OGH vom 17.08.2016, 8Ob68/16g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** F*****, vertreten durch Dr. Clemens Pichler, Rechtsanwalt in Dornbirn, gegen die beklagte Partei Schweizerische Nationalbank, *****, vertreten durch Dr. Friedrich Jergitsch und Dr. Thomas Kustor, Rechtsanwälte in Wien, wegen 58.415,69 EUR sA, über den Revisonsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom , GZ 5 R 8/16i 7, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Feldkirch vom , GZ 57 Cg 3/16b 3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.254,88 EUR (darin enthalten 375,81 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger nahm bei einer Vorarlberger Bank einen endfälligen Kredit im Wert von 230.000 EUR auf. Die Rückzahlung des Kredits sollte in Schweizer Franken erfolgen. Am gab die Beklagte ihre währungspolitische Maßnahme bekannt, im Verhältnis zum Euro einen Mindestkurs von 1,2 CHF einzuführen. Am gab die Beklagte bekannt, dass der genannte Mindestkurs aufgehoben werde. Am konvertierte der Kläger den Kreditbetrag von 310.155,11 CHF bei einem Kurs von 0,985 in EUR.
Mit der vorliegenden Klage begehrte der Kläger 58.415,69 EUR sA. Die Beklagte habe regelmäßig bekräftigt, am Mindestkurs im Verhältnis zum EUR festzuhalten. Die Aufgabe des Mindestkurses sei völlig überraschend erfolgt. Die zuvor verbreiteten Informationen, wonach der Mindestkurs beibehalten werde, seien bewusst falsch und irreführend gewesen. Diese Mitteilungen seien der Grund dafür gewesen, dass der Kläger von einer Konvertierung des Franken-Kredits in Euro abgesehen habe.
Die internationale Zuständigkeit des angerufenen Erstgerichts stützte der Kläger auf Art 5 Nr 3 LGVÜ 2007. Der Schaden sei auf dem Konto des Klägers in Österreich eingetreten. Die falschen Informationen, am Mindestkurs festzuhalten, hätten genauso gut von einem Privaten vorgenommen werden können. Die Beklagte habe daher privatrechtlich gehandelt.
Die Beklagte erhob die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit. Nach der Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft sei sie mit der Führung der Geld und Währungspolitik der Schweiz betraut. Diese Aufgabe gehöre zum Kernbereich staatlicher Souveränität, weshalb sie völkerrechtliche Immunität für ihre Tätigkeit beanspruche. Die Kommunikation geldpolitischer Entscheidungen sei untrennbar mit ihrem hoheitlichen Aufgabenbereich verbunden. Sie habe im Zusammenhang mit Informationen zum Mindestkurs daher hoheitlich gehandelt. Das angerufene Gericht sei auch international unzuständig.
Das Erstgericht sprach aus, dass die inländische Gerichtsbarkeit nicht vorliege und wies die Klage zurück. Im Anlassfall gelange das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität, BGBl 1976/432, zur Anwendung. Gemäß Art 24 des Übereinkommens seien die Vertragsstaaten in Ausübung der Hoheitsgewalt von der inländischen Gerichtsbarkeit ausgenommen. Nach Art 27 Abs 2 des Übereinkommens gelte dies auch für andere Rechtsträger eines Vertragsstaats, und zwar für deren Handlungen, die in Ausübung der Hoheitsgewalt vorgenommen würden. Darunter fielen insbesondere auch Nationalbanken. Der Beklagten komme die Führung der Geld und Währungspolitik zu. Dies betreffe den Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit. Gemäß Art 7 Abs 3 des Schweizerischen Nationalbankgesetzes habe die Beklagte die Öffentlichkeit regelmäßig über die Geld und Währungspolitik und ihre geldpolitischen Absichten zu informieren. Diese Informationspflicht stehe mit der Wahrnehmung der Geld und Währungspolitik in einem engen Zusammenhang, weshalb auch derartige Informationen, hier über die Änderung des Wechselkurses, als hoheitliches Handeln zu qualifizieren seien.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Als andere Rechtsträger, die Hoheitsgewalt ausübten, kämen – abgesehen von Bund und Ländern – vor allem Gemeinden, Sozialversicherungsträger, gesetzliche Interessenvertretungen und durch Gesetz geschaffene Fonds, wie etwa Nationalbanken, in Frage. Für die Qualifikation als hoheitliches Handeln sei primär nicht von der Zweckrichtung, sondern von der Natur des Aktes auszugehen. Von der staatlichen Immunität seien solchen Akte nicht erfasst, die gleichermaßen auch von einem Privatrechtssubjekt vorgenommen werden könnten. Dies gelte etwa für die Unterhaltung von Konten zur Vornahme von Bankgeschäften. Demgegenüber falle die Geld und Währungspolitik eines Staates in den Kernbereich hoheitlicher Tätigkeit. Dies gelte auch für alle Verhaltensweisen, die mit der Erfüllung dieser Aufgaben verbunden seien. Dieser Zusammenhang sei für die Informationspolitik der Beklagten nach Art 7 Abs 3 des Schweizerischen Nationalbankgesetzes zu bejahen. Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil sich das Höchstgericht mit der Frage, ob und inwieweit Bekanntgaben einer Nationalbank als hoheitliche Maßnahmen zu qualifizieren seien, bisher nicht beschäftigt habe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Klägers, der auf eine Behebung der Zurückweisungsbeschlüsse der Vorinstanzen abzielt.
Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Beklagte, dem Revisionsrekurs der Gegenseite den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig. Er ist aber nicht berechtigt.
1.1 Die fehlende inländische Gerichtsbarkeit wegen Immunität des beklagten Staats oder sonstigen Rechtsträgers ist ein absolutes Prozesshindernis, das in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen ist. Eine Heilung ist weder nach § 104 Abs 3 JN noch durch Rechtskraft der Entscheidung möglich (§ 42 Abs 2 JN); allerdings kann auf die Immunität verzichtet werden. Allgemein fehlt die inländische Gerichtsbarkeit für Klagen gegen einen ausländischen Staat, wenn sich der geltend gemachte Anspruch auf einen hoheitlichen Akt dieses Staats bezieht (RIS Justiz RS0032107). Solche acta iure imperii sind von privatrechtsgeschäftlichem Handeln des Staats (acta iure gestionis) abzugrenzen, das nicht der Immunität unterliegt. Die Qualifikation erfolgt dabei nicht nach dem jeweiligen innerstaatlichen Recht, sondern nach allgemeinem Völkerrecht (RIS Justiz RS0045581 [T21]). Allgemein sind als acta iure gestionis all jene Akte anzusehen, die auch ein Privatrechtssubjekt, und zwar ohne Unterschied in den Wirkungen und Konsequenzen, gleichermaßen vornehmen könnte (vgl dazu 4 Ob 227/13f mwN).
Im Anlassfall ist vorrangig das Europäische Übereinkommen über Staatenimmunität, BGBl 1976/432, anzuwenden. Nach Art 27 Abs 2 des Übereinkommens kann auch ein vom Staat verschiedener (anderer) selbständiger Rechtsträger vor dem Gericht eines anderen Vertragsstaats nicht in Anspruch genommen werden, sofern hoheitliches Handeln vorliegt.
1.2 Aus diesen völkerrechtlichen Grundsätzen folgt, dass einem anderen Staat, einem fremden Staatsunternehmen und auch einer ausländischen Nationalbank (vgl Kriebaum in Reinisch , Österreichisches Handbuch des Völkerrechts I 5 Rz 1571; Matscher , Zur Abgrenzung der inländischen Gerichtsbarkeit, vornehmlich in Vermögenssachen, JBl 1983, 505 FN 18; Krauskopf/Steven , Immunität ausländischer Zentralbanken im deutschen Recht, WM 2000, 269 [273]) Immunität dann zukommt, wenn und soweit sie hoheitlich handeln und dementsprechend acta iure imperii vorliegen.
2.1 Auch aus Sicht des Klägers ist es unstrittig, dass acta iure imperii der Staatenimmunität unterliegen und die inländische Gerichtsbarkeit dafür nicht gegeben ist, die Beklagte als Nationalbank (trotz Einrichtung als Aktiengesellschaft) hoheitlich handeln kann (vgl Art 27 Abs 2 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität) und die Änderung des Wechselkurses, hier die Aufgabe des Mindestkurses von CHF im Verhältnis zum Euro, eine hoheitliche Tätigkeit darstellt.
2.2 Der Beklagten sind durch die Schweizerische Bundesverfassung und das Schweizerische Nationalbankgesetz gewisse Aufgaben zugewiesen (sogenannte unmittelbare Zentralbankaufgaben; vgl Schütze , Rechtsverfolgung im Ausland: Prozessführung vor ausländischen Gerichten und Schiedsgerichten 4 35). Dazu gehört vor allem die Führung der Geld und Währungspolitik. Es entspricht auch dem Verständnis des Klägers, dass die Beklagte bei Erfüllung dieser gesetzlichen Aufgaben eine hoheitliche Tätigkeit ausübt. Trifft die Beklagte im Rahmen dieser hoheitlichen Aufgabenerfüllung Entscheidungen, so gehört auch der Vollzug dieser Entscheidungen zum hoheitlichen Handeln. Dies gilt ebenso für die öffentliche Kundmachung solcher Entscheidungen.
3.1 Im Anlassfall stellt sich die Frage, ob auch die darüber hinausgehende Informationspolitik der Nationalbank im Rahmen der Geld und Währungspolitik diesem hoheitlichen Bereich zuzuordnen ist. Der Kläger verneint diese Frage. Die Informationspflicht der Beklagten betreffe nicht den Kernbereich der hoheitlichen Tätigkeit.
3.2 Nach Art 7 Abs 3 des Schweizerischen Nationalbankgesetzes hat die Beklagte die Öffentlichkeit regelmäßig über die Geld und Währungspolitik und ihre geldpolitischen Absichten zu informieren. Diese Information soll dem Einzelnen die Beurteilung ermöglichen, ob und wie konsequent die Zentralbank ihre gesetzliche Aufgabe verfolgt. Dadurch soll die Erwartungsbildung über die künftige Geldversorgung der schweizerischen Wirtschaft erleichtert werden (siehe dazu die Botschaft vom über die Revision des Nationalbankgesetzes, BBl 2002, 6098). Der Zweck der gesetzlichen Informationspflicht besteht somit darin, die Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben durch die unabhängige Nationalbank im Weg regelmäßiger Informationen für die Öffentlichkeit transparent zu machen. Auch diese Informationspolitik ist ein Instrumentarium zur Durchführung der geldpolitischen Entscheidungen der Beklagten und dient ebenso wie die Kundmachung konkreter Entscheidungen der Überwachung und Steuerung des Geldverkehrs. Diese Maßnahmen dienen zur Stabilisierung der Währung und damit zur Stabilisierung des Preisniveaus und des Finanzsystems (vgl Art 5 des Schweizerischen Nationalbankgesetzes).
Im konkreten Zusammenhang dient die Informationspolitik der Beklagten zur Beeinflussung des Wechselkurses der eigenen Währung. Sie steht mit der Führung der Geld und Währungspolitik jedenfalls in einem derart engen Zusammenhang, dass auch sie der hoheitlichen Tätigkeit zuzuordnen ist. Dies steht mit dem – auch im Völkerrecht – anerkannten Grundsatz im Einklang, dass alle mit der Erfüllung einer der Natur nach hoheitlichen Aufgabe verbundenen Maßnahmen bei einem hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe ebenfalls als hoheitlich anzusehen sind (vgl RIS Justiz RS049948; RS0049897).
3.3 Soweit der Kläger damit argumentiert, Informationen über Geld und Währungspolitik könnten auch von Privaten (zB Nachrichtenagenturen) verbreitet werden, ist daran zu erinnern, dass privatwirtschafltiches Handeln nur dann angenommen werden könnte, wenn das entsprechende Handeln durch Private dieselben Wirkungen und Konsequenzen entfalten würde. Die in Rede stehende Informationspolitik der Beklagten stellt nicht eine von der Geld und Währungspolitik abspaltbare, gesonderte Tätigkeit dar, die in gleicher Weise auch von Privaten vorgenommen werden könnte. Es geht nicht um die Verbreitung allgemeiner Marktinformationen, sondern um die Veröffentlichung konkreter geldpolitischer Entscheidungen und Absichten durch den Entscheidungsträger selbst. Solche Informationen haben einen unmittelbaren Steuerungseffekt in Bezug auf den Wechselkurs und damit unmittelbare Auswirkungen auf den Wechselkurs und den Geldverkehr. Die angestrebte geldpolitische Steuerungsfunktion kann nur dadurch erreicht werden, dass die Informationen direkt von der Nationalbank stammen.
4. Insgesamt ergibt sich somit, dass die Informationspolitik der Beklagten in Bezug auf geldpolitische Entscheidungen und Absichten zu deren hoheitlichen Tätigkeitsbereich gehört bzw jedenfalls damit in einem engen und untrennbaren Zusammenhang steht. Da der Kläger seinen Anspruch aus solchen Maßnahmen der Beklagten ableitet, bezieht sich die Klage auf hoheitliches Handeln. Der Beklagten kommt daher Immunität iSd Art 27 Abs 2 des Europäischen Übereinkommens über Staatenimmunität zu. Für die vorliegende Klage ist die inländische Gerichtsbarkeit nicht gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen stehen mit diesen Grundsätzen im Einklang. Dem Revisionsrekurs des Klägers war daher der Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 und 52 ZPO.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00068.16G.0817.000