OGH vom 15.05.2012, 14Os38/12p
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Schöfmann als Schriftführerin in der Strafsache gegen Dusan K***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 25 Hv 128/10a 90, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Aicher, des Angeklagten Dusan K***** und seines Verteidigers Mag. Rottensteiner zu Recht erkannt:
Spruch
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in den im zweiten Rechtsgang ergangenen Schuldsprüchen (II/1 und in Ansehung der Unterdrückung von sechs vinkulierten „VKB Sparbüchern“ auch II/2), demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen.
Für das verbleibende den im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüchen zugrunde liegende Verbrechen des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (I) und das Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (in Betreff eines Typenscheins des Harald S*****) wird der Angeklagte unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu einer
Freiheitsstrafe von 4 Jahren und zehn Monaten
verurteilt.
Über die Anrechnung der Vorhaft hat das Erstgericht zu entscheiden.
Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Dusan K***** wurde im ersten Rechtsgang mit Urteil des Landesgerichts Linz als Schöffengericht vom , GZ 25 Hv 128/10a-74, des Verbrechens des gewerbsmäßig durch Einbruch begangenen schweren Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und Z 2, 130 dritter und vierter Fall, 15 StGB (I) sowie mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II) und (richtig:) zweier Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB (III) schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe von 4 Jahren und sechs Monaten verurteilt.
Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er zusammengefasst in T***** und anderen Orten Österreichs
(I) am 18. und in zwei (I/11 und 12) sowie von 22. Juni bis in zehn Fällen (I/1 bis 10) mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Einbruchsdiebstählen an Gegenständen, deren Wert 3.000 Euro übersteigt, eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, im Referat der entscheidenden Tatsachen namentlich genannten Personen Münzen, Bargeld, Schmuck, Uhren, Videokameras, Fotozubehör, Handys, andere Elektrogeräte und weitere detailliert aufgelistete Wertgegenstände in überwiegend jeweils 3.000 Euro übersteigendem Wert (I/1, 2, 3, 4, 5, 7, 8, 10, 12) von insgesamt über 100.000 Euro großteils durch Einbruch in Gebäude (I/1 bis 8 und 10 bis 11) sowie durch Aufbrechen von Behältnissen (I/1) weggenommen (I/1 bis 8 und 10 bis 12) und „Wertgegenstände“ wegzunehmen versucht (I/6);
(II) von 7. bis im Zuge dieser Einbruchsdiebstähle Urkunden einzeln genannter Geschädigter, über die er nicht verfügen durfte, durch deren Ansichnahme mit dem Vorsatz unterdrückt zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar drei vinkulierte Sparbücher, einen Reisepass sowie einen Impfpass (1), eine e-Card (2), zwei Sparbücher mit Losungswort (3) sowie einen Typenschein und sechs „VKB Sparbücher“ (4);
(III) am im Zuge eines der zu Punkt I genannten Einbruchsdiebstähle (I/3) unbare Zahlungsmittel, über die er nicht verfügen durfte, nämlich zwei Bankomatkarten lautend auf Maximilian F*****, durch deren Ansichnahme mit dem Vorsatz unterdrückt, deren Verwendung im Rechtsverkehr zu verhindern.
Mit Urteil des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 14 Os 99/11g, wurde dieses Urteil, das im Übrigen unberührt blieb, in teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde, teils aus deren Anlass, in den Schuldsprüchen II/1, 2, 3 sowie soweit sich dieser auf die Unterdrückung von sechs „VKB-Sparbüchern“ bezog, auch 4 und III, demzufolge auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Im Übrigen wurde die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen wurden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Mit dem angefochtenen auch unbekämpft gebliebene Freisprüche von den übrigen von der Aufhebung erfassten Vorwürfen enthaltenden Urteil wurde Dusan K***** (neben überflüssiger, aber nicht nichtigkeitsrelevanter [RIS-Justiz RS0100041; Ratz , WK StPO § 293 Rz 6] in Kursivschrift erfolgter deklarativer Wiederholung bereits im vorangegangenen Rechtsgang in Rechtskraft erwachsener Schuld- und Freisprüche) im zweiten Rechtsgang erneut mehrerer Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (II) schuldig erkannt.
Danach hat er in T*****
(II) Urkunden, über die er nicht verfügen durfte, durch deren Wegnahme im Zuge von den im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüchen zugrunde liegenden - Einbruchsdiebstählen mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht werden, und zwar
1) am je ein Sparbuch mit Losungswort der Katharina R***** und des Walter R***** und
2) in der Nacht zum sechs vinkulierte „VKB-Sparbücher“ des Harald S*****.
Der dagegen aus den Gründen der Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt teilweise Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Soweit sie sich zunächst auf den im ersten Rechtsgang erfolgten Schuldspruch wegen des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB in Ansehung eines Typenscheins des Harald S***** (II/2) bezieht, genügt der Hinweis, dass der Beschwerdeführer im Hinblick auf die mit der oben angeführten Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 14 Os 99/11g, eingetretene Rechtskraft nicht zur Anfechtung legitimiert ist.
Die die Schuldsprüche aus dem zweiten Rechtsgang betreffende Mängelrüge (nominell Z 5 zweiter Fall, der Sache nach auch Z 5 vierter Fall) macht jedoch deutlich genug offenbar unzureichende Begründung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite geltend (BS 3 f und BS 6 f).
Die diesbezüglichen beweiswürdigenden Erwägungen in der angefochtenen Entscheidung erschöpfen sich nämlich neben einem den Schuldspruch II/1 betreffenden Hinweis auf das Eingeständnis des Angeklagten, die Sparbücher des Ehepaares R***** (Schuldspruch II/1) bei Öffnung des versperrt entwendeten Tresors wahrgenommen zu haben und diese dem in der Hauptverhandlung am erstmals erwähnten Mittäter namens „M*****“ überlassen zu haben in bloßer Wiederholung der Urteilsannahmen zur Täterintention (US 10 f). Damit aber hat das Erstgericht den zu beweisenden Tatumstand stillschweigend als bewiesen vorausgesetzt, an die Stelle einer Begründung also eine Behauptung gesetzt und der Sache nach bloß zirkuläre Überlegungen angestellt, anstatt Aussagen darüber zu treffen, aufgrund welcher Beweisergebnisse es zu dieser Überzeugung gelangte ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 446). Der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass ein hier gar nicht ausdrücklich gezogener Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrunde liegendes Wissen und Wollen aus dem Blickwinkel der Begründungstauglichkeit grundsätzlich nicht zu beanstanden wäre und bei leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen ist ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 452). Stimmen aber mit Bezug zu einer entscheidenden Tatsache die Beweisergebnisse nicht überein, ist bei sonstiger Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) der Grund anzugeben, warum die der getroffenen Feststellung widerstreitenden Beweisergebnisse nicht überzeugen konnten ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 425). Ob oder aus welchen Gründen die Tatrichter der insoweit leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers, der behauptet hatte, dass ihn die Sparbücher „nicht interessierten“, weshalb er sich um deren weiteren Verbleib nicht kümmerte (ON 89 S 8 ff), als unglaubwürdig ansahen, ist den Entscheidungsgründen jedoch wie die Mängelrüge zutreffend aufzeigt nicht zu entnehmen.
Weil schon dieser Begründungsmangel die Aufhebung des Urteils im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang und insoweit die Verweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht (§§ 285e, 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) erfordert, erübrigt sich ein Eingehen auf das auf Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Beschwerdevorbringen.
Unter Berücksichtigung der im zweiten Rechtsgang erfolgten, unbekämpft gebliebenen Freisprüche nahm der Oberste Gerichtshof mit Blick auf die gewichtsmäßige Relation zwischen den schon im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen und den kassierten Schuldsprüchen und die bisherige Verfahrensdauer in einer Haftsache (vgl EvBl 1986/9, SSt 58/64) nunmehr von seinem Recht ( Ratz , WK-StPO § 289 Rz 21) Gebrauch, hinsichtlich der rechtskräftigen Teile selbst die Strafe festzusetzen.
Das Erstgericht verhängte über Dusan K***** eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren.
Bei der Strafneubemessung war die einschlägige Vorstrafenbelastung des Angeklagten (ON 75, ON 2 S 21), das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die mehrfache Qualifikation, die Tatwiederholung und der hohe Schaden von über 100.000 Euro (die letzten drei Punkte in Betreff des Schuldspruchs I) als erschwerend zu werten, als mildernd dagegen die teilweise geständige Verantwortung des Angeklagten, sein Alter unter 21 Jahren (in Betreff der Schuldsprüche I/11 und 12), die teilweise Schadensgutmachung und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist.
Für eine außerordentliche Strafmilderung nach § 41a StGB bietet der Akteninhalt keinerlei Anhaltspunkte. Die geständige Verantwortung des Beschwerdeführers aus dem zweiten Rechtsgang zu bereits rechtskräftigen Schuldsprüchen zugrunde liegenden Vorwürfen kann hiefür ebensowenig ausschlagen wie die in der Hauptverhandlung vom erstmals erfolgte Erwähnung eines Bestimmungs- bzw Beitragstäters namens „M*****“. Die Behauptung, nach Österreich gekommen zu sein, um einer von „M*****“ zugesicherten geregelten Beschäftigung nachzugehen und die Taten zur Finanzierung der Behandlung seiner erkrankten Tochter und der Unterstützung seiner Ehefrau begangen zu haben, rechtfertigt die Berücksichtigung des Milderungsgrundes des § 34 Abs 1 Z 10 StGB mit Blick auf die immense Schadenshöhe und die Verantwortung des Beschwerdeführers, vom Verkauf der Diebsbeute gelebt zu haben (ON 89 S 5), nicht. Dieser liegt vielmehr nur bei einem zur Tatzeit bestehenden oder drohenden Mangel am notwendigen Lebensunterhalt vor, soweit der Täter darauf zielte, durch die Straftat seine existenziellen Lebensbedürfnisse zu befriedigen ( Ebner in WK 2 § 34 Rz 24), was hier nicht behauptet wird.
Ausgehend von den genannten Strafzumessungsgründen sah sich der Oberste Gerichtshof zur Verhängung der im Spruch genannten Strafe bestimmt, wobei entgegen dem Standpunkt des Angeklagten im Hinblick auf die auch im ersten Rechtsgang zu seinem Nachteil erhobene Berufung der Staatsanwaltschaft von einem Verstoß gegen das Verschlechterungsverbot keine Rede sein kann.
Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung zu verweisen.
Über die Anrechnung der Vorhaft (§ 38 StGB) hat gemäß § 400 StPO der Vorsitzende des Erstgerichts mit Beschluss zu entscheiden.
Der Kostenausspruch gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.