schriftliche Aufzeichnung auszuhändigen hat. Dieser Verpflichtung kann der Arbeitgeber in der Regel nur dann ordnungsgemäß nachkommen, wenn er die zur richtigen Einstufung notwendigen Informationen beim Vorstellungsgespräch nachfragt.
Weshalb ihm ausgerechnet die Frage nach einer einschlägigen Berufsausbildung des Arbeitnehmers unzumutbar wäre, vermag die Revisionswerberin nicht zu begründen. Die Frage, ob die Beklagte die Kläger zur Vorlage ihrer Zeugnisse auffordern hätte müssen, stellt sich beim vorliegenden Sachverhalt gar nicht.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2015:008OBA00082.15I.1125.000