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VfGH vom 23.02.1985, b646/82

VfGH vom 23.02.1985, b646/82

Sammlungsnummer

10343

Leitsatz

ZiviltechnikerG; hinreichende Determinierung der §§19 Abs 7 und 20 Abs 1

IngenieurkammerG; hinreichende Determinierung des § 30 iZm. einschlägigen Vorschriften und gefestigter Standesübung

Art83 Abs 2 B-VG; Abänderung des Spruches des Disziplinarerk. - hier kein Entzug des gesetzlichen Richters, da kein Hinausgehen über den Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides

ZiviltechnikerG; vertretbare Ableitung aus § 19 Abs 7 iVm. § 20 ZiviltechnikerG und Punkt 7.2 der Standesregeln, daß die Beteiligung an einer Gesellschaft, deren Aufgabenkreis über die Befugnisse des Architekten bzw. des Ziviltechnikers hinausgeht, mit der Ausübung der Befugnisse eines Architekten bzw. Ziviltechnikers unvereinbar ist und schon die Errichtung einer solchen Gesellschaft die Berufs- oder Standespflichten iS § 48 Abs 1 Z 2 IKG verletzt

Art133 Z 4 B-VG; die Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer ist eine Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag iS des Art 133 Z 4 B-VG

Spruch

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den VwGH wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Mit Erk. vom erkannte der Disziplinarsenat bei der Ingenieurkammer für Wien, NÖ und Bgld., Sektion Architekten, den Bf. für schuldig, er habe

"dadurch, daß er entgegen den Bestimmungen des § 19 Abs 7 ZTG als Gründer und Geschäftsführer für eine Ges. m. b H. tätig ist, deren Geschäftsgegenstand sich mit den Befugnissen eines Architekten überschneidet bzw. eine GesmbH errichtet hat, um damit die Ziviltechnikerbefugnis auszuüben, ein Disziplinardelikt gem. § 48 Abs 1 Ziff. 1 und 2 IKG gesetzt",

und verhängte über ihn eine Geldstrafe in der Höhe des 30fachen der Zeitgrundgebühr, das sind insgesamt 11940 S (Verfahrenskosten 6432 S). Der Beschuldigte habe (mit seiner Ehegattin) eine GesmbH gegründet, die seinen Namen verbunden mit der Berufsbezeichnung Architekt trage, habe 80 vH der Anteile inne und sei Geschäftsführer der Gesellschaft, die ihre Tätigkeit noch nicht aufgenommen habe, aber aktiviert werden solle, sobald der Beschuldigte vermeine, einen Auftrag mit (für ihn als persönlich haftenden Ziviltechniker) zu großem finanziellen Risiko über sie abwickeln zu sollen. Die bei der Abwicklung eines Auftrages in einer Ziviltechnikerkanzlei nicht vermeidbaren Risken beruhten auf den gesetzlichen Bedingungen für die Ausübung der Ziviltechnikerbefugnis und dürften daher nicht negiert werden. Die Gründung einer Planungsgesellschaft durch einen Ziviltechniker sei jedenfalls ein Schaden für die Standesinteressen und daher ein Verstoß gegen die von den Standesregeln gebotene Kollegialität und die Verpflichtung, die Ingenieurkammern bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen; solche Gesellschaften seien eine ernste Konkurrenz für Ziviltechniker und jede Vermehrung ihrer Zahl schwäche die Position des Standes.

In seiner Berufung bemängelte der Bf., das Disziplinarerk. spreche nicht eindeutig aus, ob die Behörde schon die Gründung einer juristischen Person allein als Delikt ansehe. Da das ZiviltechnikerG erlaube, daß Hilfskräfte unter persönlicher Leitung des Ziviltechnikers tätig seien, könnte dessen Beteiligung an einer juristischen Person nicht für sich selbst schon ein Verstoß gegen die Berufsregeln sein. Zu verlangen, daß ein Ziviltechniker auf eine teilweise Berufsausübung im Rahmen einer juristischen Person verzichte, sei falsch verstandene Kollegialität. Eine berufsmäßige Ausführung technischer Arbeiten des einschlägigen Fachgebietes außerhalb der Befugnis eines Architekten oder Ingenieurkonsulenten habe nicht stattgefunden und sei auch nicht vorbereitet worden.

Das angefochtene Erk. der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundes-Ingenieurkammer gibt der Berufung teilweise Folge und hebt das Erk. erster Instanz

"in seinem Ausspruch, daß dem Beschuldigten auch das Tätigwerden als Gründer und Geschäftsführer einer GesmbH als Disziplinardelikt angelastet wird"

sowie im Strafausspruch auf und spricht den Beschuldigten vom Vorwurf frei, entgegen der Bestimmung des § 19 Abs 7 ZTG als Gründer und Geschäftsführer einer GesmbH tätig geworden zu sein. Für den aufrechtbleibenden Teil des Schuldspruches, nämlich (wie es im Berufungserk. in Anführungszeichen wörtlich heißt):

"daß er entgegen den Bestimmungen des § 19 Abs 7 ZTG eine GesmbH errichtete, deren Geschäftsgegenstand sich mit den Befugnissen eines Architekten überschneidet",

verhängte die Berufungsbehörde nach § 49 Abs 1 Z 2 IKG eine Geldstrafe in der Höhe von neuerlich 11940 S und erlegte ihm den Ersatz der Kosten auch des Rechtsmittelverfahrens auf (1000 S).

Die Ausübung der Befugnisse eines Architekten oder Ingenieurkonsulenten sei mit der Ausübung einer Berechtigung zur berufsmäßigen Ausführung technischer Arbeiten des einschlägigen Sachgebietes unvereinbar (§19 Abs 7 ZTG). Die Befugnis sei persönlich auszuüben (§20 ZTG). Nach Punkt 7. 1. der Standesregeln sei die Gesellschaftsbildung unter Ziviltechnikern gestattet, sofern die Bestimmungen des Gesetzes nicht verletzt und die Wahrung der aus diesem Gesetz und den Standesregeln sich ergebenden Pflichten nicht beeinträchtigt würden. Die Beteiligung berufsfremder Personen sei aber nur für einen bestimmten Personenkreis (darunter auch die Ehegattin) und nur dann zulässig, wenn sie bei Ausübung der Ziviltechnikerbefugnis nicht in Erscheinung trete (Innengesellschaft:

7.2. der Standesregeln; auch § 30 Abs 1 IKG). Als Gesellschafterin trete die Gattin des Beschuldigten aber nach außen in Erscheinung. Durch die Gründung der GesmbH habe der Beschuldigte die ihm nach § 20 Abs 1 ZTG und Punkt 7.2. der Standesregeln obliegende Verpflichtung, die Befugnis persönlich auszuüben, verletzt und außerdem gegen § 19 Abs 7 ZTG verstoßen, weil der Gegenstand der Gesellschaft auch Tätigkeiten umfasse, die zur Ausübung der Berechtigung zur berufsmäßigen Ausübung technischer Arbeiten seines Fachgebietes zählen.

Hingegen habe die GesmbH und damit auch der Beschuldigte für diese noch keine Tätigkeit entfaltet, sodaß er vom Vorwurf des Tätigwerdens freizusprechen sei.

Die gegen das Berufungserk. erhobene Beschwerde rügt die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, Gleichheit vor dem Gesetz und Freiheit der Erwerbstätigkeit sowie eines aus Art 18 B-VG abgeleiteten Rechtes auf inhaltliche Vorausbestimmung behördlichen Verhaltens.

II. Die Beschwerde ist nicht begründet.

1. Der Sache nach macht die Beschwerde mit ihrer - unter dem Blickwinkel der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte nach ständiger Rechtsprechung verfehlten - Berufung auf Art 18 B-VG die Verfassungswidrigkeit nicht näher bezeichneter Bestimmungen des IngenieurkammerG (Abschnitt V: Ahndung von Pflichtverletzungen) wegen Unbestimmtheit, allenfalls die Gesetzwidrigkeit von Bestimmungen der Standesregeln geltend, die von der Bundeskammer gemäß § 30 Abs 1 ZTG durch V erlassen wurden.

Der VfGH hat aber gegen die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden generellen Normen keine Bedenken:

§19 ZiviltechnikerG, BGBl. 146/1957, untersagt den Architekten, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieuren jede Tätigkeit, welche mit der Ehre und Würde des Standes unvereinbar ist oder durch welche die Vertrauenswürdigkeit bei der Führung ihrer Geschäfte oder die Glaubwürdigkeit ihrer urkundlichen Ausfertigungen erschüttert werden kann (Abs1); mit der Ausübung einer Berechtigung zur berufsmäßigen Ausführung technischer Arbeiten des einschlägigen Fachgebietes ist die Ausübung der Befugnis eines Architekten oder Ingenieurkonsulenten unvereinbar (Abs7). Architekten, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieure haben diese Befugnis persönlich auszuüben; sie sind berechtigt, fachlich geeignete Hilfskräfte unter ihrer persönlichen Leitung und Verantwortung zu beschäftigen (§20).

§30 IngenieurkammerG, BGBl. 71/1969, beruft die Bundeskammer, unter Bedachtnahme auf das Ansehen und die Würde des Standes die Berufs- und Standespflichten der Ziviltechniker durch V - die sogenannten Standesregeln - festzulegen. Die Standesregeln haben insbesondere Bestimmungen zu enthalten über die Unzulässigkeit von Tätigkeiten, von Arbeitsgemeinschaften sowie von Gesellschafts- und Dienstverhältnissen, die mit der beruflichen Tätigkeit eines Ziviltechnikers oder mit dem Ansehen und der Würde des Standes unvereinbar sind (Z1). Punkt 7 der hier maßgeblichen Standesregeln (abgedruckt bei Pany - Schwarzer, Ziviltechnikerrecht, 1981, 99 ff.) lautet:

"7. Gesellschaftsbildung

7.1. Jede rechtlich mögliche Gesellschaftsbildung unter Ziviltechnikern ist gestattet, sofern die Bestimmungen des Ziviltechnikergesetzes nicht verletzt werden und die Wahrung der sich aus diesem Gesetz und den Standesregeln ergebenden Verpflichtungen nicht beeinträchtigt wird.

7.2. Die Beteiligung von berufsfremden Personen gegen Einbringung ihrer Arbeitskraft, von Geld- oder Sacheinlagen an dem Gewinn aus Ziviltechnikertätigkeit oder die Beteiligung von berufsfremden Personen an Ziviltechnikergesellschaften darf in Ausübung der Ziviltechnikerbefugnis nicht in Erscheinung treten (Innengesellschaft) und ist nur zulässig, wenn es sich bei den berufsfremden Personen um die Ehegatten und die Kinder beteiligter Ziviltechniker oder um die Ehegatten und die Kinder ehemaliger Ziviltechniker, deren Kanzlei übernommen wird oder übernommen wurde, handelt."

Nach § 48 Abs 1 Z 2 IKG machen sich Ziviltechniker ua. eines Disziplinarvergehens schuldig, wenn sie die Berufs- oder Standespflichten verletzen, zu deren Einhaltung sie nach dem ZiviltechnikerG oder nach anderen Vorschriften verpflichtet sind. Disziplinarstrafe ist ua. die Geldstrafe bis zur Höhe des 200fachen der jeweils in den Gebührenordnungen für die Kanzleileistung festgesetzten Zeitgebühr je Stunde (§49 Abs 1 Z 2 IKG).

Die bel. Beh. stützt ihren Schuldspruch auf § 19 Abs 7 ZTG und zieht zur Begründung außerdem noch § 20 Abs 1 ZTG und Punkt 7.2. der Standesregeln heran. § 19 Abs 7 und § 20 Abs 1 ZTG sind gewiß nicht unbestimmt. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung zur Frage der Bestimmtheit berufsrechtlicher Disziplinarvorschriften (VfSlg. 7907/1976 und der dort genannten Vorjudikatur sowie VfSlg. 8349/1978) hält der Gerichtshof aber auch § 30 IKG für bestimmt genug, iZm. einschlägigen Vorschriften und gefestigter Standesübung das Verhalten der Behörde in die vom Gesetzgeber gewünschte Richtung zu leiten. Insbesondere in bezug auf die - aus der Sicht des vorliegenden Falles allein in Betracht kommende - Frage der Bildung von Gesellschaften hat der Gerichtshof keines Zweifel, daß Punkt 7.2. der Standesregeln dem die persönliche Berufsausübung fordernden Gesetz entspricht.

Der Gerichtshof kann daher nicht finden, daß der Bf. durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen in seinen Rechten verletzt worden wäre.

2. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sieht der Bf. offenbar deshalb für verletzt an, weil die ihm zur Last gelegte Tat nicht unter § 19 Abs 7 ZTG subsumiert werden könne und seine Bestrafung daher gegen den Grundsatz "nulla poena sine lege" verstieße. Ob ein Sachverhalt aber einem bestimmten Disziplinarstraftatbestand zu Recht unterstellt wurde, ist keine Frage des Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter. Es ist die Aufgabe der zuständigen Behörde, den festgestellten Sachverhalt anhand der gesetzlichen Tatbestände zu beurteilen.

Zu prüfen ist nur, ob das in Rede stehende Grundrecht vielleicht dadurch verletzt wurde, daß die Berufungsbehörde in einer Angelegenheit entschieden hat, die nicht Gegenstand der Entscheidung der Unterinstanz war (zB VfSlg. 8176/1977 und VfSlg. 8886/1980). Weicht doch der Wortlaut des nach dem Berufungserk.

aufrechtbleibenden Teiles des Disziplinarerk. ("... eine GesmbH

errichtet hat, um damit die Ziviltechnikerbefugnis auszuüben")

erheblich von dem ab, was das Berufungserk. wörtlich als

aufrechtbleibend anführt ("... eine GesmbH errichtete, deren

Geschäftsgegenstand sich mit den Befugnissen eines Architekten überschneidet").

Eine Gegenüberstellung der Sprüche beider Bescheide zeigt indessen, daß der Behörde lediglich ein Versehen unterlaufen ist, das ihren Akt allenfalls mit Rechtswidrigkeit belasten mag, den Vorwurf einer Auswechslung des Berufungsgegenstandes aber nicht rechtfertigt: Sie hat der Sache nach anstelle der Worte "als Gründer und Geschäftsführer für eine GesmbH tätig" unter Streichung des Vorwurfs der Tätigkeit die Worte "eine GesmbH errichtet" gebraucht und damit den Spruch des Disziplinarerk. im ersten Punkt abgeändert, dessen zweiten Punkt ("errichtet, um ... auszuüben") dann aber fallengelassen. gelassen. Da man das Tätigwerden "als Gründer" einer GesmbH jedenfalls im vorliegenden Zusammenhang ohne weiteres als deren "Errichtung" bezeichnen kann, ist die Berufungsbehörde nicht über den Gegenstand des erstinstanzlichen Bescheides hinausgegangen.

3. Eine Gleichheitsverletzung oder eine Verletzung im Recht auf freie Erwerbstätigkeit käme bei der Unbedenklichkeit der angewendeten generellen Normen nur in Betracht, wenn der Behörde der Vorwurf der Willkür oder der denkunmöglichen Gesetzesanwendung gemacht werden könnte. Es ist aber vertretbar, aus § 19 Abs 7 iVm. § 20 ZTG und Punkt

7.2. der Standesregeln abzuleiten, daß die Beteiligung an einer (nach außen in Erscheinung tretenden) Gesellschaft, deren Aufgabenkreis über die Befugnisse des Architekten bzw. des Ziviltechnikers hinausgeht, mit der Ausübung der Befugnisse eines Architekten bzw. Ziviltechnikers unvereinbar ist und schon die Errichtung einer solchen Gesellschaft die Berufs- oder Standespflichten iS des § 48 Abs 1 Z 2 IKG verletzt. Nach dem in der Wr. Zeitung kundgemachten Unternehmensgegenstand ist es denkmöglich, anzunehmen, daß dem Bf. ein solches Verhalten zur Last fällt.

Die behaupteten Grundrechtsverletzungen liegen also offenkundig nicht vor. Da auch sonst keine vom VfGH wahrzunehmende Rechtswidrigkeit hervorgekommen ist, muß die Beschwerde abgewiesen werden (§19 Abs 4 Z VerfGG).

III. Eine Abtretung der Beschwerde an den VwGH kommt nicht in Betracht, weil die Angelegenheit nach Art 133 Z 4 B-VG von der Zuständigkeit des VwGH ausgeschlossen ist: Nach § 51 IKG ist der Vorsitzende des Spruchkörpers der Kollegialbehörde ein Richter (Abs2), sind ihre Mitglieder an keine Weisungen gebunden und unterliegen ihre Erk. nicht der Aufhebung oder Abänderung im Verwaltungsweg (Abs5); die Anrufung des VwGH ist auch nicht ausdrücklich für zulässig erklärt (vgl. auch VwGH Z 179/80 vom ).