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VfGH vom 17.06.1996, B648/96

VfGH vom 17.06.1996, B648/96

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Keine Anlaßfallwirkung der teilweisen Aufhebung des Sbg UmweltfondsG auf Bescheide betreffend Abweisung von Anträgen auf Rückerstattung sämtlicher entrichteter Stromerzeugungsabgaben; Verletzung im Eigentumsrecht durch gesetzlose Verweigerung der Rückzahlung der Stromerzeugungsabgabe ab dem Wirksamwerden der Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof; insoweit Aufhebung der Bescheide ingesamt mangels Trennbarkeit

Spruch

Die beschwerdeführenden Parteien sind durch Punkt 2 des Spruches der angefochtenen Bescheide im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden.

Der Punkt 2 des Spruches der Bescheide wird aufgehoben.

Das Land Salzburg ist schuldig, den beschwerdeführenden Parteien zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit jeweils S 18.000,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Mit Bescheiden des Landesabgabenamtes Salzburg wurde festgestellt, daß die nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof beschwerdeführenden Parteien verpflichtet sind, die Stromerzeugungsabgabe für das Jahr 1992 zu entrichten. Die dagegen erhobenen Berufungen wurden mit Bescheiden der Salzburger Landesregierung abgewiesen.

1.2. Mit Erkenntnis vom , B487/93 ua., wurden diese Bescheide vom Verfassungsgerichtshof wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes, nämlich "des 2. Abschnittes ('Stromerzeugungsabgabe') sowie der §§11 und 14 des Salzburger Umweltfondsgesetzes, LGBl. für das Land Salzburg Nr. 50/1992," aufgehoben.

2. Im zweiten Verfahrensgang wurde mit Ersatzbescheiden der Salzburger Landesregierung den Berufungen stattgegeben und angewiesen, die entrichteten Stromerzeugungsabgaben - soweit sie nach Ansicht der Salzburger Landesregierung Anlaßfall waren - zurückzuzahlen. Die Ersatzbescheide sind mittlerweile rechtskräftig geworden.

3. Außerdem stellten die beschwerdeführenden Parteien Anträge auf Rückzahlung der von ihnen in den Jahren 1992 bis einschließlich 1995 entrichteten Stromerzeugungsabgaben samt Zinsen.

Mit den nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheiden der Salzburger Landesregierung wurden die Bescheide des Landesabgabenamtes Salzburg hinsichtlich der Stattgebung der Rücküberweisung der von ihnen entrichteten Teilbeträge der Stromerzeugungsabgabe infolge Berufung aufgehoben und Anträge auf Rückzahlung zurückgewiesen (Spruchpunkt 1), im übrigen, soweit sich die Anträge auf die Rückerstattung der sonstigen entrichteten Stromerzeugungsabgaben bezogen haben, abgewiesen (Spruchpunkt 2).

4. Spruchpunkt 1 der angefochtenen Bescheide wird von den beschwerdeführenden Parteien ausdrücklich nicht bekämpft. Bezüglich Spruchpunkt 2 behaupten die beschwerdeführenden Parteien insbesondere eine Verletzung des "durch Art 140 Abs 7 B-VG verfassungsgesetzlich gewährleistete(n) Recht(s), auf Anwendung der (durch verfassungsgerichtliche Gesetzesaufhebung) bereinigten Rechtslage auf den Anlaßfall", da die belangte Behörde "die (uneingeschränkte) Zuerkennung der Anlaßfallwirkung" für sämtliche von den beschwerdeführenden Parteien entrichteten Stromerzeugungsabgaben nicht zuerkenne.

5. Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften und beantragt, die Beschwerden abzuweisen. Daß eine Selbstbemessungsabgabe gegenüber einer bescheidmäßig vorzuschreibenden Abgabe eine umfassendere Sichtweise des Anlaßfalles rechtfertigen würde, treffe nicht zu.

Wenn Bescheide, die sich inhaltlich auf die Feststellung des Bestehens einer Abgabepflicht für das Jahr 1992 beziehen, Anlaßfälle beim Verfassungsgerichtshof waren, dann könnten nicht gleichzeitig auch Abgabenschuldigkeiten für andere Zeiträume Anlaßfälle sein.

6. In einer weiteren Äußerung führt die belangte Behörde aus, daß ein Betreiber einer Stromerzeugungsanlage die Stromerzeugungsabgabe auf Grund der Erfüllung des Tatbestandes der Erzeugung elektrischer Energie im Land Salzburg zu entrichten hatte. Mit der Realisierung dieses Tatbestandes "(egal, wann solche steuerbare Energie hergestellt wurde und wie lange)" sei deshalb "der Abgabenanspruch für das Jahr der Abgabepflicht bereits zur Gänze entstanden gewesen und nicht etwa nur aliquot dem Anteil verstrichener Kalendertage". Nicht aber sei in den gestaffelten Fälligkeitszeitpunkten ein Hinweis auf eine "abgestufte" Abgabenanspruchsentstehung erst im Laufe des Jahres der Abgabepflicht erblickt worden, "wonach sich also z.B. der Teilbetrag per konkret auf das Quartal vom 1.1. bis bezöge, sodaß bei Wegfall der Rechtsgrundlage noch vor dem trotz ihrer Geltung zum Zeitpunkt der Teilfälligkeit nachträglich der entsprechende Teilbetrag aliquot der geringeren Geltungsdauer gekürzt werden müßte".

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die zulässigen Beschwerden erwogen:

1. Gegenstand der mit Anlaßfallwirkung aufgehobenen Bescheide durch den Verfassungsgerichtshof (s. I.1.1.) war jeweils unterschiedlich für die einzelnen Beschwerdeführer die Feststellung der Pflicht zur Entrichtung der Stromerzeugungsabgabe für das Jahr 1992. Durch die Erlassung von Ersatzbescheiden hat die Salzburger Landesregierung den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes iSd. § 87 Abs 2 VerfGG Rechnung getragen. Sämtliche Ersatzbescheide sind mittlerweile rechtskräftig geworden.

2. Gegenstand des Punktes 2 des Spruches der nunmehr vor dem Verfassungsgerichtshof angefochtenen Bescheide ist die Abweisung von Anträgen auf Rückzahlung sämtlicher - zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide - entrichteter Stromerzeugungsabgaben der beschwerdeführenden Parteien, soweit darüber nicht bereits mit Ersatzbescheiden (s. I.2., II.1.) abgesprochen wurde.

2.1. Entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien kommt den nunmehr angefochtenen Bescheiden die Anlaßfallwirkung iSd. Art 140 Abs 7 B-VG nicht zu, da es sich weder um Rechtssachen handelt, anläßlich derer das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes tatsächlich eingeleitet worden war, noch sind sie solchen Fällen gleichzuhalten (VfSlg. 10616/1985 uvam.).

Auch eine Verletzung des § 87 Abs 2 VerfGG liegt nicht vor, da die angefochtenen Bescheide keine Ersatzbescheide iSd. § 87 Abs 2 VerfGG sind (vgl. VfSlg. 6043/1969, 6869/1972, 8571/1979, 10220/1984, ).

2.2. Allerdings greift Punkt 2 des Spruches der angefochtenen Bescheide entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zur Vorschreibung von Abgaben (vgl. VfSlg. 10337/1985, 10362/1985 mwH) - diese bezieht sich ebenso auf die Abweisung von Anträgen auf Rückerstattung bereits bezahlter Abgabenbeträge (VfSlg. 12341/1990) - in das Eigentumsrecht ein. Dieser Eingriff wäre insbesondere dann verfassungswidrig, wenn der ihn verfügende Bescheid ohne jede Rechtsgrundlage ergangen wäre.

2.3. In den vorliegenden Fällen war zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide die Zahlung der ersten Rate der Stromerzeugungsabgabe für das Jahr 1995 durch die beschwerdeführenden Parteien bereits erfolgt.

Punkt 2 des Spruches der angefochtenen Bescheide stützt sich insbesondere auf den 2. Abschnitt des Salzburger Umweltfondsgesetzes. Diese Bestimmungen sind auf die vor der Aufhebung dieser Gesetzesvorschriften durch den Verfassungsgerichtshof (Erkenntnis vom , G101/94 ua.) verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme der Anlaßfälle - gemäß Art 140 Abs 7 B-VG weiterhin anzuwenden (vgl. 6442/1971, 8249/1978, 9321/1982).

Da die Aufhebung der maßgeblichen Teile des Salzburger Umweltfondsgesetzes mit "Kundmachung des Landeshauptmannes vom 7. Feber 1995", LGBl. 26/1995, iVm. § 7 des Gesetzes über das Landesgesetzblatt, LGBl. 75/1993, und iVm. Art 140 Abs 5 B-VG am wirksam geworden ist, entbehrt jedoch Punkt 2 des Spruches der angefochtenen Bescheide, soweit die Rückzahlung der für den Zeitraum nach dem entrichteten Stromerzeugungsabgaben verweigert wird, der gesetzlichen Grundlage:

Die Verpflichtung zur Entrichtung der Stromerzeugungsabgabe mit einem Viertel der jährlich zu leistenden Abgabe am gemäß § 6 des Salzburger Umweltfondsgesetzes bedeutet nach der am wirksam gewordenen Aufhebung dieses Gesetzes durch den Verfassungsgerichtshof nicht, daß die gemäß § 3 Salzburger Umweltfondsgesetz "von der Erzeugung elektrischer Energie" zu erhebende Abgabe für das ganze Quartal (also bis Ende März 1995) erhoben werden durfte, nachdem die dementsprechende Abgabenverpflichtung am durch die Kundmachung des aufhebenden Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes beseitigt war. Die Verweigerung der Rückzahlung der für die Zeit zwischen und entrichteten Stromerzeugungsabgabe war sohin gesetzlos.

Ein gesetzloser, in das Eigentum eingreifender Bescheid verstößt nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Unversehrtheit des Eigentums.

3. Da zufolge der sprachlichen Fassung der Bescheide in Spruchpunkt 2 teilbarere Bescheide nicht vorliegen, waren diese insgesamt aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von jeweils

S 3.000,- enthalten.

5. Dies konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.