TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 20.12.2011, 8ObA81/11m

OGH vom 20.12.2011, 8ObA81/11m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras und Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker und Franz Boindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T***** H*****, vertreten durch Gerlach Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei E***** L***** GmbH, *****, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 2.575,86 EUR sA und Feststellung (Gesamtstreitwert 8.575,86 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 35/11k 26 (Revisionsinteresse 7.631,70 EUR), den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die Grundsätze zu den Informationspflichten des Arbeitgebers bei Übertragung der Leistungsansprüche des Arbeitnehmers aus einer Betriebspension auf eine Pensionskasse sowie zu den Rechtsfolgen einer unzureichenden Risikoaufklärung haben die Vorinstanzen zutreffend dargelegt. Die konkrete Ausgestaltung und der Umfang von Aufklärungs und Beratungspflichten im Vorfeld eines Veranlagungsgeschäfts und ebenso eines Versorgungsgeschäfts ist typisch von den Umständen des Einzelfalls geprägt (vgl RIS Justiz RS0119752). Eine Einzelfallbeurteilung begründet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage.

Die Frage, in welchem Verhältnis die Versorgungszusage aus dem Jahr 1999 und die Pensionsantrittsvereinbarung aus dem Jahr 2006 zueinander stehen, betrifft die Auslegung der Vertragsgrundlagen, die in der Regel ebenfalls keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RIS Justiz RS0042936; RS0042776). Das Gleiche gilt für die Ermittlung des für die Übertragung der Leistungspflichten relevanten Zeitpunkts.

2.1 Die Pensionskasse bietet ein bestimmtes versicherungsmathematisches Produkt an, das durch den Pensionskassenvertrag, der einen Vertrag zu Gunsten Dritter darstellt und mit dem der Beitritt zur Pensionskasse erfolgt, angenommen wird. Nach wirksamer Übertragung der Leistungspflicht an die Pensionskasse schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer nur mehr die Beitragsleistung an die Pensionskasse. Soweit er seine Pflicht zur Beitragsleistung erfüllt, wird er von der direkten Leistungsverpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer befreit. Die konkrete Leistungszusage gegenüber dem Arbeitnehmer erfolgt durch den Abschluss der Übertragungsvereinbarung (vgl 9 ObA 92/10k mwN).

2.2 Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Umstieg auf das Pensionskassenmodell bereits im Jahr 1999 erfolgte, erweist sich als nicht korrekturbedürftig. Nach dem von der Klägerin berechtigterweise gewonnenen Eindruck war der Pensionsantrittsvertrag für den tatsächlichen Bezug der Pension erforderlich. Darin konnte sie eine erforderliche Maßnahme zur Umsetzung und Durchführung der Pensionszusage erblicken. In diesem Sinn versteht auch die Beklagte den „zweiten Vertrag“ als erforderliche Konkretisierung zur Versorgungszusage aus dem Jahr 1999. In der außerordentlichen Revision führt sie dazu aus, dass der Übertragungsbetrag gemäß § 48 Abs 1 PKG (unter Berücksichtigung eines besonderen Differenzbetrags zum Risikoausgleich bis zum Pensionsantritt als Einmalzahlung) erst in der Pensionsantrittsvereinbarung festgelegt worden sei. Auch schon in erster Instanz wertete sie die Unterfertigung beider Verträge durch die Klägerin als Zustimmung zur „Pensionskassenlösung“. Im Zeitpunkt der Auslagerung 1999 sei die Pensionskassenlösung ein besonders günstiges Modell gewesen, wodurch die Klägerin im Vergleich zum alten Pensionsstatut nicht schlechter gestellt gewesen sei.

Die Versorgungszusage aus dem Jahr 1999 und die Pensionsantrittsvereinbarung aus dem Jahr 2006 sind somit als einheitliches Vertragsverhältnis zu beurteilen, wodurch die pensionsrechtlichen Ansprüche der Klägerin geregelt werden. Damit besteht für ein Verständnis des zweiten Vertrags als Novation im Verhältnis zum ersten Vertrag kein Raum. Entgegen den Überlegungen der Beklagten kann aus der Unterfertigung des zweiten Vertrags durch die Klägerin in der Annahme einer bloßen Umsetzungsmaßnahme auch kein Verzicht auf - für die Klägerin damals noch gar nicht erkennbare - Schadenersatzansprüche abgeleitet werden.

3. Anlässlich der Umstiegsentscheidung der Klägerin wurde ihr der Gesamteindruck vermittelt, dass das Pensionskassenmodell für sie mit Chancen verbunden sei, die Pensionshöhe nach den bisherigen Regelungen aber jedenfalls erhalten bleibe. Das Erstgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dieser Eindruck durch den Hinweis auf die besonderen Treuepunkte im August 1999 verstärkt wurde. Die Pensionsantrittsvereinbarung aus dem Jahr 2006 enthielt zwar klare Hinweise auf ein beitragsorientiertes Pensionskassenmodell. Rund um den Abschluss dieses Vertrags wurde die zwischenzeitlich misstrauische Klägerin allerdings beschwichtigt und ihr erklärt, dass die neue Vereinbarung nur aus administrativen Gründen erforderlich sei. Wenn sie nicht unterschreibe, würde die Pension nicht ausbezahlt. Vor diesem Hintergrund ist jedenfalls die Beurteilung der Vorinstanzen, dass der Klägerin aus Anlass ihres Umstiegs auf das Pensionskassenmodell (zumindest) keine ausreichend ausgewogenen Informationen zu dem von ihr zu tragenden Kapitalmarktrisiko und den daraus resultierenden möglichen Pensionsverlusten erteilt worden seien, nicht korrekturbedürftig.

Die Formulierung des klagsstattgebenden Urteilsspruchs wird in der außerordentlichen Revision nicht gerügt, weshalb diese Frage vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden kann.

4. Mit ihren Ausführungen vermag die Beklagte die Zulässigkeit der Revision insgesamt nicht zu begründen. Mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.