VfGH vom 30.09.1982, b646/78
Sammlungsnummer
9519
Leitsatz
EStG 1972; keine Bedenken gegen § 67 Abs 1; Versagung der Begünstigung nach dieser Gesetzesstelle für in monatlichen Teilbeträgen ausbezahlte Urlaubszuschüsse und Weihnachtsremunerationen - keine gleichheitswidrige Anwendung
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführer sind Dienstnehmer der V. Consulting Engineers Gesellschaft mbH (im folgenden: V-Consulting). Bei einer beim Dienstgeber durchgeführten Lohnsteuerprüfung betreffend den Zeitraum vom bis wurde festgestellt, daß die Urlaubszuschüsse und Weihnachtsremunerationen den Dienstnehmern in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen zusammen mit den laufenden Bezügen ausbezahlt worden waren, wobei die Teilbeträge an Urlaubszuschüssen und Weihnachtsremunerationen auf den Lohnzetteln jeweils als solche gesondert ausgewiesen wurden.
Das Finanzamt nahm diese Feststellungen der Lohnsteuerprüfung zum Anlaß, die von der V-Consulting vorgenommene steuerbegünstigende Qualifikation der Urlaubszuschüsse und Weihnachtsremunerationen als sonstige Bezüge nach § 67 Abs 1 EStG 1972 zu verwerfen und der Besteuerung als Bestandteile der laufenden Bezüge zu unterziehen. Dies führte zur Geltendmachung der Haftung der V-Consulting für die richtige Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer und zur bescheidmäßigen Nachforderung der nicht (zuwenig) einbehaltenen Lohnsteuer für den Zeitraum bis gemäß § 82 Abs 1 EStG 1972.
Gegen diesen Bescheid des Finanzamtes erhob die V-Consulting Berufung, der 41 Dienstnehmer der V-Consulting, darunter die Beschwerdeführer dieses verfassungsgerichtlichen Verfahrens, gemäß § 257 Abs 1 BAO beitraten. Mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Sbg. vom wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid erhob die V-Consulting Beschwerde an den VwGH, der diese Beschwerde mit Erk. vom , Z 3394/1978, als unbegründet abwies.
2. Einige der dem finanzbehördlichen Berufungsverfahren beigetretenen Dienstnehmer erheben gestützt auf Art 144 B-VG gegen den genannten Bescheid der Finanzlandesdirektion für Sbg. vom Beschwerde an den VfGH; in dieser wird die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde hat in einer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der VfGH hat erwogen:
1. Die Beschwerdeführer stützen ihre Beschwerdelegitimation auf ihren Beitritt zur Berufung ihres Dienstgebers im Abgabenverfahren. Gemäß § 257 Abs 1 BAO können Arbeitnehmer einer Berufung des als Haftenden für die Lohnsteuer in Anspruch genommenen Arbeitgebers beitreten (vgl. ). Wer einer Berufung beigetreten ist, kann nach Abs 2 die gleichen Rechte geltend machen, die dem Berufungswerber zustehen. Dem Beigetretenen kommt auch die Berechtigung zur Beschwerdeerhebung bei den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechts zu (vgl. Stoll, Bundesabgabenordnung-Handbuch, Wien 1980, 636 unter Berufung auf ).
Die Beschwerdeführer sind daher zur Erhebung der Beschwerde legitimiert. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen gegeben sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. Der angefochtene Bescheid stützt sich in materiellrechtlicher Hinsicht auf Bestimmungen des Einkommensteuergesetzes 1972 und verneint für die in Rede stehenden Urlaubszuschüsse und Weihnachtsremunerationen deren Eigenschaft als sonstige Bezüge iS des § 67 Abs 1 EStG 1972.
§67 Abs 1 EStG 1972 lautet in der für Lohnzahlungszeiträume, die im Jahre 1973 enden, anzuwendenden Stammfassung des EStG 1972, BGBl. 440/1972:
"§67. (1) Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), so beträgt die Lohnsteuer, soweit die sonstigen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres 5000 S übersteigen,
in der Steuergruppe A ................................... 8 v.H.,
in der Steuergruppe B ................................... 6 v.H.,
in der Steuergruppe B mit Kinderabsetzbeträgen
für eine Person ......................................... 2 v.H.,
für zwei Personen ....................................... 1 v.H.,
für mehr als zwei Personen .............................. 0 v.H.
Den Freibetrag von 5000 S darf nur der Arbeitgeber beim Steuerabzug vom Arbeitslohn berücksichtigen, bei dem die Erste Lohnsteuerkarte oder die Dauerlohnsteuerkarte vorliegt."
Für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden, tritt gemäß der Nov. BGBl. 27/1974 an die Stelle des Betrages von 5.000 S der Betrag von 8.500 S; ab der Nov. BGBl. 469/1974 wurde mit Wirksamkeit für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem enden, die Differenzierung in die Steuergruppe A und B beseitigt; diese Änderungen sind im gegebenen Zusammenhang jedoch nicht von Belang.
3. Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des VfGH (zB VfSlg. 8823/1980) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewendeten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Gegen die angewendeten Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides werden von den Beschwerdeführern verfassungsrechtliche Bedenken nicht vorgebracht. Auch beim VfGH sind unter dem Blickwinkel des vorliegenden Beschwerdefalles angesichts der bisherigen Rechtsprechung zu den hier maßgeblichen Fragen verfassungsrechtliche Bedenken nicht entstanden (vgl. zu den entsprechenden Regelungen in § 67 Abs 1 und 3 EStG 1953 VfSlg. 3595/1959 und 4537/1963 sowie zu dem ähnlich lautenden § 67 EStG 1967 VfSlg. 6874/1972).
Die gegen den Vollzug erhobenen Vorwürfe der Beschwerde sind jedoch unbegründet:
a) Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zB 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), so ist die Lohnsteuer nicht ausgehend vom Tarif des § 33 EStG 1972, sondern nach festen Sätzen zu bemessen, soweit die sonstigen Bezüge innerhalb eines Kalenderjahres 5.000 S (BGBl. 440/1972) bzw. 8.500 S (BGBl. 27/1974) übersteigen und innerhalb der durch Abs 2 gezogenen Grenzen (sog. "Sechstelregelung") liegen.
Nach dem im Verfahren unbestritten gebliebenen Sachverhalt erhielten die Beschwerdeführer im hier maßgebenden Zeitraum von ihrem Arbeitgeber (der V-Consulting) auf Grund arbeitsrechtlicher Regelungen neben dem laufenden Arbeitslohn Urlaubszuschüsse und Weihnachtsremunerationen. Diese Urlaubszuschüsse und Weihnachtsremunerationen wurden nicht (wie im Kollektivvertrag vorgesehen) jeweils in einem Betrage, sondern in zwölf gleichen monatlichen Teilbeträgen mit dem jeweiligen laufenden Arbeitslohn ausbezahlt, wobei diese Beträge in den Lohnzetteln ausdrücklich als "Urlaubszuschuß" bzw. "Weihnachtsremunerat" bezeichnet und gesondert ausgewiesen wurden.
Die belangte Behörde nahm diesen Auszahlungsmodus zum Anlaß, den ausbezahlten Urlaubszuschüssen und Weihnachtsremunerationen die Eigenschaft als sonstige Bezüge iS des § 67 Abs 1 EStG 1972 abzusprechen und sie dem Tarif des § 33 EStG 1972 zu unterwerfen. Sie begründete diese Vorgangsweise im wesentlichen wie folgt:
"Die Begriffe 'laufender' und 'sonstiger' Bezug werden im Gesetz nicht definiert. Lehre und Rechtsprechung stellen bei der Abgrenzung auf die Bindung an den Lohnzahlungszeitraum ab. Als laufender Arbeitslohn sind danach die für regelmäßige Lohnzahlungszeiträume flüssig gemachten Bezüge zu verstehen ( Zl. 3548/54). Das Wesen des sonstigen Bezuges ist hingegen durch einen Lohnteil charakterisiert, den der Arbeitgeber neben, also zusätzlich zum laufenden Bezug zahlt, wobei dies aus äußeren Merkmalen ersichtlich sein muß ( Zl. 679/75). Sonstige Bezüge müssen durch vertragliche Festsetzung und tatsächliche Auszahlung deutlich von den laufenden Bezügen zu unterscheiden sein ( Zl. 1157/68). Es genügt daher nicht allein, daß die in Rede stehenden Bezüge iS des von der Berufungswerberin zitierten Erk. vom , Zl. 1073/53, vom laufenden Arbeitslohn verschieden sind. Der Kreis der mit den festen Steuersätzen zu versteuernden Bezüge ist auch nach einem äußeren Merkmal, nämlich danach abgegrenzt, ob sie einmalig oder doch ausnahmsweise gewährt werden; werden sie laufend gewährt, dann kann ihnen der Charakter sonstiger Bezüge iS des § 67 Abs 1 EStG 1972 nicht zugebilligt werden, gleichgültig ob der Anlaß zu ihrer regelmäßigen Flüssigmachung ein besonderer ist oder nicht ( Zl 2321/55). Denn in diesem Falle werden solche Bezüge, da sie zusammen mit den in regelmäßige Lohnzahlungszeiträume fallenden Bezügen ausgezahlt werden, von den Beteiligten selbst wie laufende Bezüge behandelt und sind daher auch lohnsteuerlich den laufenden Bezügen zuzurechnen ( Zl. 665/57)."
In Beantwortung eines Vorbringens in der Berufung führte die belangte Behörde weiters an: Es könne zwischen sonstigen Bezügen "kraft Zahlungsart" und solchen "kraft Anordnung" unterschieden werden, wobei die unter § 67 Abs 1 EStG 1972 fallenden sonstigen Bezüge zu jenen "kraft Zahlungsart" und die in den Abs 3 bis 8 des § 67 EStG 1972 erschöpfend aufgezählten zu jenen "kraft Anordnung" zu rechnen seien. Der Ansicht, die beispielsweise Anführung des 13. und des 14. Monatsgehaltes und der Belohnungen im Gesetzestext mache diese Bezugsteile zu sonstigen Bezügen kraft Anordnung, könne sich die Rechtsmittelbehörde nicht anschließen.
Die Beschwerdeführer halten dieser Argumentation entgegen, daß es eine Verletzung des Gleichheitssatzes darstelle, "wenn ein Arbeitslohn von 14 Monatsbezügen ungleich behandelt werde danach, ob der Jahresarbeitslohn in zwölf laufenden Monatsbezügen und in zwei weiteren, jeweils einmal flüssig gemachten Beträgen ausgezahlt wird oder aber ebenfalls in zwölf Monatsbeträgen unter laufender Bevorschussung des kollektivvertraglich zustehenden 13. und 14. Bezuges, doch bei entsprechender Ersichtlichmachung der Anteile dieser sonstigen Bezüge im Lohnzettel".
b) Mit diesem Einwand sind sie jedoch nicht im Recht:
Schon in dem die Sachlichkeit einer solchen Regelung insbesondere im Verhältnis zur Besteuerung von Einkünften aus selbständiger Arbeit erörternden Erk. Slg. 6874/1972 hat der Gerichtshof ausgesprochen, die Begünstigung des § 67 EStG 1967 sei "wesentlich mit dem Unterschied von laufenden Bezügen und sonstigen, insbesondere einmaligen Bezügen ... verknüpft". Sie beruht offenbar auf der Überlegung, daß nicht laufend ausbezahlte Bezüge aus unselbständiger Arbeit im Rahmen der Gebarung des Steuerpflichtigen eine besondere Aufgabe erfüllen. Sie dienen - wie das gerade bei Bezügen vom Typus des Urlaubszuschusses oder der Weihnachtsremuneration schon in ihrer Zwecksetzung und Benennung zum Ausdruck kommt - typischerweise der Befriedigung unregelmäßig oder doch nur in großen Abständen auftretender erhöhter Bedürfnisse, für die der unselbständig Erwerbstätige aus laufendem Einkommen meist nur unzureichend Vorsorge treffen kann. Wenn der Gesetzgeber solche Bezüge begünstigt, überschreitet er den Rahmen des ihm zustehenden rechtspolitischen Ermessensspielraumes nicht. Unterscheidet die der Rechtsprechung des VwGH folgende Auslegung der Behörde daher nach dem Auszahlungsmodus und versagt sie einem Bezug die Begünstigung, der "mit dem laufenden Arbeitslohn wie dieser ausgezahlt wird" (), so unterstellt sie dem Gesetz keinen gleichheitswidrigen Inhalt. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß der Arbeitgeber mit dem gesonderten Ausweis der in Rede stehenden Zahlungen einem Gebot des einschlägigen Kollektivvertrages Rechnung zu tragen sucht (das - gemessen an seiner arbeitsrechtlichen Zielsetzung - auch erfüllt sein mag), weil laufender Arbeitslohn nicht durch Erklärung oder Übereinkunft in einen sonstigen Bezug iSd § 67 EStG verwandelt werden kann.
Da das Verfahren auch keinen Anhaltspunkt für ein willkürliches Verhalten der Behörde ergeben hat, sind die Beschwerdeführer nicht im Gleichheitsrecht verletzt worden.
III. Nach dem Gesagten erübrigen sich nähere Ausführungen darüber, daß die belangte Behörde das Gesetz auch denkmöglich angewendet und daher die Beschwerdeführer nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt hat.
Da auch sonst keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hervorgekommen ist, ist die Beschwerde abzuweisen.