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OGH 15.01.1997, 9ObA2247/96y

OGH 15.01.1997, 9ObA2247/96y

Rechtssatz


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Normen
RS0107187
Das Arbeitsverhältnis eines Piloten, der entlassen wurde, diese Entlassung wegen Sozialwidrigkeit angefochten hat und in der ersten Instanz auch durchgedrungen ist, ist aufrecht (§ 61 Abs 1 Z 5 ASGG). Eine wegen der für die Verlängerung der Berechtigung der für Linienpiloten erforderlichen Flugstunden beantragte einstweilige Verfügung auf Ermöglichung der Erbringung der Arbeitsleistung wurde in der Folge in erster Instanz abgewiesen. Da zum Zeitpunkt der darüber ergehenden Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof die öffentlich - rechtlichen Flugberechtigungen bereits abgelaufen waren, konnte der beklagten Partei die Ermöglichung der Erbringung der Arbeitsleistung nicht mehr aufgetragen werden, zumal diese Berechtigungen durch eine gerichtliche Entscheidung auch nicht substituiert werden können.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr.Bauer als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter MR Mag.Georg Genser und Ernst Boran als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der gefährdeten Partei Herbert S*****, Pilot, ***** vertreten durch Dr.Hansjörg Pichler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die Gegnerin der gefährdeten Partei T***** Luftffahrt AG, ***** vertreten durch Dr.Johann Paul Cammerlander ua, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung (Streitwert S 100.000), infolge Revisionsrekurses der gefährdeten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 15 Ra 96/96x-8, womit der Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 47 Cga 90/96k-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die gefährdete Partei ist schuldig, der Gegnerin der gefährdeten Partei die mit S 6.086,40 (darin S 1.014,40 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die gefährdete Partei (kurz Kläger) war seit als Pilot bei der Gegnerin der gefährdeten Partei (kurz Beklagte) beschäftigt. Der Kläger bezog zuletzt ein Gehalt von monatlich S 57.000 brutto, 14 x jährlich. Mit Schreiben der Beklagten vom wurde er wegen Vertrauensunwürdigkeit entlassen. Der Kläger focht diese Entlassung wegen Sozialwidrigkeit an. Das Urteil des Erstgerichtes, mit dem die Entlassung aufgehoben worden war, wurde vom Berufungsgericht aufgehoben und die Arbeitsrechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit dem vorliegenden Antrag begehrt der am geborene Kläger, es der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, ihm die Erbringung seiner Arbeitsleistung wegen der für die Verlängerung der Berechtigung der für Linienpiloten erforderlichen Flugstunden zu ermöglichen. Trotz des aufrechten Arbeitsverhältnisses (§ 61 Abs 1 Z 5 ASGG) weigere sich die Beklagte, ihn weiter zu beschäftigen. Sein Linienpilotenschein sei nur bis gültig. Für eine Verlängerung und Erneuerung der Berechtigung habe er den Nachweis zu erbringen, daß er innerhalb der letzten sechs Monate vor Antragstellung Motorflüge in der Dauer von mindestens 100 Stunden im Fluglinienverkehr ausgeführt habe. Darüber hinaus sei auch der Nachweis eines Instrumentenfluges ohne Sicht in der Dauer von wenigstens 30 Minuten unter Aufsicht eines entsprechenden Fluglehrers erforderlich. Die Nichtbeschäftigung verursache, insbesondere bei einem Unterliegen im Anfechtungsverfahren, einen unwiederbringlichen Schaden, weil ihm dadurch die Verlängerung der Berechtigung für Piloten verwehrt werde und er gezwungen sei, die Linienpilotenprüfung nochmals abzulegen. Bei zahlreichen Luftfahrtunternehmungen sei aber der Besitz eines gültigen Linienpilotenscheins Voraussetzung für eine Anstellung.

Die Beklagte beantragte, den Sicherungsantrag abzuweisen. Der Kläger habe durch sein zur Entlassung führendes Verhalten die Vertrauensbasis zerrüttet. Seine Weiterbeschäftigung sei nicht nur unzumutbar, sondern wäre derzeit auch ein grobes Sicherheitsrisiko. Es fehle ihm die Praxis, wodurch er zum Risiko für Mensch und Material geworden sei. Allein die Beklagte treffe die Verantwortung für die Sicherheit ihres Luftfahrtunternehmens. Diese Aufsichts- und Kontrollpflicht könne durch eine gerichtliche Entscheidung nicht eingeschränkt werden.

Der Einsatz des Klägers als Pilot sei für seine Berechtigung auch nicht notwendig, weil der Kläger die in den letzten sechs Monaten versäumten Flugstunden schon aufgrund der internen Vorschriften der Beklagten nachholen müsse. Die Aufrechterhaltung des Linienpilotenscheins erfordere etwa den gleichen Aufwand, wie dessen Wiedererlangung für eine neuerliche Beschäftigung des Klägers. Abgesehen davon hätte die Beklagte für die Wiedererlangung ohnehin die Kosten aller Berechtigungen zu tragen. Es bestehe sohin insofern auch keine Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens.

Das Erstgericht wies den Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung ab. Es stellte im wesentlichen fest:

Der Kläger war ab als Kapitän am Dienstort Salzburg eingesetzt. Da seine dortige Wohnung noch nicht bezugsfertig war, ersuchte er am telefonisch, daß ihm ein Hotelzimmer zur Verfügung gestellt werde. Nachdem die Crew-Control dieses Ersuchen abgelehnt hatte, äußerte er sich dahingehend, daß er krank sein würde, wenn er kein Zimmer erhalte. Aufgrund dieser Äußerung wurde er entlassen.

Ein Luftlinienpilotenschein ist sechs Monate lang gültig. Nach Ablauf der Gültigkeitsdauer besteht die Möglichkeit, noch sechs Monate als Berufspilot zu fliegen. Ist auch diese Frist ohne entsprechende Betätigung verstrichen, darf noch ein Jahr lang als Privatpilot nicht gewerbsmäßig geflogen werden. Um als Kapitän fliegen zu können, benötigt man den Linienpilotenschein. Mit dem Berufspilotenschein ist die Berechtigung verbunden, als Copilot zu fliegen sowie Flüge für die Wiedererlangung des Linienpilotenscheins durchzuführen. Für einen Privatpiloten besteht kaum eine Chance, bei einer (anderen) Luftlinie fliegen zu können.

Der Kläger hat einen bis befristeten Luftlinienpilotenschein. Bei der Beklagten wird ein Pilot, der mehr als 90 Tage vom Flugbetrieb abwesend ist, schon aufgrund interner Vorschriften einem intensiven Training unterzogen. Nach Absolvierung dieses Trainings erfüllt er die Voraussetzung, daß er den Linienpilotenschein wieder ausgestellt bekommt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Kläger keinen unwiederbringlichen Schaden bewiesen habe. Überdies erscheine der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers nicht zumutbar.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige und der Revisionsrekurs zulässig sei. Es gebe außer in den Fällen des § 21 Schauspielergesetz und der §§ 9, 18 BAG kein Recht des Arbeitnehmers auf tatsächliche Beschäftigung. Hinsichtlich der übrigen Arbeitnehmer fehle es an einer solchen gesetzlichen Anordnung. Im Hinblick auf die große Verantwortung eines Piloten, für dessen Einsatz ausschließlich die Beklagte letztverantwortlich sei, könne dieser auch nicht die Verpflichtung zur Beschäftigung gegen ihren Willen auferlegt werden. Die begehrte einstweilige Verfügung sei schon mangels Bescheinigung des Anspruches nicht zu bewilligen.

Dem Kläger sei es aber auch nicht gelungen, die Gefahr eines unwiederbringlichen Schadens zu bescheinigen. Das Erfordernis der Ablegung einer theoretischen und praktischen Prüfung zur Erneuerung des ruhenden Linienpilotenscheins stelle keinen solchen Schaden im Sinne des § 381 Abs 2 EO dar. Die Überprüfung der theoretischen und praktischen Kenntnisse beschränke sich auf jene Fähigkeiten, welche ein Linienpilot zur Ausübung seines Berufes ohnehin benötige und beherrschen müsse. Der Kläger habe nicht einmal behauptet, daß die Beklagte nicht in der Lage wäre, für die Kosten der Wiedererlangung des Linienpilotenscheins des Klägers aufzukommen.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revisionsrekurs des Klägers mit dem sinngemäßen Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen dahin abzuändern, daß seinem Sicherungsbegehren stattgegeben werde.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Soweit der Kläger geltend macht, daß der unwiederbringliche Schaden nicht nur in der neuerlichen Ablegung einer theoretischen Prüfung liege, sondern in der Gefahr des Prozeßverlustes nach Ablauf der Flugberechtigungen, ist ihm entgegenzuhalten, daß er das Risiko des Ausganges seines Anfechtungsverfahrens nicht allein der beklagten Partei anlasten kann. Erfolgte seine Entlassung nämlich zu Recht, besteht für die Beklagte letztlich kein Grund, ihn weiter zu beschäftigen. Für die Zeit der vorläufigen Rechtsgestaltungswirkung im Sinne des § 61 Abs 1 Z 5 ASGG hätte daher auch bei Bejahung einer Beschäftigungspflicht selbständig geprüft werden müssen, ob den schutzwürdigen Interessen des Klägers auf Erhaltung seiner Flugberechtigungen (vgl Mayer-Maly/Marhold, ArbR I 147) so gewichtige Gründe entgegenstehen, daß der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers während der Dauer des Verfahrens dennoch objektiv unzumutbar ist (vgl 9 ObA 2263/96a mwH). Eine weitere Erbringung der Arbeitsleistung wegen der für die Verlängerung der Berechtigung der für Linienpiloten erforderlichen Flugstunden hat aber jedenfalls das Vorliegen der öffentlich-rechtlichen Flugberechtigungen zur Voraussetzung (vgl 9 ObA 2075/96d mwH). Da diese, wie auch der Rekurswerber einräumt, abgelaufen sind, kann der Beklagten die Ermöglichung der diesbezüglichen Arbeitsleistung des Klägers von vorneherein nicht mehr aufgetragen werden, zumal diese Berechtigungen durch eine gerichtliche Entscheidung nicht substituiert werden können. Eine nähere Prüfung, ob für die Nichtbeschäftigung des Klägers trotz des von Gesetzes wegen vorläufig noch aufrechten Arbeitsverhältnisses hinreichende und zureichende Gründe gegeben sind, kann daher nicht mehr stattfinden.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens ist in den §§ 402 Abs 4, 78 EO iVm §§ 50 Abs 1, 41 ZPO begründet.

Zusatzinformationen


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Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:1997:009OBA02247.96Y.0115.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
TAAAE-06000