VfGH vom 26.09.1984, B654/81
Sammlungsnummer
10148
Leitsatz
StGG Art 5; Pfändung einer Schreibmaschine durch Organe des Magistrats ohne (rechtskräftigen) Exekutionstitel; Verletzung des Eigentumsrechtes
Spruch
Der Bf. ist dadurch, daß ein Organ des Magistrates der Stadt Wien am in der Kanzlei des Bf. eine ihm gehörende Schreibmaschine gepfändet hat, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Aufgrund des in den hier wesentlichen Belangen übereinstimmenden Vorbringens des Bf. und der bel. Beh. sowie aufgrund der bezughabenden Akten des Magistrates der Stadt Wien (Magistratsabteilung 48, Z Ma 48/A5-4834/80; Magistratisches Bezirksamt für den 1. und 8. Bezirk, Z MBA 1/8-1517/80; Magistratsabteilung 6, Z MA 6-III-B 1200/81) geht der VfGH von folgendem Sachverhalt aus:
a) Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 48, vom (zugestellt am ) wurden dem Bf. gemäß § 89a Abs 7 StVO 1960 iVm. den §§1 und 2 der V des Magistrates der Stadt Wien vom , ABl. der Stadt Wien Nr. 17/1978, in Anwendung der Bestimmungen des § 57 AVG 1950 die Kosten für das am erfolgte Entfernen und für das Aufbewahren seines Fahrzeuges W ... in der Höhe von insgesamt 1289 S, vorgeschrieben.
Dagegen erhob der Bf. eine am zur Post gegebene "Berufung" (richtig: Vorstellung).
Der Magistrat des Stadt Wien, M BA 1/8, erließ nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens den Bescheid vom , mit dem dem Bf. aufgrund der erwähnten Rechtsgrundlagen neuerlich der Betrag von 1289 S zur Zahlung vorgeschrieben wurde. Dieser Bescheid wurde dem Bf. am zugestellt. Er brachte dagegen eine am zur Post gegebene Berufung ein.
b) Inzwischen hatte der Magistrat der Stadt Wien, MA 6, unter der Kontonummer A5-4834/80 einen mit datierten "Rückstandsausweis" über einen Betrag von 1289 S ausgestellt. Offenbar nachträglich wurden noch Pfändungsgebühren von 13 S hinzugefügt, die dem Bf. mit Bescheid der MA 6 vom vorgeschrieben worden waren. Dieser "Rückstandsausweis" wurde nicht dem Bf. zugestellt, sondern erging als "Vollstreckungsantrag" an den Erhebungs- und Vollstreckungsdienst "zur exekutiven Einhebung beziehungsweise Fahrnisexekution zur Hereinbringung des oben ausgewiesenen Rückstandes"; der Rückstand sei - wie beigefügt ist - vollstreckbar.
Am nahm in der Zeit von 10.00 bis 10.30 Uhr ein Vollstreckungsbeamter der MA 6 in der Kanzlei des Bf., Wien, R-Gasse, die Pfändung einer dem Bf. gehörenden elektrischen Schreibmaschine vor; die Schreibmaschine wurde im Gewahrsam des Bf. belassen.
Das Pfandrecht wurde am gelöscht; die Entsiegelung erfolgte am selben Tag.
2. Gegen diese Pfändungsmaßnahme - die der Bf. als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wertet - wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und begehrt wird, diese Rechtsverletzung kostenpflichtig festzustellen.
Der Bf. begründet seine Behauptung, im Eigentumsrecht verletzt worden zu sein, damit, daß die Pfändung vorgenommen wurde, obgleich hiefür kein rechtskräftiger vollstreckbarer Titel vorgelegen sei.
3. Der Magistrat der Stadt Wien als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet. Darin wird vorgebracht, daß die Pfändung aufgrund eines vollstreckbaren Exekutionstitels, nämlich des mit Vollstreckbarkeitsklausel versehenen Rückstandsausweises vom , erfolgt sei. Dieser Exekutionstitel sei zwar rechtswidrig zustandegekommen; den mit der Unrichtigkeit des Exekutionstitels verbundenen Eingriff hätte der Bf. aber nach den §§13 und 15 Abs 2 der Abgabenexekutionsordnung, BGBl. 104/1949, (AbgEO) bekämpfen können. Unter Hinweis auf den B251, 291/78, (= VfSlg. 8991/1980) beantragt die bel. Beh., die Beschwerde wegen Nichtzuständigkeit des VfGH zurückzuweisen.
II. Der VfGH hat erwogen:
1a) In der hg. Rechtsprechung (zB VfSlg. 8752/1980 und die dort zitierte weitere Judikatur) werden Vollstreckungshandlungen, die ohne vorangegangenes Verfahren oder vor Erlassung einer Vollstreckungsverfügung durchgeführt werden, als Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt angesehen, die nach Art 144 Abs 1 zweiter Satz B-VG beim VfGH bekämpft werden können.
b) Der unter Hinweis auf den Beschluß VfSlg. 8991/1980 von der bel. Beh. erhobene Einwand, die Rechtmäßigkeit der Durchführung der Pfändung sei in einem Verwaltungsverfahren nach der AbgEO auszutragen, ist schon deshalb unzutreffend, weil der von der bel. Beh. als (angeblicher) Exekutionstitel erwähnte "Rückstandsausweis" vom dem Bf. nicht zugestellt wurde; er entfaltet daher ihm gegenüber keinerlei Rechtswirkungen. Es war dem Bf. daher - anders als in dem im Beschluß VfSlg. 8991/1980 behandelten Fall - nicht möglich, ein verwaltungsbehördliches Verfahren nach § 13 AbgEO einzuleiten, um auf diese Weise die Frage der Rechtmäßigkeit der Durchführung der Pfändung auszutragen. § 13 AbgEO setzt nämlich den Bestand eines (rechskräftigen) Exekutionstitels voraus.
c) Die Pfändung ist also als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren.
Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist die Beschwerde zulässig.
2. Durch die bekämpfte behördliche Zwangsmaßnahme ist in das Eigentum des Bf. eingegriffen worden (vgl. zB VfSlg. 8752/1980).
Da dieser Eingriff ohne jede Rechtsgrundlage erging, wurde der Bf. durch die vom Magistrat der Stadt Wien verfügte Pfändung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt.
Fundstelle(n):
SAAAE-06356