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OGH vom 10.05.2012, 13Os21/12f

OGH vom 10.05.2012, 13Os21/12f

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Marek sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wohlmuth als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz V***** wegen des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach §§ 15, 207 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Schöffengericht vom , GZ 52 Hv 27/11h 31, sowie die Beschwerde des Angeklagten gegen den unter einem gefassten Beschluss auf Widerruf einer bedingten Strafnachsicht nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz V***** des Vergehens der sittlichen Gefährdung von Personen unter sechzehn Jahren nach § 208 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am in B***** eine Handlung, die geeignet ist, die sittliche, seelische oder gesundheitliche Entwicklung von Personen unter sechzehn Jahren zu gefährden, vor einer unmündigen Person vorgenommen, um sich dadurch geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen, indem er vor dem am geborenen David R***** an seinem nackten Penis manipulierte und ihm dabei zuzwinkerte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.

Entgegen der Tatsachenrüge (Z 5a) ergeben sich aus der Aussage des Zeugen David R*****, wonach er innerhalb eine Zeitraums von rund eineinhalb Minuten vier oder fünf Mal zum Angeklagten geblickt und dabei beobachtet habe, dass dieser ständig an seinem nackten Penis manipulierte, es dabei aber nicht zu einer Erektion gekommen sei (ON 30 S 2 iVm ON 9 S 14, 23 und 26), keineswegs erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Feststellung, der Angeklagte habe in der Absicht gehandelt, sich geschlechtlich zu erregen oder zu befriedigen (US 5).

Das weitere Beschwerdevorbringen zu dieser Urteilskonstatierung wird entgegen § 281 Abs 1 Z 5a StPO nicht aus den Akten entwickelt, weil es nicht auf in der Hauptverhandlung vorgekommenen Verfahrensergebnissen (§ 258 Abs 1 StPO) basiert ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 481).

Soweit die Beschwerde (teils der Sache nach aus Z 5 vierter Fall) die Urteilsannahme, David R***** sei in der Lage gewesen, die Manipulationen des Beschwerdeführers an seinem nackten Glied als „sexuelle Handlungen“ (US 5) zu erkennen, releviert, bezieht sie sich nicht auf schuld oder subsumtionsrelevante Umstände, weil § 208 Abs 1 StGB die Vornahme sexueller Handlungen (und demnach ebenso ein Erkennen von Vorgängen als solche) gar nicht verlangt (siehe auch RIS Justiz RS0095130 und RS0095347; Fabrizy , StGB 10 § 208 Rz 2; Kienapfel/Schmoller , BT III § 208 Rz 3; Leukauf/Steininger Komm 3 § 208 RN 8; Philipp in WK 2 , § 208 Rz 6). Dass der Gesetzgeber die potentiellen Tathandlungen gezielt nicht auf solche geschlechtlicher Natur eingeschränkt hat, zeigt nicht nur der Vergleich mit den ein entsprechendes Tatbestandsmerkmal ausdrücklich enthaltenden Tatbeständen der §§ 201 bis 207, 207b, 212 bis 214 und 218 StGB, sondern auch der Blick auf die Gesetzesmaterialien zum StGB, wonach durch die gesetzliche Formulierung gerade auch solche Handlungen erfasst werden sollen, die zwar an sich nicht als geschlechtlich (in der Diktion der Stammfassung des StGB: „unzüchtig“) zu beurteilen, trotzdem aber geeignet sind, Angehörige des geschützten Personenkreises in ihrer sittlichen, seelischen oder gesundheitlichen Entwicklung zu gefährden, wobei die Einordnung als „Sittlichkeitsdelikt“ im Hinblick auf das im Tatbestand verankerte sexuelle Tatmotiv erfolgt ist (EBRV 30 BlgNR 13. GP 351 f).

Indem die Rechtsrüge (Z 9 lit a) die Gefährdungseignung der Tathandlungen bestreitet, ohne von den Urteilskonstatierungen auszugehen, wonach der Beschwerdeführer im Blickfeld des zur Tatzeit neunjährigen David R***** (wenngleich im Umkleidebereich eines Hallenbades) seinen nackten Penis mit beiden Händen ergriff, diesen „auf und ab“ bewegte und dabei David R***** zuzwinkerte, ihn anlächelte und Kopfbewegungen in Richtung des Zugangs zu Toiletten machte (US 4), verfehlt sie den auf der Sachverhaltsebene in den Feststellungen der Tatrichter gelegenen Bezugspunkt materieller Nichtigkeit ( Ratz , WK StPO § 281 Rz 581).

Der Vollständigkeit halber sei festgehalten, dass § 208 Abs 1 StGB zwar die Möglichkeit einer Gefährdung, nicht jedoch deren tatsächlichen Eintritt voraussetzt (RIS Justiz RS0095333 und RS0095358), wobei die Gefährdungseignung unter Berücksichtigung des Alters und des Entwicklungsstadiums des Opfers zu prüfen ist (9 Os 184/77, EvBl 1978/134, 402; 13 Os 127/05h; Kienapfel/Schmoller , BT III § 208 Rz 9; Leukauf/Steininger Komm 3 § 208 RN 10; Philipp in WK 2 , § 208 Rz 7).

Das hier festgestellte ostentative, auch durch Mimik und Gestik gezielt auf die Wahrnehmung durch das Opfer gerichtete Manipulieren am eigenen nackten Penis ist aber jedenfalls geeignet, einen altersadäquat entwickelten (US 3 und 5) Neunjährigen im Sinn des § 208 Abs 1 StGB sittlich, seelisch oder gesundheitlich zu gefährden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde kommt somit dem Oberlandesgericht zu (§§ 285i, 498 Abs 3 letzter Satz StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.