OGH vom 23.07.2019, 11Os79/19f
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger und Mag. Fürnkranz und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Binder als Schriftführer in der Strafsache gegen Lukas W***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (zweiter Fall), Abs 2, Abs 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Michal P***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 41 Hv 61/18z-143, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Aus deren Anlass wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Verfallsausspruch aufgehoben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten vorerst dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Michal P***** fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Schuldsprüche der Angeklagten Lukas W*****, Sebastian D***** und Grzegorz Wr***** enthält, wurde – soweit im Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant – Michal P***** des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (1/b) sowie des Verbrechens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 (zweiter Fall), Abs 2, Abs 3 SMG (2) schuldig erkannt.
Danach hat er (zusammengefasst wiedergegeben) in W***** vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut (beinhaltend im Ersturteil exakt ausgewiesene Mengen THCA und Delta-9-THC), Speed (beinhaltend im Ersturteil exakt ausgewiesene Mengen Amphetamin) und Ecstasy (beinhaltend im Ersturteil exakt ausgewiesene Mengen MDMA)
(1) einem anderen überlassen und zwar
b) von Oktober 2017 bis ungefähr 50 Gramm Cannabiskraut, Speed und Ecstasy in einer die Grenzmenge nicht übersteigenden Menge an Mirella U*****;
(2) in einer das Fünfzehnfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge als Mitglied einer kriminellen Vereinigung mit dem Vorsatz besessen, dass es in Verkehr gesetzt werde, und zwar am gemeinsam mit den eingangs genannten Mittätern 209 Gramm Cannabiskraut, 1.392,9 Gramm Speed und 601,5 Gramm Ecstasy.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 5a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten P*****.
Der Mängelrüge (Z 5 erster Fall – vgl RIS-Justiz RS0117995) zuwider bringen die Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit (RIS-Justiz RS0119370) unzweifelhaft zum Ausdruck, dass sämtliche Angeklagte gemeinsam das in zwei nebeneinander gelegenen Wohnungen sichergestellte (vom Schuldspruch 2 umfasste) Suchtgift mit dem Vorsatz besaßen, es in Verkehr zu setzen und daraus Gewinne zu erwirtschaften, wobei es (auch) der Beschwerdeführer, der als „Bunkerhalter“ für das gelagerte Suchtgift fungierte (US 11), ernsthaft für möglich hielt und sich damit abfand, dass das Suchtgift die Grenzmenge um das Fünfzehnfache überstieg und er selbst als Mitglied eines auf längere Zeit angelegten Zusammenschlusses von mehr als zwei Personen agierte, „der darauf ausgerichtet war, dass von einem oder mehreren Mitgliedern der Vereinigung erhebliche Straftaten nach dem Suchtmittelgesetz, und zwar die mehrmalige entgeltliche Inverkehrsetzung von Suchtgiften sowie das Verbrechen der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1, 2 und 3 SMG ausgeführt werden“ (US 8 ff).
Weshalb das Schöffengericht trotz solcherart konstatiertem Tatbeitrag und als erwiesen angenommener Mittäterschaft der vier Angeklagten (§ 12 erster Fall StGB – vgl RIS-Justiz RS0090006; Fabrizy in WK2 StGB § 12 Rz 26) weitere Feststellungen dazu hätte treffen müssen, „wie arbeitsteilig vorgegangen wurde“, „wer welche Position innehat“ oder „wie“ der Beschwerdeführer „die strafbare Handlung gefördert hat oder sonst als Mitglied der kriminellen Vereinigung tätig war“, macht die Rüge (der Sache nach Z 9 lit a) nicht klar (RIS-Justiz RS0116565; zur Tatbegehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung vgl im Übrigen Schwaighofer in WK2 SMG § 27 Rz 79 ff, Hinterhofer/Tomasits in Hinterhofer SMG2 § 27 Rz 105 ff, Matzka/Zeder/Rüdisser, SMG2§ 27 Rz 85 ff).
Indem sich die Tatsachenrüge (Z 5a – vgl RISJustiz RS0118780) gegen die tatrichterliche Würdigung der Schilderungen des Zeugen RI K***** (US 11) sowie der Zeugin U***** (US 12) wendet und auf – als unglaubwürdig eingestufte (US 10) – Angaben des Angeklagten W***** zur Unschuld des Beschwerdeführers sowie auf dessen korrespondierende (als Schutzbehauptung verworfene – US 11) leugnende Verantwortung verweist, verkennt sie die Reichweite des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0106588 [T8, T 9]).
Die gegen die „Begehung des Überlassens von Suchtgift in einer das 15fache der Grenzmenge übersteigenden Menge[l,] als Mitglied einer kriminellen Vereinigung“ gerichtete Kritik (nominell Z 9 lit a, der Sache nach Z 10) verkennt, dass ein Überlassen von Suchtgift laut Schuldspruch 1/b bloß in einer die Grenzmenge nicht übersteigenden Menge als erwiesen angenommen (US 4 und 9) und demgemäß § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG unterstellt wurde (US 5).
Soweit die weitere Rechtsrüge behauptet, das Erstgericht habe „lediglich den Gesetzeswortlaut für das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung“ angeführt und verabsäumt festzustellen, durch „welche Handlung“ der Beschwerdeführer „als Mitglied einer kriminellen Vereinigung tätig geworden ist“ und inwieweit er „im Besitz des Suchtgifts“ und „in den Tatplan eingeweiht“ war, missachtet sie die tatrichterlichen Konstatierungen zum bewussten und gewollten Zusammenwirken der vier Angeklagten als Mittäter, zum gemeinsamen Suchtmittelbesitz, zur Rolle des Beschwerdeführers als „Bunkerhalter“ (US 11) und zu den verfolgten Intentionen (US 4, 9 ff), womit sie ihren – im gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt gelegenen – Bezugspunkt verfehlt (RIS-Justiz RS0099810).
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Michal P***** war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO).
Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof jedoch von einer nicht geltend gemachten, sämtlichen Angeklagten zum Nachteil gereichenden Nichtigkeit des Ausspruchs des Verfalls von 18.460 Euro „gemäß § 20 Abs 1 StGB“ (US 6).
Abgesehen davon, dass es sich bei dem („in den Wohnungen insgesamt“ – US 14 f) sichergestellten Bargeld (vgl im Übrigen divergierend US 8 [17.000 Euro] und US 18 [18.460 Euro]) nach dem Urteilssachverhalt keineswegs um den für die Begehung der strafbaren Handlung laut Schuldspruch 2 „erwirtschafteten“ (US 10) „Erlös“ (US 15) handeln muss, ging das Schöffengericht der Sache nach von „Solidarhaftung“ der Angeklagten aus, indem es den Ausspruch nicht auf einen oder einzelne von ihnen beschränkte. Solidarhaftung ist jedoch – weil die dem Verfall unterliegenden Vermögenswerte (Abs 1), Nutzungen und Ersatzwerte (Abs 2) oder ein entsprechender Wertersatz (Abs 3) nur dem tatsächlichen Empfänger abgenommen werden dürfen – nicht vorgesehen. Sind daher Vermögenswerte mehreren Personen zugekommen, ist bei jedem Empfänger nur der von ihm tatsächlich rechtswidrig erlangte Vermögenswert im Sinn des § 20 StGB für verfallen zu erklären (RIS-Justiz RS0129964).
Die darin gelegene materiell-rechtliche Nichtigkeit (Z 11 erster Fall) führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils wie aus dem Spruch ersichtlich (§ 285e erster Satz iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).
In diesem Umfang war die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Wien zurückzuverweisen, wobei im Sinn des letzten Satzes des § 445 Abs 2 StPO der Vorsitzende des Schöffengerichts als Einzelrichter zuständig ist (RIS-Justiz RS0117920 [T1]).
Die Zuständigkeit zur Entscheidung über die (gegen den Ausspruch der über ihn verhängten Freiheitsstrafe gerichtete) Berufung des Michal P***** kommt dem Oberlandesgericht zu (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch, der die amtswegige Maßnahme nicht umfasst (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12), beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:0110OS00079.19F.0723.000 |
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