OGH 01.09.1999, 9ObA225/99z
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sejdo S*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Manfred Thorineg, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Ursula S*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger ua, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 415.460,21 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 81/99g-46, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 9 Cga 24/98y-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Akten werden dem Berufungsgericht zur amtswegigen Berichtigung des Urteils vom durch Beisetzen des Ausspruches, ob die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig ist, zurückgestellt.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt von der Beklagten S 415.460,21 (Lohn, Sonderzahlungen, Urlaubsentschädigung, Abfertigung, Kündigungsentschädigung) und brachte vor, unberechtigt entlassen worden zu sein.
Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Sie wendete ein, daß zwischen den Streitteilen kein Arbeitsverhältnis bestanden habe. In Wahrheit habe sie ihren Gastbetrieb dem Kläger verpachtet und ihn - weil er über keine Gastgewerbekonzession verfüge - vereinbarungsgemäß nur zum Schein gegenüber Finanzamt, Gewerbebehörde und Gebietskrankenkasse als Arbeitnehmer geführt.
Das Erstgericht folgte dem Vorbringen der Beklagten und wies das Klagebegehren ab.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil, wobei es - ohne dies zu begründen - einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision unterließ.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 46 Abs 1 ASGG ist die Revision in den dem ASGG unterliegenden Rechtssachen nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Nach der hier allein in Betracht kommenden Z 1 des Abs 3 der zitierten Bestimmung ist die Revision in Verfahren über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch bei Fehlen dieser Voraussetzungen zulässig, wenn der Streitgegenstand über den das Berufungsgericht entschieden hat, insgesamt 52.000 S übersteigt oder wenn der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses strittig ist. Verfahren über die Beendigung von Arbeitsverhältnissen im Sinne des § 46 Abs 3 Z 1 ASGG sind solche, in denen es um die Berechtigung oder um die Art der Beendigung geht, wobei es allerdings nicht erforderlich ist, daß diese Frage als Hauptfrage zu klären ist. Es muß sich aber um eine Rechtsstreitigkeit handeln, in der die Frage der (auch der Art der) Beendigung des Arbeitsverhältnisses für den Bestand des daran geknüpften Leistungsanspruches eine Rolle spielt (9 ObA 351/98b; 9 ObA 253/98s; RIS-Justiz RS0085924; zuletzt 8 ObA 50/99g).
Ob oder wie ein Dienstverhältnis beendet wurde bzw ob ein solches fortbesteht, steht aber im hier zu beurteilenden Verfahren nach dem beiderseitigen Parteienvorbringen nicht in Frage. Strittig ist vielmehr, ob zwischen den Parteien überhaupt je ein Dienstverhältnis bestanden hat. Ein Fall des § 46 Abs 3 ASGG liegt daher nicht vor (9 ObA 263/97k; 9 ObA 271/97m; 8 ObA 50/99g). Die Unterlassung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision stellt somit eine offenbare Unrichtigkeit dar, die nach § 419 ZPO berichtigt werden kann und muß (RIS-Justiz RS0085678; zuletzt 8 ObA 50/99g).
Sollte das Berufungsgericht aussprechen, daß die Revision nicht zulässig ist, wäre die bereits erstattete Revision dem Rechtsmittelwerber nach § 84 ZPO zur Verbesserung durch Anführung der im § 506 Abs 1 Z 5 ZPO bei einer außerordentlichen Revision vorgeschriebenen gesonderten Gründe zurückzustellen (Petrasch, ÖJZ 1985, 257 ff [300]).
Gemäß § 11a Abs 3 Z 1 ASGG hat der Oberste Gerichtshof ua in Angelegenheiten nach dem Abs 1 Z 3 und 4 leg cit durch einen Dreiersenat (§ 7 des Bundesgesetzes über den Obersten Gerichtshof) zu entscheiden. Zu den Angelegenheiten des § 11a Abs 1 Z 3 gehört auch "die Berichtigung von Urteilen und Beschlüssen (§§ 419, 430 ZPO)". Auch für den hier der zweiten Instanz erteilten Auftrag zur Berichtigung der Berufungsentscheidung ist daher der Dreiersenat zuständig (RIS-Justiz RS0108754; zuletzt 8 ObA 50/99g).
Entscheidungstext
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Ministerialrat Dr. Robert Göstl und Werner Bayer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sejdo S*****, Arbeiter, *****, vertreten durch Dr. Manfred Thorineg, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Ursula S*****, Hausfrau, *****, vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger ua, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 415.460,21 brutto sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Berichtigungsbeschluss des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 81/99g-52, und die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 81/99g-46, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
1) Der Rekurs gegen den Berichtigungsbeschluss des Berufungsgerichtes vom wird zurückgewiesen.
2) Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508 a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 46 Abs 1 ASGG zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Rechtliche Beurteilung
Zum Rekurs gegen den berufungsgerichtlichen Berichtigungsbeschluss:
Mit diesem Beschluss hat das Berufungsgericht über Auftrag des Obersten Gerichtshofes das Berufungsurteil vom , das keinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision nach § 46 Abs 1 ASGG enthielt, durch Beisetzung des Ausspruchs, dass die Revision nicht zulässig sei, berichtigt.
Aus Anlass dieser Berichtigung wurde dem Revisionswerber vom Berufungsgericht aufgetragen, die bereits vorher erstattete "ordentliche Revision" gegen das Berufungsurteil durch Anführung der in § 506 Abs 1 Z 5 ZPO bei einer außerordentlichen Revision vorgeschriebenen gesonderten Gründe zu verbessern.
Im daraufhin vom Revisionswerber eingebrachten Schriftsatz entsprach er diesem Auftrag und vertrat im übrigen die Auffassung, dass im Hinblick auf den Streitwert die ordentliche Revision zulässig sei. Zudem erklärte er, den Berichtigungsbeschluss des Berufungsgerichtes anzufechten, weil ein derartiger Beschluss nach Erhebung der Revision nicht mehr zulässig sei; er beantrage daher diesen Beschluss ersatzlos zu beheben bzw. die Revision zuzulassen.
Die Unrichtigkeit des Ausspruchs, ob die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig ist, kann gemäß § 45 Abs 1 ASGG nur in einer außerordentlichen Revision bzw. in der Beantwortung einer solchen geltend gemacht werden. Die Ausführungen des Revisionswerbers, die Revision sei zuzulassen, sind daher der (mit dem in Rede stehenden Schriftsatz verbesserten) außerordentlichen Revision zuzuordnen und im Rahmen ihrer Erledigung zu behandeln.
Der Revisionswerber macht aber auch geltend, dass der Berichtigungsbeschluss in diesem Stadium des Verfahrens gar nicht hätte gefasst werden dürfen und daher ersatzlos zu beheben sei. Insofern kommt - weil es dabei nicht um die inhaltliche Unrichtigkeit des Zulassungsausspruchs geht - § 45 Abs 1 ASGG nicht zum Tragen. Vielmehr liegt in diesen Ausführungen eine Bekämpfung des berufungsgerichtlichen Berichtigungsbeschlusses, die als Rekurs aufzufassen ist.
Dieser Rekurs ist aber nicht zulässig, weil vom Berufungsgericht gefasste Beschlüsse, die in § 519 Abs 1 ZPO nicht aufgezählt sind, absolut unanfechtbar sind. Dies gilt auch für Beschlüsse des Berufungsgerichtes auf Urteilsberichtigung (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 2 zu § 519 mwN).
Der Rekurs war daher zurückzuweisen.
Zur außerordentlichen Revision:
Ob oder wie ein Arbeitsverhältnis beendet wurde bzw ob ein solches fortbesteht, steht nach dem beiderseitigen Parteienvorbringen nicht in Frage. Strittig ist vielmehr, ob zwischen den Parteien überhaupt je ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Da somit kein Fall des § 46 Abs 3 ASGG gegeben ist (9 ObA 263/97k; 9 ObA 271/97m; 8 ObA 50/99g), ist die Zulässigkeit der Revision vom Vorliegen einer iS § 46 Abs 1 ASGG erheblichen Rechtsfrage abhängig (siehe dazu ausführlich den in diesem Verfahren ergangenen Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom ). Eine solche Rechtsfrage zeigt der Revisionsweber nicht auf.
Mängel des Verfahrens erster Instanz (hier: Unterbleiben einer Aufforderung an die Beklagte, die Bilanz vorzulegen), die - wie hier - nicht Gegenstand der Berufung waren, können mit Revision nicht mehr geltend gemacht werden (SZ 66/95 uva). Dass im Unterbleiben einer Aufforderung an die Beklagte, "die Buchhaltung" vorzulegen, kein Verfahrensmangel liegt, hat bereits das Berufungsgericht ausgeführt. Von der zweiten Instanz verneinte Verfahrensmängel können in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 3 zu § 503).
Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Im Gegensatz zur Meinung des Revisionswerbers hat das Erstgericht klare und unmissverständliche Feststellungen über die Vereinbarungen der Streitteile getroffen. Soweit der Revisionswerber mit seinen Ausführungen von diesen Feststellungen abweicht, ist darauf nicht einzugehen. Der tatsächlich festgestellte Sachverhalt wurde von den Vorinstanzen zu Recht dahin beurteilt, dass die Streitteile kein Arbeitsverhältnis begründen, sondern ein solches - im Hinblick auf die mangelnde Gewerbeberechtigung des Klägers - lediglich vortäuschen wollten. Auch die tatsächliche Abwicklung der Vertragsbeziehung - der Kläger bezog kein Gehalt, sondern zahlte (wenn auch manchmal als "Honorar" bezeichnete) Pachtzinse, war weisungsungebunden und beschäftigte (und honorierte) selbst die von ihm benötigten Arbeitnehmer - stimmt mit dieser Vereinbarung überein. Dass der Kläger bei der Gebietskrankenkasse als Arbeitnehmer angemeldet war, entspricht der Absicht der Streitteile, das Bestehen eines solchen Verhältnisses vorzutäuschen. Entscheidend ist aber nicht, welches Vertragsverhältnis die Streitteile vortäuschten und nach außen deklarierten (9 ObA 8/99p), sondern was sie tatsächlich wollten, vereinbarten und praktizierten (Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht4 117f). Damit ist aber das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis keineswegs "unklar", sondern - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - als Pachtverhältnis zu qualifizieren.
Soweit der Revisionswerber die Unwirksamkeit der vom Erstgericht festgestellten mündlichen Übereinkunft mit einem schriftlichen Vertrag begründet, in dem die Wirksamkeit von Nebenabreden von der Einhaltung der Schriftform abhängig gemacht wird, meint er offenbar - Feststellungen, aber auch Behauptungen dazu fehlen - den von der Beklagten mit dem Vorpächter abgeschlossenen Vertrag. Dieser kann aber von vornherein der Wirksamkeit der später mit dem Kläger geschlossenen mündlichen Vereinbarung nicht entgegenstehen.
Dass die Vorinstanzen "mit Augenzwinkern" gesetzwidrige Handlungen geduldet hätten, ist unrichtig. Richtig ist nur, dass die Streitteile zur Umgehung gewerberechtlicher Vorschriften ein tatsächlich nicht gewolltes und auch nicht praktiziertes Arbeitsverhältnis vortäuschten. Die Verneinung der vom Kläger aus diesem nur vorgetäuschten Arbeitsverhältnis abgeleiteten Entgeltansprüche bedeutet keine Billigung gesetzwidriger Verhaltensweisen.
Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Die Ausnahmebestimmung des § 508a Abs 2 ZPO, wonach eine vor Zustellung der Freistellungsmitteilung erstattete Revisionsbeantwortung im Falle der Verwerfung der außerordentlichen Revision nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gilt, kommt hier nicht zum Tragen. Das Berufungsgericht hatte nämlich in seine (insofern erst nachträglich berichtigte) Entscheidung keinen Ausspruch über die Zulässigkeit aufgenommen, offenbar weil es - zu Unrecht - die Voraussetzungen des § 46 Abs 3 Z 1 ASGG als gegeben erachtet hatte (8 ObA 182/97s). Der Kläger hatte sein Rechtsmittel daher zunächst als ordentliche Revision ausgeführt. Trotzdem waren der Beklagten keine Kosten für die Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat (9 Ob 75/99s; 8 ObA 36/97w uva).
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Rechtsgebiet | Zivilrecht |
ECLI | ECLI:AT:OGH0002:1999:009OBA00225.99Z.0901.000 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
FAAAE-06087