OGH vom 19.02.2019, 10ObS4/19i
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Wiesinger und Helmut Purker (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei M*****, vertreten durch Mag. Thomas Kaumberger, Rechtsanwalt in Pressbaum, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 53/18t-10, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Rückforderung von einkommensabhängigem Kinderbetreuungsgeld in Höhe von 7.168,44 EUR für den Zeitraum bis .
Nach den erstgerichtlichen Feststellungen war der Kläger im Bezugszeitraum Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Mit rechtskräftigem Einkommensteuerbescheid vom wurde der maßgebliche Gesamtbetrag seiner steuerpflichtigen Einkünfte aus selbständiger Arbeit iSd § 2 Abs 2 EStG 1988 für das Jahr 2011 mit 10.034,84 EUR festgestellt.
Mit Bescheid vom widerrief die beklagte Partei die Zuerkennung des für den Zeitraum bis bezogenen Kinderbetreuungsgeldes in Höhe der Überschreitung der für das Jahr 2011 bestehenden Zuverdienstgrenze von 5.800 EUR und verpflichtete den Kläger zum Rückersatz der unberechtigt empfangenen Leistung von 7.168,44 EUR.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren auf Feststellung, dass der Anspruch auf Rückersatz nicht zu Recht bestehe, ab und verpflichtete den Kläger zur Rückzahlung von 7.168,44 EUR.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und ließ die Revision nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1.1 Gemäß § 2 Abs 1 KBGG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl I 2009/116 hat ein Elternteil Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, ua dann, wenn er während des Bezugs des Kinderbetreuungsgeldes keine Erwerbseinkünfte erzielt, wobei sich ein Gesamtbetrag an maßgeblichen Einkünften von nicht mehr als 5.800 EUR pro Kalenderjahr nicht schädlich auswirkt (§ 24 Abs 1 Z 3 KBGG idF BGBl I 2009/116).
1.2 Im Rahmen der Ermittlung des maßgeblichen Gesamtbetrags der Einkünfte unterscheidet § 8 Abs 1 KBGG zwischen Kinderbetreuungsgeldbeziehern, die über Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit (Z 1) verfügen und solchen, die über andere Einkünfte iSd § 21 bis 23 EStG 1988 (Z 2) verfügen.
1.3 Nach § 8 Abs 1 Z 2 KBGG idF BGBl I 2009/116 sind Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit mit jenem Betrag zu berücksichtigen, der in die Ermittlung des Einkommens für das betreffende Kalenderjahr eingeht.
2.1 Im vorliegenden Fall überschreitet der sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2011 ergebende maßgebliche Gesamtbetrag der steuerpflichtigen Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit in Höhe von 10.034,84 EUR (selbst ohne Erhöhung um Sozialversicherungsbeiträge) eindeutig den Grenzbetrag von 5.800 EUR pro Kalenderjahr.
2.2 Der Kläger nimmt auch in der außerordentlichen Revision den Standpunkt ein, durch Vorlage einer Aufstellung über seine Geschäftsführerbezüge habe er unter Beweis gestellt, dass er alle Einkünfte in den Monaten Jänner bis Juli 2011 erzielt habe und auf den Anspruchszeitraum August bis Dezember 2011 keine Einkünfte entfallen. Dazu ist auszuführen:
2.3 Nach § 8 Abs 1 Z 2 dritter und vierter Satz KBGG bleiben im Fall einer Beendigung einer Tätigkeit vor Beginn des Anspruchszeitraums oder Aufnahme einer Tätigkeit nach Ablauf des Anspruchszeitraums die aus einer solchen Betätigung bezogenen Einkünfte außer Ansatz. In diesem Fall ist nachzuweisen, in welchem Ausmaß Einkünfte vor Beginn oder nach Ende des Anspruchszeitraums angefallen sind, im Fall eines solchen Nachweises sind nur jene Einkünfte zu berücksichtigen, die während des Anspruchszeitraums angefallen sind. Die während des Anspruchszeitraums angefallenen Einkünfte sind dann auf einen Jahresbetrag umzurechnen.
2.4 Wie sich aus den Gesetzesmaterialien zu § 8 Abs 1 Z 2 KBGG ergibt, sind auch bei selbständig Erwerbstätigen grundsätzlich die Einkünfte des gesamten Jahres anzusetzen. Im Sinne einer Gleichbehandlung mit den Beziehern von Lohneinkünften soll es aber auch den selbständig Tätigen ermöglicht werden, eine zeitliche Zuordnung der auf den Anspruchszeitraum entfallenden Einkünfte zu treffen. Voraussetzung dafür ist ein konkreter „Zuordnungsnachweis“. Im Bereich der betrieblichen Einkünfte wird vom Vorliegen eines solchen Nachweises dann ausgegangen werden können, wenn ein rechnerischer Zwischenabschluss („Rumpfwirtschaftsjahr“) erstellt wird. In weiterer Folge sind die auf den Anspruchszeitraum entfallenden Einkünfte gleich den nichtselbständigen Einkünften auf einen Jahresbetrag hochzurechnen (RV 620 BlgNR 21. GP 62).
3.1 Die Ansicht der Vorinstanzen, der Kläger habe mit der Vorlage einer – von ihm selbst unterfertigten – Aufstellung über seine von Jänner bis Juli 2011 zustehenden Geschäftsführerbezüge von jeweils 2.400 EUR brutto monatlich nicht den erforderlichen rechnerischen Zwischenabschluss iSd § 8 Abs 1 Z 2 KBGG erstellt bzw keinen konkreten Zuordnungsnachweis erbracht, bewegt sich im Rahmen des den Gerichten eingeräumten Beurteilungsspielraums.
3.2 Wie sich aus den Feststellungen ergibt, wurde der Kläger bereits im Verfahren vor dem Sozialversicherungsträger zur Vornahme der Abgrenzung der Einkünfte aufgefordert und ihm gleichzeitig ein Formular übermittelt, in dem sich ausdrücklich der Hinweis findet, dass bei Vorliegen von Einkünften aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb eine Bilanz inklusive Gewinn- und Verlustrechnung oder eine EinnahmenAusgabenRechnung beizulegen ist. Das Fehlen entsprechender Unterlagen wurde mit dem Kläger auch im Rahmen der mündlichen Streitverhandlung im Gerichtsverfahren ausdrücklich erörtert, dennoch legte er keine weiteren Unterlagen vor.
3.3 Der erforderliche Nachweis wurde daher nicht erbracht. Die Sinnhaftigkeit der Zuordnung ist im Hinblick auf den Gesetzeszweck (2.4) nicht in Zweifel zu ziehen.
4. Gegen die Regelung über den Gesamtbetrag der maßgeblichen Einkünfte in § 8 KBGG bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken (RISJustiz RS0129025; siehe auch VfGH G 128/08 ua):
Die in § 8 Abs 1 Z 2 dritter Satz KBGG vorgesehene Möglichkeit der Erstellung eines Zwischenrechnungsabschlusses dient dazu, eine Gleichbehandlung mit den Beziehern von Lohneinkünften zu erzielen. Auch die Hinzurechnung der im betreffenden Kalenderjahr vorgeschriebenen Beiträge zur gesetzlichen Sozialversicherung zu den Einkünften aus Betätigungen, die Grundlage für Pflichtbeiträge in der gesetzlichen Sozialversicherung darstellen (§ 8 Abs 1 Z 2 KBGG idF BGBl I 2009/116), soll eine Benachteiligung selbständig erwerbstätiger Kinderbetreuungsgeldbezieher hintanhalten. Nach dem gesetzlichen Konzept der Ermittlung der maßgeblichen Einkünfte sollen Sozialversicherungsbeiträge „Durchlaufposten“ sein (Konecny in Sonntag/Schober/Konecny, KBGG2§ 8 Rz 9). Eine andere Art der Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen würde zu sachlich nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlungen und zur Unmöglichkeit einer laufenden Zuverdienstberechnung für die beziehenden Eltern führen (10 ObS 97/13g).
5. Mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00004.19I.0219.000 |
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