TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
OGH vom 26.02.2016, 8Ob7/16m

OGH vom 26.02.2016, 8Ob7/16m

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter im Schuldenregulierungsverfahren des Schuldners R***** S*****, vertreten durch Dr. Thomas Obholzer, Rechtsanwalt in Hall in Tirol, über den Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 2 R 157/15z 48, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom , GZ 13 S 74/07y 45, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Schuldner hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Im Jahr 1997 wurde zu 19 S 61/97m des Landesgerichts Innsbruck über das Vermögen des Schuldners der Unternehmenskonkurs eröffnet. Dieses Verfahren wurde am nach Verteilung gemäß § 139 KO aufgehoben. Auf die Konkursgläubiger entfiel eine Quote von 3,61 %. Im Unternehmenskonkurs hatten unter anderem die B***** AG und die T***** Bank AG ihre Forderungen angemeldet.

Am wurde im Zwangsversteigerungsverfahren zu 2 E 6424/97b des Bezirksgerichts Hall in Tirol nach Versteigerung der Liegenschaft des Schuldners der Meistbotsverteilungsbeschluss erlassen. Aufgrund von Absonderungsrechten haben dabei die B***** AG 56.878 EUR und die T***** Bank AG 270.706,30 EUR jeweils samt Zinsen auf ihre angemeldeten Forderungen erhalten.

Im nunmehrigen Schuldenregulierungsverfahren haben beide genannten Banken ihre restlichen Forderungen angemeldet. Zudem bestehen weitere Gläubiger. Laut Bericht der Treuhänderin wurden bis zum Ende der siebenjährigen Frist des Abschöpfungsverfahrens 5.996,59 EUR, das sind 1,35 % der festgestellten Forderungen, sowie 1.173,46 EUR an Verfahrenskosten vom Schuldner gezahlt. Er ist 70 Jahre alt und bezieht eine Berufsunfähigkeitspension in Höhe von derzeit netto 1.091,60 EUR pro Monat. Er verfügt über ein Sparbuch mit einem Einlagenstand von 1.600 EUR zum .

Der Schuldner stellte den Antrag, das Abschöpfungsverfahren für beendet zu erklären und ihm gemäß § 213 Abs 3 KO aufzutragen, den Differenzbetrag auf die Quote von 10 % an die Gläubiger B***** und V***** AG (146 EUR), F***** I***** (13.173 EUR) und T***** G***** (4.765 EUR) zu zahlen. Mit Zahlung innerhalb von drei Jahren werde allen Gläubigern gegenüber die Restschuldbefreiung erteilt. Die Gläubiger B***** AG und T***** Bank AG erhielten keine weiteren Beträge, weil diese beiden Gläubiger mit ihren Gesamtforderungen teilweise befriedigt worden seien.

Die beiden genannten Gläubigerbanken sprachen sich gegen diesen Antrag aus. Der Schuldner habe nicht dargelegt, aus welchen Gründen es ihm nicht gelungen sei, die gesetzliche Mindestquote von 10 % zu erreichen. Es entspreche auch nicht der Billigkeit, dass zwei Gläubiger lediglich eine Quote von 1,35 % erhielten.

Das Erstgericht gab dem Antrag des Schuldners statt. Bei der Entscheidung nach § 213 Abs 3 KO handle es sich um eine Ermessensentscheidung. Dabei sei auszusprechen, inwieweit der Schuldner den sich auf die 10% ige Quote ergebenden offenen Forderungsbetrag einzelner oder aller Verbindlichkeiten noch erfüllen müsse, damit er von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit sei. Diese Bestimmung ermögliche auch eine Ungleichbehandlung der Gläubiger. Bei dem Erlös aus der Zwangsversteigerung handle es sich um Beträge, die außerhalb des Schuldenregulierungsverfahrens vom Schuldner erbracht worden seien. Diese Zahlungen seien als Billigkeitsgründe im Sinn des § 213 Abs 3 KO zu berücksichtigen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Gläubigerin T***** Bank AG folge und änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass das Abschöpfungsverfahren für beendet erklärt und eine Restschuldbefreiung nicht erteilt wurde. Der Erlös aus der Verwertung des dem Schuldner gehörenden Pfandobjekts sei keine Leistung im Sinn des § 213 Abs 3 Z 1 KO. Nach dieser Bestimmung würde nur die zusätzliche Anstrengung des Schuldners zur Forderungstilgung gewürdigt. Dies treffe auf eine Pfandverwertung nicht zu, weil eine solche vorweg zur Befriedigung der Absonderungsgläubiger zu erfolgen habe. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob Zahlungen aus der Verwertung eines dem Schuldner gehörenden Pfandobjekts nach § 213 Abs 3 Z 1 KO berücksichtigt werden könnten, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Schuldners, der auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil zur Frage der Berücksichtigung einer Pfandverwertung zugunsten eines Absonderungsgläubigers als Billigkeitsgrund nach § 213 Abs 3 Z 1 KO (IO) eine Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof geboten erscheint. Der Revisionsrekurs ist auch berechtigt.

1. Das Abschöpfungsverfahren wurde vor dem eröffnet. Abgesehen von den Ausnahmen nach § 273 Abs 8 IO gelangen daher (gemäß § 273 Abs 1 IO) die Bestimmungen der Konkursordnung zur Anwendung. Die hier relevante Bestimmung des § 213 Abs 3 Z 1 KO wurde im Wesentlichen unverändert in die Insolvenzordnung übernommen.

2. Zeitlich nach dem Unternehmenskonkurs und vor dem Schuldenregulierungsverfahren hat zugunsten der Absonderungsgläubiger (im Unternehmenskonkurs) eine Pfandverwertung stattgefunden. Wird diese Pfandverwertung berücksichtigt, so haben die beiden Gläubigerbanken insgesamt rund 54 % (T***** Bank AG) bzw rund 83 % (B***** AG) ihrer Forderungen erhalten.

Der Schuldner begehrte die Aussetzung der Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 3 KO unter der Prämisse, dass die beiden in Rede stehenden Gläubiger keine weiteren Zahlungen mehr erhalten. Die Pfandverwertung zugunsten der beiden Absonderungsgläubiger sei als Leistung des Schuldners im Sinn des § 213 Abs 3 Z 1 KO zu berücksichtigen.

3. Im Allgemeinen ist die Abwägung der nach Billigkeit zu berücksichtigenden Gründe für und gegen die Restschuldbefreiung von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Sie stellt daher regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO dar (8 Ob 119/13b). Dies gilt allerdings nur dann, wenn das Rekursgericht im Rahmen seiner Beurteilung von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen und gesetzlichen Wertungen ausgegangen ist.

Dies ist hier nicht der Fall. Die Ansicht des Rekursgerichts, dass der Erlös aus der Verwertung eines dem Schuldner gehörenden Pfandobjekts keine Leistung im Sinn des § 213 Abs 3 Z 1 KO darstelle, weil der Verwertung keine zusätzliche wirtschaftliche Anstrengung des Schuldners zur Forderungstilgung zugrunde liege, erweist sich als korrekturbedürftig.

4.1 Liegen die Billigkeitsgründe nach § 213 Abs 2 KO für eine sofortige Restschuldbefreiung nicht vor, so kann das Gericht das Abschöpfungsverfahren für beendet erklären, die Entscheidung über die Restschuldbefreiung bis zu drei Jahren aussetzen und festlegen, inwieweit der Schuldner den sich auf die 10 % Quote ergebenden offenen Forderungsbetrag einzelner oder aller Verbindlichkeiten noch erfüllen muss, damit er von den nicht erfüllten Verbindlichkeiten befreit ist (§ 213 Abs 3 KO). Die Konkursgläubiger müssen dabei nicht gleich behandelt werden. Das Gericht kann daher auch festlegen, dass nur an einzelne Gläubiger Zahlungen zu leisten sind. Kommt der Schuldner seinen vom Gericht festgelegten Verpflichtungen nach, so wird ihm hinsichtlich aller Forderungen die Restschuldbefreiung erteilt (vgl 8 Ob 57/13k). Erfüllt er auch nur eine einzige Zahlungsverpflichtung nicht, so kommt eine Restschuldbefreiung nicht in Betracht.

Dem Schuldner darf nicht mehr auferlegt werden als der sich auf 10 % der Konkursforderungen ergebende Restbetrag. Ganz allgemein (ohne Bedachtnahme auf besondere Billigkeitsgründe) ist danach zu trachten, dass innerhalb der Nachfrist eine Quote von (annähernd) 10 % erreicht wird. Je nach den konkreten Billigkeitsgründen kann es gegenüber einzelnen Gläubigern aber auch zu einem deutlichen Unterschreiten der 10 % Grenze kommen (vgl 8 Ob 107/08f; 8 Ob 51/15f; vgl auch ZIK 2010/229). Nach Mohr (Restschuldbefreiung nach Billigkeit, ZIK 2015/274, 211) sind das Unterschreiten der Mindestquote einerseits und das Gewicht der Billigkeitsgründe andererseits kommunizierende Gefäße. Auch den Zahlungszeitpunkt hat das Gericht nach Billigkeit festzusetzen. Der Zeitraum darf drei Jahre nicht übersteigen. Die Entscheidung über die zu zahlenden Beträge ist nach § 173 Abs 6 KO vollstreckbar.

Die Gründe, die bei der Billigkeitsentscheidung zu berücksichtigen sind, sind demonstrativ aufgezählt. Nach § 213 Abs 3 Z 1 KO ist zu berücksichtigen, ob der Konkursgläubiger vom Schuldner vor Konkurseröffnung oder von einem Mitschuldner oder Bürgen bereits einen Teil seiner Forderung erhalten hat. Dies ermöglicht eine Gesamtsicht über die im Rahmen des Schuldverhältnisses erbrachten Leistungen, sei es vor Konkurseröffnung vom Schuldner, sei es vor oder während des Verfahrens von Dritten, etwa von Mitschuldnern oder Bürgen. Dazu zählt etwa auch, dass gegen Hauptschuldner und Bürgen zugleich Abschöpfungsverfahren durchgeführt werden und der Gläubiger in beiden Verfahren Beträge zur Tilgung der Forderung erhalten hat (siehe dazu RV 1218 BlgNR 18. GP 35f; Mohr in Konecny/Schubert , Insolvenzgesetze § 213 KO Rz 17 ff).

Nach § 213 Abs 3 KO kann ein Grund für die Ungleichbehandlung eines Gläubigers somit darin liegen, dass er für seine Forderung über die bisher im Konkurs und im Abschöpfungsverfahren erzielte Quote hinaus Befriedigung erlangt hat, so etwa durch die teilweise Befriedigung außerhalb des Konkurses oder die Tilgung des Kapitals ohne Zinsen und Kosten (8 Ob 342/98x).

4.2 Die Mindestquote nach § 213 KO (10 % oder 50 %) muss nicht nur aufgrund von Leistungen des Schuldners erbracht worden sein. Auch Zahlungen Dritter sowie aus Anfechtungsansprüchen sind zu berücksichtigen ( Mohr in Konecny/Schubert § 213 KO Rz 5). Die Erlöse aus einem Aus- oder Absonderungsrecht sind nicht auf die Quote anzurechnen, weil diese Rechte lediglich der vorrangigen Befriedigung einzelner Gläubiger dienen. Demgegenüber soll § 213 KO (IO) sicherstellen, dass alle Insolvenzgläubiger eine bestimmte Mindestquote erhalten. Dessen ungeachtet führt die Realisierung eines Absonderungsrechts zur Verminderung der Insolvenzforderung des Absonderungsgläubigers ( Kodek , Privatkonkurs² Rz 669/1).

4.3 Aus den dargestellten Überlegungen folgt, dass zwischen Mindestquote einerseits und Gesamtforderung eines bestimmten einzelnen Gläubigers andererseits zu unterscheiden ist. Bei der Entscheidung nach § 213 Abs 3 KO handelt es sich ebenfalls um eine Billigkeitsentscheidung, bei der stets eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen ist (vgl Kodek aaO, Rz 687). Diese Entscheidung stellt auf eine Gesamtsicht der Forderungssituation beim einzelnen Gläubiger ab. Es kommt somit auf die Gesamtsicht über die im Rahmen des konkreten Schuldverhältnisses erbrachten Leistungen und damit auf den Gesamtausfall des einzelnen Gläubigers an ( Mohr in Konecny/Schubert § 213 KO Rz 19). Nach den Intentionen des Gesetzgebers sollen dabei sämtliche Leistungen zur Tilgung der jeweiligen Forderung Berücksichtigung finden, gleichgültig ob sie vor oder während des Insolvenzverfahrens geleistet wurden und gleichgültig, ob sie vom Schuldner selbst oder von dritter Seite erbracht wurden. Maßgebend ist demnach das Gesamtausmaß der Befriedigung der ursprünglichen Forderung des einzelnen Gläubigers.

Es ergibt sich somit, dass der Umstand, dass ein Gläubiger aufgrund eines Absonderungsrechts einen Großteil seiner Forderung einbringen konnte, im Rahmen der Billigkeitsentscheidung nach § 213 Abs 3 KO berücksichtigt werden kann (vgl Kodek Rz 669/1).

4.4 Mohr (Restschuldbefreiung nach Billigkeit, ZIK 2015/274, 211 [214]) meint, dass die Tatsache, dass Vermögen verwertet worden sei, generell keinen Billigkeitsgrund darstelle, setze die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens doch die Verwertung des Vermögens voraus. Daher sei wohl auch nicht maßgebend, wenn der Schuldner seine Wohnung durch Verwertung verliere. Ein Billigkeitsgrund wäre nur dann vorstellbar, wenn der Schuldner darauf verzichte, dass ihm die Mietrechte oder sonstigen Rechte nach § 5 Abs 4 IO überlassen würden und damit ein Erlös für die Masse lukriert werde.

Die von Mohr angesprochene Vermögensverwertung (§ 193 Abs 2 KO) erfolgt zugunsten aller Gläubiger; der Erlös wird nicht auf die Mindestquote angerechnet ( Mohr , Privatkonkurs² 94). Fällt der Erlös in die Masse, so wirkt sich dies zugunsten aller Gläubiger aus.

Ist ein Vermögensgegenstand mit Absonderungsrechten belastet, so führt die Pfandverwertung zu einer teilweisen Schuldtilgung zugunsten der einzelnen Absonderungsgläubiger. Gerade bei diesem Aspekt handelt es sich um einen Billigkeitsgrund nach § 213 Abs 3 Z 1 KO, zumal nach dieser Bestimmung das Gesamtausmaß der Befriedigung des jeweiligen einzelnen Gläubigers maßgebend ist. Die vorzunehmende Interessenabwägung spricht eindeutig für die Berücksichtigung der Pfandverwertung zugunsten des begünstigten Absonderungsgläubigers.

4.5 In der Entscheidung 8 Ob 51/15f wurde die Verwertung des mit Absonderungsrechten überlasteten Reihenhauses des Schuldners mit der Begründung nicht als Billigkeitsgrund qualifiziert, dass dies keinen Erlös für die Masse erbracht habe.

Die zitierte Entscheidung war von Überlegungen in Bezug auf die zu erreichende Gesamtquote (zugunsten aller Gläubiger) getragen. Mit der Frage, ob die Verwertung eines Pfandrechts im Verhältnis zum konkret berechtigten Absonderungsgläubiger einen Billigkeitsgrund im Sinn des § 213 Abs 3 Z 1 KO (IO) darstellt, hat sich diese Entscheidung nicht befasst.

5.1 Zusammenfassend ergibt sich:

Bei der Billigkeitsentscheidung nach § 213 Abs 3 Z 1 KO (IO) kommt es auf das Gesamtausmaß der Befriedigung des einzelnen Gläubigers an, weshalb grundsätzlich sämtliche Leistungen zur Tilgung der jeweiligen Forderung zu berücksichtigen sind. Dementsprechend kann auch der Umstand, dass ein Gläubiger aufgrund eines Absonderungsrechts einen Großteil seiner Forderung einbringlich machen konnte, berücksichtigt werden.

Davon ausgehend erweist sich die Billigkeitsentscheidung des Erstgerichts als zutreffend.

5.2 Die Beurteilung des Rekursgerichts hält der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof somit nicht stand. In Stattgebung des Revisionsrekurses war der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts abzuändern und die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Ein Kostenersatz findet im Insolvenzverfahren nicht statt (§ 254 Abs 1 Z 1 IO).

European Case Law Identifier

ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00007.16M.0226.000