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OGH vom 15.06.2005, 13Os22/05t

OGH vom 15.06.2005, 13Os22/05t

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rouschal, Hon. Prof. Dr. Ratz, Hon. Prof. Dr. Schroll und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Krammer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Günter L***** wegen des Finanzvergehens der gewerbsmäßig begangenen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes Linz als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom , GZ 24 Hv 119/04m-23, nach öffentlicher Verhandlung in Gegenwart des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, sowie in Anwesenheit des ORates Mag. Jungwirth für das Zollamt Linz, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Freispruch sowie im Sanktionenausspruch - ausgenommen betreffend Wertersatzstrafe und Verfall (bzw dessen Ablehnung) - einschließlich des Beschlusses nach § 26 Abs 2 FinStrG aufgehoben und insoweit die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Im Übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden verworfen. Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und das Zollamt Linz auf die kassatorische Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftig gewordene Schuldsprüche des Angeklagten Günter L***** wegen im Jänner 2004 begangener Finanzvergehen der gewerbsmäßig begangenen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (I.1.) und der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG (I.2.) enthält, wurde der Angeklagte von der Anklage,

II.) er habe (zu ergänzen: vor dem ) im Zuständigkeitsbereich des Zollamtes Linz vorsätzlich

1.) eingangsabgabepflichtige Waren ausländischer Herkunft, nämlich zumindest 314.020 Stück Filterzigaretten der Sorten „Ernte 23", „Milde Sorte", „Memphis Blue", Memphis Blue Light" und „Marlboro" mit darauf entfallenden Eingangsabgaben in Höhe von 52.914,08 Euro (davon Zoll 12.664,69 Euro, Tabaksteuer 27.765,82 Euro und Einfuhrumsatzsteuer 12.483,57 Euro), hinsichtlich welcher durch namentlich nicht bekannte Personen anlässlich der Verbringung in das Zollgebiet der Gemeinschaft die Finanzvergehen des Schmuggels und des vorsätzlichen Eingriffs in die Rechte des Tabakmonopols begangen worden waren, gekauft und in der Absicht weiterverkauft, sich durch die wiederkehrende Begehung dieser strafbaren Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

2.) in Tateinheit hiezu Gegenstände des Tabakmonopols mit einem Kleinverkaufspreis von 48.326,60 Euro, hinsichtlich welcher von namentlich nicht bekannten Personen in die Rechte des Tabakmonopols eingegriffen worden war, an sich gebracht und weiterverkauft und hiedurch die Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei [richtig: der Abgabenhehlerei bei Vorliegen erschwerender Umstände] nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG begangen zu haben gemäß § 259 Z 3 StPO

freigesprochen.

Gemäß „§§ 17 Abs 1, 37 Abs 2" FinStrG wurden die im Pkw des Günter L***** sichergestellten Zigaretten, nämlich die genannten 314.020 Stück, für verfallen erklärt.

Die Nichtigkeitsbeschwerden der Staatsanwaltschaft und des Zollamtes Linz richten sich aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO gegen den freisprechenden Teil des Urteils sowie aus Z 11 gegen den Verfall der vom Freispruch erfassten Zigaretten.

Zum Freispruch stellten die Tatrichter fest, dass Günter L***** für sein Unternehmen eine Lagerhalle anmietete, in welcher er Altmaterial aufbewahrte. In dieser Lagerhalle werden auch zwei Firmen-Klein-LKW eingestellt. Diese Fahrzeuge stellte Günter L***** zwei bulgarischen Staatsangehörigen wiederholt kostenlos zur Verfügung. Günter L***** wusste, dass die beiden Bulgaren mit ausländischen Zigaretten handelten. Er wies sie jedoch darauf hin, dass sie die von ihnen angeschafften Zigaretten nicht in seiner Lagerhalle umschlagen dürften. Die Verantwortung des Günter L*****, nicht er, sondern die beiden Bulgaren hätten die Zigaretten in seinen LKW verbracht, erschien nicht widerlegt. Es konnte daher auch nicht festgestellt werden, dass Günter L***** insgesamt 314.020 Stück geschmuggelter Zigaretten gekauft bzw sonst an sich gebracht habe, um sie in der Absicht weiter zu verkaufen, sich durch die wiederkehrende Begehung dieser strafbaren Handlung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (US 5 und 6).

Hiezu behaupten beide Beschwerden nicht nur eine Unvollständigkeit der Gründe (Z 5 zweiter Fall), weil das Erstgericht sich nicht mit der Verantwortung des Angeklagten in der Niederschrift vom vor dem Zollamt Linz (S 207 in ON 9) auseinandergesetzt habe, wonach der Angeklagte „gewusst habe, dass die Bulgaren mit Zigaretten handeln und er sich schon gedacht habe, dass dafür seine Autos verwendet wurden", sondern - ebenfalls unter Bezugnahme auf diese Aussage - außerdemauch einen Feststellungsmangel im Bezug auf eine fremdnützige (Abgaben-)Hehlerei iSd § 37 Abs 1 lit b (allerdings nicht auch iSd § 46 Abs 1 lit b) FinStrG (S 311 und S 317). Die Tatrichter hätten nämlich das Beweissubstrat lediglich auf den Anklagevorwurf einer eigennützigen, nicht aber hinsichtlich des von der Anklage mitumfassten Vorwurfs einer fremdnützigen (Abgaben-)Hehlerei geprüft (US 6), obwohl das Zurverfügungstellen von Autos für Fahrten und für den Verkauf geschmuggelter Zigaretten sowie die Nutzungsberechtigung einer Lagerhalle für die Zwischenlagerung solcher Waren ein Unterstützen iSd § 37 Abs 1 lit b FinStrG sein kann.

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerde ist im Ergebnis berechtigt.

Nach dem Inhalt der bezeichneten Einlassung des Angeklagten hat dieser gewusst, dass die Bulgaren mit Zigaretten handeln. Dass dafür seine Autos verwendet wurden, hatte er sich „schon" gedacht. Zwischendurch habe er darüber nachgedacht und sei zum Schluss gekommen, dass seine Autos auch dafür verwendet wurden. Er könne nicht mehr sagen, wann das war, auch über die Größenordnung der Zigarettengeschäfte habe er „keine Ahnung" gehabt. Damit sagt er nichts über eine (gar nicht erforderliche) „Wissentlichkeit" betreffend die Verwendung des Autos (auch) zum Zweck des Schmuggels. Bei einem Feststellungsmangel reicht es jedoch, dass auf der Basis von als übergangen reklamierten Verfahrensergebnissen eine schuldbegründende Konstatierung möglich wäre, das Erstgericht aber eine Erörterung dieser Verfahrensteile unterlassen hat. Fallbezogen kann aus dem zitierten Verantwortungsteil nicht ausgeschlossen werden, dass der Angeklagte damit jedenfalls vor dem (Tatzeitpunkt des Freispruchfaktums) eine Verwendung der von ihm zur Verfügung gestellten Autos für Schmuggelfahrten und für den Weiterverkauf der geschmuggelten Zigaretten im Inland nach dem von ihm zugestandenen Finanzvergehen vom Jänner 2004 ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (§ 8 Abs 1 FinStrG). Da sich die Tatrichter mit dieser Verantwortung nicht auseinandergesetzt haben, obwohl die genannten, nicht durch Feststellungen geklärten Indizien auf die Sachverhaltsgrundlage für eine - allfällige - andere Lösung der Rechtsfrage hinweisen, waren wegen Feststellungsmangels (Ratz in WK-StPO § 281 Rz 611) und - ohne das es einen Eingehens auf die aus Z 5 erfolgten Argumente bedurfte - in Stattgebung der Rechtsrügen der Freispruch, die in Folge hievon betroffenen Sanktionsaussprüche und der bezeichnete Beschluss aufzuheben und insoweit die Erneuerung des Verfahrens aufzutragen.

Als nicht berechtigt erweisen sich die Sanktionsrügen (Z 11 erster Fall), die sich gegen die Anordnung des Verfalls der vom Freispruch erfassten Zigaretten richten. In Ermangelung eines Schuldspruchs ist zwar die Zitierung des § 37 Abs 2 FinStrG im Verfallserkenntnis verfehlt, doch konnte sich das Erstgericht - wie in den Entscheidungsgründen US 8 ausgeführt - auf § 17 Abs 4 FinStrG stützen. Da § 18 FinStrG unter den Voraussetzungen des § 17 FinStrG den Verfall im selbstständigen Verfahren nach § 243 FinStrG anordnet, wenn - unter anderem wie hier - der Täter unbekannt ist, diese Bestimmung aber wieder auf § 446 StPO verweist, hat das Schöffengericht seine Verfallsbefugnis nicht überschritten. Im Übrigen hat sich der Angeklagte mit dem Verfall der sichergestellten Zigaretten einverstanden erklärt (S 287). Da diese Sachentscheidung von den weiteren Verfahrensergebnissen unabhängig zutreffend ist, war dieser Ausspruch trotz Aufhebung des Freispruches unter Verwerfung der diesbezüglichen Nichtigkeitsbeschwerde aufrecht zu erhalten.