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OGH vom 10.03.1993, 13Os21/93

OGH vom 10.03.1993, 13Os21/93

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kießwetter als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Hörburger, Dr.Massauer, Dr.Markel und Dr.Ebner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Kobler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ivica M***** wegen des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Ivica M*****, sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 6 d Vr 4645/92-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß gefaßt bzw. zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde wird gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG (Punkt 2 des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch nach dem § 37 Abs. 2 FinStrG aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner gegen die Verhängung einer Geldstrafe nach dem § 37 Abs. 2 FinStrG gerichteten Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen gegen den Strafausspruch nach dem § 12 Abs. 3 SGG wird der Akt dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am geborene, zuletzt beschäftigungslose Ivica M***** des Verbrechens nach dem § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG (Punkt 1 des Urteilssatzes) und des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt.

Darnach hat er in Wien

(zu 1) den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer großen Menge, nämlich ca. 1 kg Heroin, in Verkehr gesetzt, indem er das Suchtgift dem abgesondert verfolgten Slavisa Mi***** auf Kommission übergab, wobei er die Tat mit Beziehung auf ein Suchtgift beging, dessen Menge das 25-fache der im § 12 Abs. 1 SGG angeführten Menge überstieg;

(zu 2) durch die oben angeführte Tathandlung Sachen, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen war, an sich gebracht und verhandelt.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die Berufung richtet sich sowohl gegen den Strafausspruch nach dem § 12 Abs. 3 SGG als auch gegen die nach dem § 37 Abs. 2 FinStrG verhängte Geldstrafe.

Die Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Das Erstgericht nahm im Hinblick auf die Aussage des Zeugen Mi***** als erwiesen an, daß der Angeklagte diesen zunächst ersuchte, Abnehmer für das Suchtgift zu finden und - als der Zeuge keinen Interessenten namhaft machen konnte - ihn beauftragte, den Jovica T***** zu befragen, ob dieser einen Abnehmer hätte. In der Folge wurde die Polizei informiert, die einen verdeckten Ermittler einschaltete; bei der Übergabe des Suchtgiftes wurden Mi***** und auch der Beschwerdeführer verhaftet.

Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt der Beschwerdeführer die Abweisung des von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellten Beweisantrages auf Einvernahme der Zeugin Vesna P***** über die "angeblich von der Mutter des Angeklagten gemachte Mitteilung, daß der Zeuge Mi***** sein Geständnis widerrufen werde" (vgl. S 124).

Dieser Antrag war aber schon nach der Formulierung des Beweisthemas von vornherein ungeeignet, ein Verfahrensergebnis in Aussicht zu stellen, das die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Angaben des genannten Zeugen, der zu diesem Thema auch befragt worden war (S 122 f), in irgendeiner Weise zu erschüttern oder seine Glaubwürdigkeit zu widerlegen vermöchte.

Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Die Mängelrüge ist unbegründet.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen war von den Tatrichtern die Aussage des Zeugen Mi*****, er habe noch nie mit Drogen zu tun gehabt und auch der Umstand nicht zu erörtern, daß der Genannte dem Mittelsmann T***** den Angeklagten als Verkäufer nicht bekanntgegeben hat. Denn dies steht der Feststellung nicht entgegen, daß der Angeklagte den Zeugen Mi***** um die Verkaufsvermittlung in der oben dargestellten Weise ersuchte. Mit den Angaben des Beschwerdeführers, er habe, als es zu seiner Festnahme gekommen sei, nur bei der Lebensgefährtin des Zeugen Mi***** auf diesen gewartet, um sich Geld auszuborgen, hat sich das Gericht - dem Vorbringen in der Mängelrüge zuwider - ohnedies auseinandergesetzt (vgl. US 5/6). Ohne Bedeutung für die dem Angeklagten angelastete Tathandlung und damit nicht entscheidungswesentlich ist, ob der Zeuge Mi***** den Namen des Angeklagten sogleich oder erst nach längerem Leugnen nannte und ob der Zeuge T***** den Belastungszeugen Mi***** als "Peter" oder als "Gile" bezeichnete. Die Rüge betrifft keine entscheidende Tatsache.

Wenn der Beschwerdeführer das Urteil deshalb als unzureichend begründet bezeichnet, weil es anführe, daß er auf ungeklärte Weise in den Besitz des Suchtgifts gekommen sei, und daraus den Schluß zieht, daß die Aussage des Mi***** für den Schuldspruch nicht ausreiche, so wird damit lediglich versucht, die Verfahrensergebnisse in einem für den Angeklagten günstigeren Sinne zu deuten. Diese Ausführungen erschöpfen sich daher in einer Bekämpfung der Beweiswürdigung.

Im Hinblick auf die weitestverbreitete Kenntnis, daß Heroin in Österreich nicht erzeugt wird, ist die Annahme des Erstgerichtes, daß dieses Suchtgift nur im Wege des Schmuggels nach Österreich gelangt sein konnte (vgl. Dorazil-Harbich, Komm. zum FinStrG, § 37 E 15), und daß der Angeklagte dies auch wußte, durchaus denkrichtig und der allgemeinen Lebenserfahrung entsprechend, sodaß die Mängelrüge auch in diesem Punkte unbegründet ist.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit. a) geht nicht vom tatsächlichen Urteilssachverhalt aus, sondern bekämpft lediglich den Beweiswert der Aussage des Belastungszeugen Mi***** und behauptet, daß sich mit Ausnahme dieser Aussage im gesamten Verfahren kein Hinweis dafür ergebe, daß das Heroin vom Angeklagten stamme, sodaß vom Erstgericht ein Freispruch zu fällen gewesen wäre. Die gesetzmäßige Ausführung eines materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrundes setzt aber das Festhalten des Rechtsmittelwerbers an den Urteilsfeststellungen voraus.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet gemäß dem § 285 d Abs. 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der zitierten Gesetzesstelle iVm dem § 285 a Z 2 StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Aus Anlaß der Nichtigkeitsbeschwerde konnte sich der Oberste Gerichtshof allerdings davon überzeugen, daß das angefochtene Urteil im Schuldspruch zu Punkt 2 des Urteilssatzes wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG mit einer vom Angeklagten nicht geltende gemachten Nichtigkeit nach der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO behaftet ist.

Das Erstgericht hat zwar richtigerweise - unabhängig von der Anklage, vgl. ON 8 - eine Idealkonkurrenz zwischen dem Tatbestand des § 12 Abs. 1 und Abs. 3 Z 3 SGG und dem Finanzvergehen der Abgabenhehlerei nach dem § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG angenommen, weil das dem Angeklagten angelastete Inverkehrsetzen des Suchtgiftes im Sinne des § 12 Abs. 1, vierter Fall, SGG dem Verhandeln des § 37 Abs. 1 lit. a FinStrG entspricht. Es hat aber in der Entscheidung den für die Strafbemessung maßgebenden Verkürzungsbetrag nach dem § 37 Abs. 2 FinStrG nicht angeführt. Handelt es sich - wie hier - bei der Vortat um einen Schmuggel, so ist unter dem "Verkürzungsbetrag" nichts anderes zu verstehen als der auf die verhehlte Ware entfallende Abgabenbetrag im Sinn des § 35 Abs. 4 FinStrG (Dorazil-Harbich, aaO, § 37 E 18; zur Frage der Berechnung der auf Suchtmittel entfallenden Abgaben vgl. § 35 Anm. 15). Verkürzungsbetrag ist, wie bereits die Benennung sagt, jenes Ausmaß an Abgaben, das dem Fiskus wirklich entgangen ist, hier somit jene Zahlengröße, mit der die Abgabe festzusetzen bzw. zu berechnen gewesen wäre; er ergibt sich also aus der vorgenommenen Abgabenfestsetzung (vgl. EvBl. 1984/158). In dieser Hinsicht läßt das angefochtene Urteil jedoch jegliche Konstatierung vermissen. Auf Grundlage der erstgerichtlichen Feststellungen kann somit nicht beurteilt werden, ob der Verkürzungsbetrag überhaupt die für die Gerichtskompetenz erforderliche Höhe erreicht hat (§ 54 Abs. 2 lit. b FinStrG).

Dieser Feststellungsmangel, der Nichtigkeit im Sinne der bereits zitierten Gesetzesstelle bewirkt, war als dem Angeklagten zum Nachteil gereichend gemäß dem § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen aufzugreifen.

Da sich sohin zeigt, daß insoweit die Durchführung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst noch nicht einzutreten hat, war gemäß dem § 285 e StPO wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen. Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung gegen den Strafausspruch nach dem FinStrG war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Über die Strafberufungen bezüglich der nach dem § 12 Abs. 3 SGG verhängten Zusatzfreiheitsstrafe ist jedoch gesondert zu entscheiden, weil die Strafaussprüche für Finanzvergehen einerseits und strafbare Handlungen andererseits ungeachtet ihrer Vereinigung in einem Straferkenntnis ihre Eigenständigkeit nicht verlieren (13 Os 105/92 mit ausführlicher Begründung; Dorazil-Harbich, aaO, § 22 E 7). Zu dieser Entscheidung ist der Gerichtshof zweiter Instanz berufen (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung findet ihre Begründung in der angeführten gesetzlichen Bestimmung.