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OGH vom 17.12.2019, 9ObA65/19b

OGH vom 17.12.2019, 9ObA65/19b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisions- und Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Krachler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. D***** W*****, vertreten durch Dr. Martin Riedl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, 1082 Wien, Rathausstraße 4, vertreten durch Dr. Gustav Teicht, Dr. Gerhard Jöchl Rechtsanwälte Kommandit-Partnerschaft in Wien, wegen 47.646,23 EUR brutto sA und Feststellung (11.000 EUR), über die Revisionen und Rekurse der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 42.409,37 EUR; Rekursinteresse: 5.000 EUR) und der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 5.236,86 EUR; Rekursinteresse: 6.000 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 10 Ra 57/15y-17, mit dem das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom , GZ 33 Cga 97/14x-11, teilweise bestätigt, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das unter der AZ 9 ObA 2/16h unterbrochene Rechtsmittelverfahren wird fortgesetzt.

II. Der Oberste Gerichtshof stellt gemäß Art 89 Abs 2 B-VG (Art 140 Abs 1 Z 1 lit a B-VG) an den Verfassungsgerichtshof den

A n t r a g,

in § 14 Abs 2 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34, die Wortfolge „bis zu einem höchstens zu berücksichtigenden Ausmaß von drei Jahren zur Hälfte“ und/oder

§ 14 Abs 3 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34, die Wortfolge „bis zum Ausmaß von fünf Jahren“ und den zweiten Satz,

in eventu

§ 14 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34 und § 18 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF LGBl Wien 2011/10,

in eventu

in § 18 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF LGBl Wien 2011/10, die Paragraphenzahl „14,“,

in eventu

§ 17 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, und/oder

§§ 49l, 49m und 49n BO 1994, LGBl Wien 1995/55 idF der Dienstrechts-Novelle 2016, LGBl Wien 2016/37, und/oder

§ 14 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34, und/oder

§ 18 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF LGBl Wien 2011/10

als verfassungswidrig aufzuheben,

in eventu gemäß Art 89 Abs 3 B-VG (Art 140 Abs 4 B-VG) auszusprechen, dass diese Bestimmungen verfassungswidrig waren.

III. Mit der Fortführung des Revisions und des Rekursverfahrens wird gemäß § 62 Abs 3 VfGG bis zur Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs innegehalten.

Text

Begründung:

Sachverhalt:

Die am ***** 4. 1961 geborene Klägerin steht seit als Vertragsbedienstete nach dem Gesetz über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (Vertragsbedienstetenordnung 1995 – VBO 1995) in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Beklagten. Sie absolvierte ein Bundesrealgymnasium und maturierte am .

Bei der Berechnung ihres Vorrückungsstichtags wurden ihr Vordienstzeiten im Ausmaß von 18 Jahren, 6 Monaten und 20 Tagen für die Vorrückung angerechnet, sodass ihr Vorrückungsstichtag mit errechnet und im Dienstvertrag festgehalten wurde. Demgemäß wurde die Klägerin bei Dienstantritt in das Gehaltsschema IV KAV, Verwendungsgruppe A3, Gehaltsstufe 10, mit nächster Vorrückung am , eingestuft. Aufgrund ihrer Ernennung zur Oberärztin rückte die Klägerin im Juli 2012 in die 11. Gehaltsstufe und im August 2012 in die 12. Gehaltsstufe vor. Die Zeiten der Schulausbildung vor Vollendung des 18. Lebensjahres und die Zeiten der (einschlägigen) Tätigkeit in der Privatwirtschaft wurden der Klägerin nicht angerechnet, Zeiten der Schulausbildung nach der Vollendung des 18. Lebensjahres und die Zeiten der (einschlägigen) Tätigkeit für eine Gebietskörperschaft hingegen schon. Einen Antrag auf Neufestsetzung des Vorrückungsstichtags stellte die Klägerin nicht.

Bisheriger Verfahrensgang:

Die Klägerin begehrt mit ihrem Leistungsbegehren (Punkt 1) 47.646,23 EUR brutto sA an Gehaltsdifferenzen für den Zeitraum bis . Ihre Feststellungsbegehren beinhalten die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, zum einen der Klägerin auch weiterhin Bezüge in jener Höhe zu bezahlen, die sich daraus ergeben, dass im Rahmen des Vertragsbedienstetenverhältnisses alle Vordienstzeiten bestehend aus Zeiten des Schulbesuchs, des Studiums und der Dienstverhältnisse nicht nur zu Gebietskörperschaften, sondern auch in der Privatwirtschaft ab voll angerechnet werden, dies dem obigen Leistungsbegehren entsprechend, und dass daran anknüpfend eine Vorrückung in die Gehaltsstufe 2 nach zwei Jahren in der Gehaltsstufe 1 zugrunde gelegt wird (Punkt 2) und zum anderen das Ausmaß des Erholungsurlaubs dem Punkt 2 entsprechend anzupassen (Punkt 3). Ihre Begehren begründete sie damit, dass im Verhältnis zu Tätigkeiten bei Gebietskörperschaften gleichartige Tätigkeiten anzurechnen seien, weil diese gleichermaßen der Berufsvorbereitung dienten; ein Ausschluss der Anrechnung würde der Freizügigkeit widersprechen. Die Nicht-Anrechnung von Vordienstzeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres sei altersdiskriminierend.

Die Beklagte bestritt die Klagebegehren unter Hinweis auf die Unionsrechtskonformität der angewandten Bestimmungen. Im Übrigen sei zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung die neue, durch das LGBl Wien 2015/28 geänderte, Rechtslage anzuwenden, derzufolge alle vor dem eingetretenen Bediensteten der Beklagten mit diesem Zeitpunkt in das neue Besoldungssystem übergeleitet worden seien. Die Bestimmungen über die Vordienstzeitenanrechnung in der Fassung vor dieser Novelle seien daher nicht mehr anzuwenden.

Das Erstgericht gab den Klagebegehren – nach Schluss der mündlichen Verhandlung am – vollinhaltlich statt. Es beurteilte den Ausschluss der Anrechnung von Zeiten vor Vollendung des 18. Lebensjahres im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Hütter als altersdiskriminierend. Die Novelle LGBl Wien 2011/10 enthalte zwar eine Neuregelung, begründe aber weiterhin eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung aufgrund des Alters und sei daher ebenfalls nicht anzuwenden. Im Anschluss an die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache SALK liege in der unterschiedlichen Anrechnung von Dienstzeiten bei einer Gebietskörperschaft und anderen Dienstzeiten eine Ungleichbehandlung, die auch zur Anrechnung dieser anderen Dienstzeiten führe.

Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung teilweise Folge, bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts in Bezug auf das Zahlungsbegehren im Ausmaß von 5.236,86 EUR brutto sA und wies die Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 42.409,37 EUR brutto sA sowie auf Feststellung der Haftung der Beklagten für die Bezüge unter Berücksichtigung sämtlicher Vordienstzeiten der Klägerin, soweit es sich auf den Zeitraum ab bezieht, ab. Im Übrigen, also soweit sich das Feststellungsbegehren auf die Haftung der Beklagten für den Zeitraum bis und auf die Anpassung des Urlaubsanspruchs der Klägerin bezieht, hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache insoweit zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück. Auch das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, dass die bis zur Wiener Dienstrechtsnovelle 2015 (LGBl Wien 2015/28) geltende Rechtslage alters-diskriminierend gewesen sei. Diese Neuregelung folge allerdings dem Beispiel des Bundes und sei am Vorbild des deutschen Modells ausgerichtet, das der EuGH im Ergebnis als unionsrechtskonform beurteilt habe. Mangels Anordnung einer Rückwirkung dieser Novelle seien der Klägerin daher bis zum Inkrafttreten derselben jene Vorteile zu gewähren, die sie bei diskriminierungsfreier Rechtslage im Hinblick auf die Berücksichtigung von Schulzeiten vor der Vollendung des 18. Lebensjahres erlangt hätte. Daher seien die Schulzeiten der Klägerin ab Erfüllung der Schulpflicht bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres – bis – anzurechnen gewesen, also zusätzlich zwei Jahre, neun Monate und sechs Tage. Da nach Inkrafttreten der Neuregelung kein Anspruch auf Entlohnungsdifferenzen mehr bestehe, sei das sich auf Zeiträume danach beziehende Zahlungsbegehren abzuweisen. Mit diesem Tag sei auch das rechtliche Interesse der Klägerin an der Feststellung einer Verpflichtung zur Leistung von Differenzansprüchen weggefallen. Die Berücksichtigung von Studienzeiten im höheren Ausmaß als dies von der Beklagten bereits geschehen sei, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Das Feststellungsbegehren beziehe sich pauschal auf „alle Zeiten“ (ua) des Studiums, sodass es nicht erkennen lasse, für welchen Zeitraum die Klägerin über das von der Beklagten berücksichtigte Ausmaß hinaus die Anrechnung von Studienzeiten begehre, sodass eine Konkretisierung erforderlich sei. Eine Benachteiligung von Wanderarbeitnehmern – und dadurch eine Beschränkung der Freizügigkeit – liege nicht vor, weil Dienstzeiten von EWR-Bürgern in einem anderen Land des EWR gleichermaßen wie Dienstzeiten bei inländischen Gebietskörperschaften angerechnet würden. Eine Inländerdiskriminierung liege nicht vor, weil die Klägerin nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs aus der unterschiedlichen Berücksichtigung von Dienstzeiten bei einer Gebietskörperschaft und bei privaten Dienstgebern keine Ansprüche ableiten könne.

Das Berufungsgericht ließ sowohl die Revision als auch den Rekurs gegen die Berufungsentscheidung zu, weil Rechtsprechung zur Unionsrechtskonformität, zur Rechtswegzulässigkeit und zum Inkrafttreten der Novelle LGBl Wien 2015/28 nicht vorliege.

Mit ihrer gegen den klagsabweisenden Teil der Berufungsentscheidung gerichteten Revision und ihrem gegen den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung gerichteten Rekurs strebt die Klägerin die vollinhaltliche Klagsstattgabe an. Die Beklagte ficht mit ihrer Revision den klagsstattgebenden Teil der Berufungsentscheidung und mit ihrem Rekurs den aufhebenden Teil der Berufungsentscheidung an und begehrt dessen Abänderung im Sinne einer gänzlichen Klagsabweisung.

Beide Parteien haben jeweils Rechtsmittelbeantwortungen zu den Rechtsmitteln des Gegners erstattet. Die Klägerin beantragt darin der Revision und dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben, die Beklagte beantragt die Revision und den Rekurs der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise diesen Rechtsmitteln keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittel der Parteien sind zulässig.

I. Das Rechtsmittelverfahren wurde mit Beschluss vom , AZ 9 ObA 2/16h, bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über den vom Obersten Gerichtshof in einem anderen Verfahren am zu AZ 9 ObA 141/15y gestellten Antrag auf Vorabentscheidung nach Art 267 AEUV unterbrochen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat mit Urteil vom , C24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund,über diesen Antrag entschieden. Das vorlegende Revisions und Rekursverfahren war daher von Amts wegen fortzusetzen.

Die folgenden Ausführungen nehmen ausschließlich auf die – für den gegenständlichen Beschluss relevante – Frage der Anrechnung von Vordienstzeiten der Klägerin in der Privatwirtschaft Bezug:

II.1. In der Rechtssache Österreichischer Gewerkschaftsbund erkannte der EuGH unter anderem wie folgt:

„3. Art. 45 AEUV und Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach für die Bestimmung des Besoldungsdienstalters eines Vertragsbediensteten die Vordienstzeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft, zu einer Einrichtung der Europäischen Union, zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört, oder zu ähnlichen Stellen zurückgelegt wurden, zur Gänze angerechnet werden, während alle anderen Vordienstzeiten nur im Ausmaß von bis zu zehn Jahren angerechnet werden und nur sofern sie einschlägig sind.“

2. Gesetzliche Grundlagen:

2.1. Bereits seit der Urfassung LGBl Wien 1995/50, und damit auch in den im klagsgegenständlichen Zeitraum (Februar 2011 bis November 2014) anwendbaren Fassungen LGBl Wien 2011/10 und 2014/13 bestimmt § 17 Abs 1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (Vertragsbedienstetenordnung 1995 – VBO 1995), dass – von hier nicht relevanten Ausnahmen abgesehen – die Besoldungsordnung 1994 für Vertragsbedienstete sinngemäß mit bestimmten Maßgaben gilt, sofern in diesem Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

Ebenfalls seit der Urfassung LGBl Wien 1995/50 gelten gemäß § 18 VBO 1995 für die Anrechnung von Zeiten für die Vorrückung von Vertragsbediensteten ua die § 14 und 15 der Dienstordnung 1994, LGBl Wien 1994/56 (mit bestimmten Maßgaben).

2.2. § 14 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 – DO 1994), LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34 (§ 14 Abs 2 und 3 DO 1994 seit LGBl Wien 2001/22), lautet auszugsweise wie folgt:

„Anrechnung von Zeiten für die Vorrückung und Zeitvorrückung

(1) Folgende, dem Tag der Anstellung vorangegangene Zeiten sind dem Beamten für die Vorrückung und Zeitvorrückung zur Gänze anzurechnen:

1. die Zeit, die entweder in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder zu einem inländischen Gemeindeverband oder im Lehrberuf an einer inländischen öffentlichen Schule oder an einer mit Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten inländischen Privatschule zurückgelegt wurde;

[…]

11. die Zeit eines Dienstverhältnisses oder Lehrverhältnisses, eines Dienstes, eines Praktikums oder einer abgeschlossenen Ausbildung, die den in Z 1 bis 10 genannten Dienstverhältnissen oder Lehrverhältnissen, Diensten, Praktika oder Ausbildungen entsprechen und von einem Staatsangehörigen eines in § 3 Abs 1 Z 2 genannten Landes in einem anderen solchen Land absolviert worden sind; die Obergrenzen der Z 5 bis 8 sind zu beachten.

(2) Die dem Tag der Anstellung vorangegangenen Zeiten, die nicht nach Abs 1 anzurechnen sind, sind

dem Beamten für die Vorrückung bis zu einem höchstens zu berücksichtigenden Ausmaß von drei Jahren zur Hälfte anzurechnen.

(3) Zeiten gemäß Abs 2, in denen der Beamte eine Tätigkeit ausgeübt oder ein Studium betrieben hat, können im öffentlichen Interesse bis zum Ausmaß von fünf Jahren insoweit zur Gänze für die Vorrückung angerechnet werden, als die Tätigkeit oder das Studium für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung ist. Eine über das Ausmaß von fünf Jahren hinausgehende Anrechnung ist mit Zustimmung der gemeinderätlichen Personalkommission möglich.“

2.3. Durch die Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, die in ihren hier wesentlichen Teilen am in Kraft trat (Art X Z 3), wurde eine gänzliche Neuregelung der Vordienstzeitenanrechnung vorgenommen. Die Regelung folgt dem Beispiel des Bundes (BGBl I 2015/32, [Bundes-]Besoldungsreform 2015). Das Kernstück der Neuregelung besteht darin, dass gemäß den § 49l bis 49n BO 1994 nach dem Vorbild der § 169c und 169d GehG die Bediensteten aller Verwendungsgruppen, in denen bislang der Vorrückungsstichtag für die Einstufung und Vorrückung maßgeblich war, von Gesetzes wegen alleine auf Grundlage ihrer bisherigen Gehälter durch eine pauschale Festsetzung seines Besoldungsdienstaltersin das neue Besoldungssystem übergeleitet werden (EB Beilage 20/2015, LG – 02036-2015/0001, Seiten 2, 10). Ein rückwirkendes In-Kraft-Treten ist nicht angeordnet. Gleichzeitig ist vorgesehen, dass jene Bestimmungen, die sich auf den Vorrückungsstichtag beziehen, jeweils in der vor In-Kraft-Treten der Novelle geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen in laufenden und in künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden sind. Dies gilt (unter anderem) für § 14 DO (§ 62j Abs 1 VBO, § 115o Abs 1 DO, jeweils idF LGBl Wien 28/2015) und für § 11 BO (§ 49n Abs 4 BO idF LGBl Wien 28/2015); § 1151 DO wurde aufgehoben.

§ 62j Abs 1 VBO 1995 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, lautet:

„Übergangsbestimmungen zur 46. Novelle zur Vertragsbedienstetenordnung 1995

(1) § 18 und 56 Abs 3 in der vor dem Inkraftftreten der 46. Novelle zur Vertrags-bedienstetenordnung 1995 geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen sowie § 14 und 115f der Dienstordnung 1994 in der vor dem Inkrafttreten der 38. Novelle zur Dienstordnung 1994 geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen sind in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden. […]“

§ 14 DO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, lautet:

„§ 14. ('Besoldungsdienstalter')

(1) […]

(2) Folgende, dem Tag der Anstellung vorangegangene Zeiten (Vordienstzeiten) sind auf das Besoldungsdienstalter anzurechnen:

1. die Zeit, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft […] zurückgelegt wurde;

[…]

(3) Über die in Abs 2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. […]“

§ 115o Abs 1 DO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, lautet:

„§ 14 ist in der vor dem Inkrafttreten der 38. Novelle zur Dienstordnung 1994 geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen in laufenden und in künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden. Die durch die 38. Novelle zur Dienstordnung 1994 entfallenen § 115f und 115l sind in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.“

§ 49n Abs 4 BO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, lautet:

„(4) § 11 und 18 sind in der vor dem Inkrafttreten der 49. Novelle zur Besoldungsordnung 1994 geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen in laufenden und in künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden. Der durch die 49. Novelle zur Besoldungsordnung 1994 entfallene § 49g ist in laufenden und künftigen Verfahren nicht mehr anzuwenden.“

2.4. Wie bereits erwähnt, wurden im Rahmen der Dienstrechts-Novelle 2015 bestehende Ansprüche insofern einer eigenen Regelung zugeführt, als für die Bemessung von solchen („alten“) Bezügen im Rahmen bestehender Dienstverhältnisse eine generelle Überleitung vom damals geltenden System des Vorrückungsstichtags zu jenem des neuen Besoldungsdienstalters zu erfolgen hat, sodass für sämtliche Bedienstete ein einheitliches System geschaffen wurde, in dem eine Vergleichbarkeit ungeachtet des Anstellungszeitpunkts besteht. Diese Vergleichbarkeit wurde durch § 49l Abs 6a und 6b BO 1994 idF Dienstrechts-Novelle 2016, LGBl Wien 2016/37 iVm § 17 VBO 1995
– gemäß Art VII Z 2 rückwirkend mit – auch für Zeiten vor dem hergestellt.

§ 49l BO 1994Abs 6a und 6b idF LGBl Wien 2016/37lauten:

„(6a) Das nach den Abs 3 bis 6 und 12 festgesetzte Besoldungsdienstalter ist auch der Bemessung der Bezüge für Zeiten vor dem zugrunde zu legen. Eine Neubemessung der gebührenden Bezüge und Nebengebühren hat für Zeiten vor dem ausschließlich auf Antrag des Beamten zu erfolgen. Alle vor dem Inkrafttreten der Dienstrechts-Novelle 2015 () geltenden Bestimmungen über die Beträge für Bezüge und Vergütungen und die weiteren dienst- und besoldungsrechtlichen Bestimmungen sind dabei in der jeweils geltenden Fassung unverändert anzuwenden, soweit ihre Anwendung nicht durch diese Novelle ausgeschlossen wurde. § 11 Abs 1 bis 3 ist daher ausschließlich in der Fassung der Dienstrechts-Novelle 2015 anzuwenden, für die Einstufung und Vorrückung ist somit auch für Zeiten vor dem ausschließlich das nach den Abs 3 bis 6 und 12 festgesetzte Besoldungsdienstalter maßgebend.

(6b) Bei der Neubemessung von Bezügen und Nebengebühren für Zeiten vor dem ist das nach den Abs 3 bis 6 und 12 festgesetzte Besoldungsdienstalter jeweils entsprechend um die Dauer der vor dem liegenden für die Vorrückung wirksam gewordenen Zeiten zu vermindern. Zusätzlich ist zur Wahrung der bereits empfangenen Bezüge und Nebengebühren von einem nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verbesserten Besoldungsdienstalter auszugehen:

1. um acht Jahre verbessert: in den Verwendungsgruppen A, ...;

2. um vier Jahre verbessert: in den Verwendungsgruppen K 1, ...;

3. um zwei Jahre verbessert: in allen anderen Verwendungsgruppen.

Diese Verbesserung des Besoldungsdienstalters ist ausschließlich für die besoldungsrechtliche Stellung vor dem maßgebend und hat keine Auswirkungen auf die bereits erfolgte Überleitung und die ab dem gebührenden Bezüge.“

3. Zur Präjudizialität der angefochtenen Bestimmungen:

3.1. Gesetze wirken nach § 5 ABGB im Allgemeinen auf abgeschlossene Sachverhalte oder auf vergangene Zeitabschnitte bei Dauerrechtsverhältnissen nicht zurück (8 ObA 70/15z Pkt 2.1; 9 ObA 8/16s). Sofern es sich aber um Dauertatbestände handelt, ist der in den Zeitraum der Herrschaft der neuen Rechtsnorm herüberreichende Abschnitt des Dauertatbestands nach den Vorschriften des neuen Gesetzes zu beurteilen, falls nicht Übergangsbestimmungen etwas anderes anordnen (RS0008747; RS0008715 [T7, T 19]). Vor allem bei einem Dauerrechtsverhältnis, das vor dem Beginn seines zeitlichen Geltungsbereichs begonnen hat und während seines zeitlichen Geltungsbereichs andauert, ist das neue Gesetz hinsichtlich jener Zeitabschnitte anzuwenden, die auf den Zeitraum nach dem Beginn des zeitlichen Geltungsbereichs entfallen (9 ObA 8/16s). Die Rückwirkung eines Gesetzes bezieht sich nur auf jene Tatbestände, für die die Rückwirkung ausdrücklich ausgesprochen wird (RS0008694), sodass Rechtsänderungen auf abschließend verwirklichte Sachverhalte nicht zurückwirken, sofern der Gesetzgeber nicht ausdrücklich Gegenteiliges anordnet (RS0008694 [T8]) oder der besondere Charakter einer zwingenden Norm nicht deren rückwirkende Anordnung verlangt (RS0008694 [T4]).

Die hier strittigen Monatsbezüge der Klägerin gründen auf solchen abschließend verwirklichten Sachverhalten, weil die jeweilige Leistung der Klägerin, für die der jeweilige Monatsbezug gebührt, bereits erbracht wurde. Nach den dargestellten Grundsätzen ist daher die im klagsgegenständlichen Zeitraum jeweils anwendbare Rechtslage für die Bemessung des einzelnen Monatsbezugs heranzuziehen.

3.2. Die nach November 2014 ergangenen Gesetzesnovellen ändern daran nichts:

3.2.1. Sowohl die Dienstrechts-Novelle 2015 als auch die Dienstrechts-Novelle 2016 legen als Datum für das Inkrafttreten ausdrücklich den fest und sprechen keine (hinsichtlich der Dienstrechts-Novelle 2016: über dieses Datum hinausgehende) Rückwirkung aus.

3.2.2. Die Anordnung des § 62j Abs 1 VBO 1995 idF der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl Wien 2015/28, dass die § 18 VBO 1995 und § 14 DO 1994 in ihrer vorher geltenden Fassung sowie in allen früheren Fassungen „in laufenden und künftigen Verfahren“ nicht mehr anzuwenden sind, trat ebenfalls erst am (und nicht rückwirkend) in Kraft. Die Dienstrechts-Novelle 2015 hatte überdies das erklärte Ziel eine mit dem Unionsrecht konforme Rechtslage zu schaffen (Erläuterungen zur Dienstrechts-Novelle 2015 Beilage Nr 20/2015, LG – 02036-2015/0001, 1 f), sodass sie einer Durchsetzung bestehender Ansprüche gerade nicht entgegensteht. Die Unanwendbarkeit des „Altrechts“ in laufenden und künftigen Verfahren muss daher nicht zwingend für Verfahren gelten, in denen es – wie im gegenständlichen Verfahren – um vor dem entstandene Ansprüche in einem bestehenden Dienstverhältnis und nicht um die Festsetzung eines Besoldungsdienstalters für den Zeitraum nach dem Inkrafttreten der neuen Rechtslage geht.

3.2.3. Solche Ansprüche wurden im Rahmen der Dienstrechts-Novelle 2015 auch einer eigenen Regelung zugeführt. Für die Bemessung von solchen („alten“) Bezügen im Rahmen bestehender Dienstverhältnisse hat vielmehr eine generelle Überleitung vom damals geltenden System des Vorrückungsstichtags zu jenem des neuen Besoldungsdienstalters zu erfolgen, sodass für sämtliche Bedienstete ein einheitliches System geschaffen wurde, in dem eine Vergleichbarkeit ungeachtet des Anstellungszeitpunkts besteht. Diese Vergleichbarkeit wird durch § 49l Abs 6a BO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2016 iVm § 17 VBO 1995 auch für Zeiten vor dem hergestellt. Die Einstufung der nach diesen Bestimmungen überzuleitenden Klägerin hat auch danach auf Basis des Gehalts zu erfolgen, das bei der Bemessung ihres Monatsbezugs für den Juli 2015 „zugrunde gelegt wurde“ (§ 49l Abs 2 S 3 BO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015). Eine Auslegung dahingehend, dass damit eine Überprüfung von vor den Dienstrechts-Novellen 2015 und 2016 ausgezahlten Beträgen schlichtweg ausgeschlossen ist, würde der offensichtlichen Zielsetzung der Dienstrechts-Novellen widersprechen und ist auch aus Gründen einer verfassungskonformen (und unionsrechtskonformen) Rechtsauslegung zu vermeiden. Einem auf die Einhaltung der Grundrechte bedachten Gesetzgeber kann nicht ohne weiteres unterstellt werden, in Ansprüche allenfalls auch zum Nachteil der Anspruchsinhaber einzugreifen und sogar eine dahingehende Überprüfung durch den Anspruchsinhaber zu verhindern. In verfassungskonformer Interpretation des § 49l Abs 2 Satz 3 BO 1994 idF der Dienstrechts-Novelle 2015 sind Bedienstete daher nicht gehindert, eine Überprüfung des der Überleitung zugrunde zu legenden „bisherigen Gehalts“ herbeizuführen. Das sich daraus ergebende Gehalt ist dann jenes, das bei der Bemessung des maßgeblichen Monatsbezugs für Juli 2015 „zugrunde gelegt wurde“, sodass der bei einer allfälligen korrigierenden Neubemessung des Gehalts im Altsystem rechtens zugrunde zu legende letzte Vorrückungstermin auch der Bestimmung des Besoldungsdienstalters zugrunde zu legen ist (vgl [Rz 108 ff] zur vergleichbaren Rechtslage der Bundesbeamten; vgl , Leitner,Rn 51 ff).

3.3. Im vorliegenden Verfahren geht es ausschließlich um die Überprüfung von Monatsbezügen, die nach „Altrecht“ zu bemessen waren. Ihre Gebührlichkeit ist daher auf Basis des § 14 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34 iVm § 18 VBO 1995, LGBl Wien 1995/50 idF LGBl Wien 2011/10 zu prüfen, sodass diese Bestimmungen im vorliegenden Verfahren anzuwenden und daher für die Entscheidung präjudiziell sind.

4. Zum Anfechtungsumfang:

4.1. Um das strenge Formerfordernis des ersten Satzes des § 62 Abs 1 VfGG zu erfüllen, muss – wie der Verfassungsgerichtshof bereits in zahlreichen Entscheidungen ausgeführt hat – die bekämpfte Gesetzesstelle genau und eindeutig bezeichnet werden ( Pkt 3.1.; Pkt 4.) Es darf nicht offen bleiben, welche Gesetzesvorschrift oder welcher Teil einer Vorschrift nach Auffassung des Antragstellers tatsächlich aufgehoben werden soll ( Pkt II.1. mwN; Pkt 4.). Dabei sind die Grenzen der Aufhebung so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Normteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden ( Pkt IV. 1.7. mwN). Daraus folgt, dass im Gesetzesprüfungsverfahren der Anfechtungsumfang der in Prüfung gezogenen Norm bei sonstiger Unzulässigkeit des Prüfungsantrags nicht zu eng gewählt werden darf ( G 640–641/2015 Pkt IV. 1.3.).

4.2. Richten sich – wie hier – die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht gegen die Verweisung, sondern gegen die verwiesene Norm, prüft der Verfassungsgerichtshof, ob den Bedenken durch Aufhebung der verweisenden oder der verwiesenen Norm Rechnung zu tragen ist ( Pkt IV. 1.3.2.). Um dem Verfassungsgerichtshof diese Prüfung zu ermöglichen, ist daher nicht nur die verwiesene, sondern auch die verweisende Norm mitanzufechten ( Pkt IV. 1.3.3. mwN). Da sich die Anwendung der genannten Bestimmungen für bestehende Dienstverhältnisse letztlich aufgrund der oben dargestellten Verweisungskette ergibt, werden (im Rahmen der Eventualanträge) alle bezugnehmenden Verweisungsnormen mitangefochten (vgl G 640–641/2015 Pkt IV. 1.3.4.), um dem Verfassungsgerichtshof diese Prüfung zu ermöglichen.

5. Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken:

5.1. Gemäß § 62 Abs 1 VfGG hat der Antrag die gegen die Verfassungsmäßigkeit sprechenden Bedenken im Einzelnen darzulegen. Dieses Erfordernis ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nur dann erfüllt, wenn die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit – in überprüfbarer Art – präzise ausgebreitet werden, dh dem Antrag mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen ist, mit welcher Verfassungsbestimmung die jeweils bekämpfte Gesetzesstelle in Widerspruch stehen soll und welche Gründe für diese Annahme sprechen ( Pkt II. 2.1. mwN).

5.2. Unionsrechtliche Vorfrage

5.2.1. Nach der – oben dargestellten – Rechtsprechung des EuGH ist eine Regelung, wonach bei österreichischen Gebietskörperschaften zurückgelegte Vordienstzeiten zur Gänze angerechnet werden, aber eine Anrechnung von bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten einschlägigen Vordienstzeiten ausgeschlossen ist, geeignet, Wanderarbeitnehmer, die bei anderen Arbeitnehmern eine einschlägige Berufserfahrung erworben haben oder gerade erwerben, davon abzuhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen (, Salzburger Landeskliniken, Rz 28, 35; C-24/17, Österreichischer Gewerkschaftsbund, Rz 82, 92).

5.2.2. Nach den im gegenständlichen Fall anzuwendenden Bestimmungen sind bei einer Gebietskörperschaft zurückgelegte Vordienstzeiten zur Gänze anrechenbar (§ 14 Abs 1 Z 1 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34). Bei anderen Arbeitgebern zurückgelegte Vordienstzeiten werden hingegen nur bis zu einem höchstens zu berücksichtigenden Ausmaß von drei Jahren zur Hälfte angerechnet (§ 14 Abs 2 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34); selbst bei Einschlägigkeit kann in diesem Fall eine Anrechnung zur Gänze nur bis zum Ausmaß von fünf Jahren und auch nur unter der zusätzlichen Voraussetzung der Zustimmung der gemeinderätlichen Personalkommission erfolgen (§ 14 Abs 3 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34). Diese Beschränkungen gelten auch dann, wenn die Arbeitnehmer – wie hier – gleichartige oder identische (und nicht bloß „schlicht nützliche“) Vordienstzeiten aufzuweisen haben. Sie können Wanderarbeitnehmer daher davon abhalten, von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch zu machen. Da dafür auch keine sachliche Rechtfertigung vorliegt, verstoßen sie gegen Art 45 AEUV und Art 7 Abs 1 der Verordnung (EU) Nr 492/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (vgl , Adelheid Krah/Universität Wien).

5.2.3. Aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts sind diese Beschränkungen daher nicht anzuwenden, sodass Wanderarbeitnehmern im Ergebnis gleichartige oder identische Vordienstzeiten jedenfalls zur Gänze anzurechnen sind, unabhängig davon, bei welchen Arbeitgebern diese Vordienstzeiten zurückgelegt wurden.

5.3. Anwendungsbereich des Unionsrechts:

Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts setzt jedoch voraus, dass sich der betroffene Arbeitnehmer auf das Unionsrecht berufen kann. Mangels grenzüberschreitendem Sachverhalts ist der Anwendungsbereich des Unionsrechts dann nicht eröffnet, wenn es um die Anrechnung von in Österreich zurückgelegten Vordienstzeiten inländischer Arbeitnehmer geht (8 ObA 34/17h Pkt 4.2.; 8 ObA 8/17k Pkt 4.; Pkt 17.). Solche Arbeitnehmer – wie die Klägerin – können sich auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts daher nicht berufen.

5.4. Inländerdiskriminierung:

5.4.1. Der Umstand, dass sich ein Inländer nicht unmittelbar auf Art 45 AEUV berufen kann, schließt allerdings nicht aus, dass der allfällige Verstoß einer nationalen Regelung gegen das Primärrecht in diesem Fall als Vorfrage für die nach nationalem (Verfassungs-)Recht zu beurteilende Frage zu prüfen ist, ob ein Inländer durch die weitere Anwendung der nationalen Regelung faktisch schlechter behandelt werden darf als ein EU-Ausländer, der sich auf die Nichtanwendbarkeit berufen kann (4 Ob 145/14y Pkt 4.1. ff; vgl 4 Ob 200/14m Pkt 4.4.).

5.4.2. Im vorliegenden Fall führt der Anwendungsvorrang des Unionsrechts dazu, dass in Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug (Wander-)Arbeitnehmern sämtliche einschlägige Vordienstzeiten zur Gänze und ohne quantitative oder formale Einschränkung angerechnet werden, inländischen Arbeitnehmern werden demgegenüber die genannten Einschränkungen aufgebürdet. Aus diesem Grund scheint § 14 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34 Sachverhalte ohne Unionsbezug im Verhältnis zu jenen mit einem solchen Bezug zu diskriminieren.

5.4.3. Für eine verfassungskonforme Interpretation kann auch § 14 Abs 1 Z 11 DO 1994 idF LGBl Wien 2014/34 nicht ins Treffen geführt werden. Die Beklagte wendete diese Bestimmung selbst nicht an und sie erlaubt nach ihrem Wortlaut lediglich die Anrechnung der Zeit eines Dienstverhältnisses, die den bei Gebietskörperschaften verbrachten Vordienstzeiten entsprechen. Damit könnte eine Anrechnung von bei entsprechenden Arbeitgebern (etwa ausländischen Gebietskörperschaften) zurückgelegten Vordienstzeiten im Ausland in Betracht kommen, nicht aber jene bei privaten Arbeitgebern im Inland.

5.4.4. Nach österreichischem Verfassungsrecht kann der Gesetzgeber zwar zwischen Zeiten, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt wurden, einerseits und sonstigen Zeiten andererseits unterscheiden ( Pkt 3.2., VfSlg 19.110). Davon zu trennen ist allerdings die Frage, ob dies auch dann gilt, wenn bestimmten Arbeitnehmern aufgrund des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts solche sonstigen Zeiten unterschiedslos anzurechnen sind. Eine solche Inländerdiskriminierung wird nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs am Gleichheitssatz gemessen und bedarf daher einer sachlichen Rechtfertigung, und zwar selbst dann, wenn – wie hier – erst der Anwendungsvorrang des Unionsrechts die Differenzierung zwischen Binnen- und Unionssachverhalten erkennen lässt ( Pkt II.2.1 ff, VfSlg 17.150).

5.4.5. Im österreichischen Recht widerspricht es im Regelfall dem Gleichheitsgrundsatz, österreichische Staatsbürger gegenüber Ausländern ohne sachliche Rechtfertigung zu benachteiligen ( und V 92/97 Pkt II.3.c)bb), VfSlg 14.963). Wenn es dabei auch nicht um Diskriminierungen nach dem Kriterium der Staatsbürgerschaft geht, sondern um die Benachteiligung rein innerstaatlicher Sachverhalte gegenüber Sachverhalten mit Unionsbezug, so sind inländische Staatsbürger davon doch meist besonders betroffen ( Pkt II.2.1., VfSlg 17.150). Darüber hinaus werden auch österreichische Staatsbürger untereinander ungleich behandelt, nämlich Wanderarbeitnehmer mit österreichischer Staatsbürgerschaft (die etwa im Ausland Vordienstzeiten erworben haben, die sie nach Unionsrecht angerechnet erhalten) im Vergleich zu sonstigen österreichischen Arbeitnehmern, bei denen kein Auslandsbezug vorliegt.

5.5. Sachliche Rechtfertigung:

Eine sachliche Rechtfertigung für diese Ungleichbehandlung ist nicht zu erkennen. Dies gilt sowohl für die quantitative Begrenzung der Anrechnung als auch für das normierte Zustimmungserfordernis (zu Genehmigungserfordernissen vgl , VfSlg 17.150).

5.6. Aus den dargelegten Gründen hegt der Senat Bedenken gegen die Anwendung der antragsgegenständlichen Bestimmungen wegen Verstoßes gegen Art 7 B-VG und Art 2 StGG, sodass er gemäß Art 89 iVm Art 140 B-VG einen Antrag auf Aufhebung dieses Gesetzes beim Verfassungsgerichtshof zu stellen hat (vgl RS0053977).

6. Anträge:

6.1. Die (engen) Hauptanträge beziehen sich auf die Verfassungswidrigkeit bestimmter Wortfolgen in § 14 Abs 2 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34 und/oder des § 14 Abs 3 DO 1994 LGBl Wien 1994/56 idF LGBl Wien 2014/34. Die weit gefassten Eventualanträge beziehen sich zunächst auf die Anregung des Verfassungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom , GZ 640–641/2015. Da die Verfassungswidrigkeit unabhängig vom Verweis in § 18 VBO 1995 hinsichtlich aller Bedienstetengruppen gleichermaßen besteht und – wegen der Nichtanwendung der dort normierten Einschränkungen im Anwendungsbereich des Unionsrechts – ihre Wurzel letztlich in § 14 DO 1994 hat, kann sie durch die beantragte Aufhebung in der verwiesenen Norm nach Ansicht des Senats zweckmäßig beseitigt werden. Im Fall der Aufhebung der Verweisungsnorm entfiele demgegenüber eine für die Klägerin erforderliche Regelung zur Eruierung des bisherigen Gehalts zur Gänze, was die vom Gesetzgeber beabsichtigte Überleitung sämtlicher Bediensteter verunmöglichen würde. Um dem Verfassungsgerichtshof die oben (Punkt 5.) dargestellte Prüfung zu ermöglichen, werden die entsprechenden Verweisungsnormen angefochten, sodass es dem Verfassungsgerichtshof überlassen wird, welche Variante er– allenfalls auch in Form einer Teilabweisung – wählt.

6.2. Da die angefochtenen Bestimmungen jedenfalls in Anbetracht der Überleitung der Bediensteten (für Bezüge bis und ab dem gleichermaßen) weiterhin bestehen und daher insofern nicht außer Kraft getreten sind, zielt der Antrag auf Aufhebung dieser Bestimmungen ab. Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof eine andere Auffassung vertritt, wird ein Eventualantrag (auf einen Ausspruch gemäß Art 140 Abs 4 B-VG [Art 89 Abs 3 B-VG]) gestellt.

6.3. Da mit einer allfälligen Aufhebung der angefochtenen Bestimmungen durch den Verfassungsgerichtshof, wenn nichts anderes ausgesprochen wird, alte Fassungen wieder in Kraft treten, könnte eine Verfassungswidrigkeit unter Umständen nur dann wirksam beseitigt werden, wenn vorherige Fassungen der angefochtenen Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten. Da diese Beurteilung dem Verfassungsgerichtshof obliegt, wurde darauf in den an ihn gerichteten Antrag nicht näher Bezug genommen.

Mit dem vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag wird sohin die Frage der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen Bestimmungen an den Verfassungsgerichtshof herangetragen.

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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00065.19B.1217.000

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