OGH vom 09.04.2013, 14Os35/13y

OGH vom 09.04.2013, 14Os35/13y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Marek, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Fürnkranz in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Wancata als Schriftführer in der Strafsache gegen Michael S***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom , GZ 40 Hv 60/12s 47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael S***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (A/I) und nach § 206 Abs 2 erster Fall StGB (A/II) sowie der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (B) und der Kuppelei nach § 213 Abs 1 StGB (C) schuldig erkannt.

Danach hat er in Salzburg von etwa Juni 2003 bis Februar 2004

(A/I) mit der am geborenen Sandra K***** den Beischlaf unternommen;

(A/II) unmündige Personen wiederholt zur Vornahme und Duldung des Beischlafs oder dem Beischlaf gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen mit einer anderen Person verleitet, indem er den am geborenen Christian K***** und die am geborene Sandra K***** mehrmals aufforderte, miteinander „zu ficken“;

(B) durch die zu A/I geschilderte Tathandlung mit einer minderjährigen Person, die seiner Aufsicht unterstand, unter Ausnützung dieser Stellung eine geschlechtliche Handlung vorgenommen;

(C) durch die zu A/II geschilderten Tathandlungen Personen, zu denen er in einem in § 212 Abs 1 Z 2 StGB bezeichneten Verhältnis stand, unter den dort genannten Voraussetzungen zu einer geschlechtlichen Handlung mit einer anderen Person verleitet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus den Gründen der Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

Durch die Abweisung der in der Verfahrensrüge (Z 4) zudem ohne die erforderliche Angabe der konkreten Fundstelle in den Akten (vgl RIS-Justiz RS0124172) thematisierten Beweisanträge wurden Verteidigungsrechte nicht verletzt.

Das Fehlen pädophiler Neigungen sowie die Unterlassung gleichartigen sexuellen Missbrauchs von früher im Familienverband des Angeklagten lebenden oder von ihm als Eishockey-Jugendtrainer betreuten Kindern schließt dessen Täterschaft in den ihm aktuell vorgeworfenen Fällen ebensowenig aus wie ein allfälliges Gelegenheitsverhältnis von anderen Personen, die mit der Beaufsichtigung der Tatopfer betraut gewesen sein sollen. Die auf entsprechende Nachweise gerichteten Anträge auf Einholung eines medizinischen („fachärztlichen“) Sachverständigengutachtens sowie auf Vernehmung von Barbara O*****, Denise G*****, Jennifer R*****, Günther E*****, Günther F*****, Bernhard F***** und Sonja B***** bezogen sich daher nicht auf für die Schuld- oder die Subsumtionsfrage entscheidende Tatsachen.

Dies gilt gleichermaßen für das Begehren auf Vernehmung von Gerda und Ulrich S*****, zum Beweis dafür, dass entgegen der Aussagen der Tatopfer bei den kontradiktorischen Vernehmungen „sehr wohl ein gemeinsamer Urlaub mit dem Angeklagten stattgefunden hat“, es in dieser Zeit zu „keinerlei mutmaßlichen Vorfällen gekommen ist“ und die „Angaben der Kinder nicht richtig sein können“. Sexuelle Übergriffe während eines gemeinsamen Urlaubs wurden nämlich weder von den Opfern behauptet, noch wurde dem Beschwerdeführer solches vorgeworfen. Weshalb die Unterlassung strafbaren Verhaltens in diesem Zeitraum die Begehung der verfahrensgegenständlichen Taten ausschließen sollte, wurde im Antrag nicht dargelegt.

Die weiters beantragte Vernehmung zahlreicher Personen, die dem Beschwerdeführer ein Alibi für den „inkriminierten Zeitpunkt“ verschaffen sollten, weil sie nach dem Antragsvorbringen bezeugen könnten, dass er jeweils „von Montag bis Sonntag“ bei „den Spielen“ anwesend war, war schon deshalb nicht geeignet, die zur Feststellung entscheidender Tatsachen anzustellende Beweiswürdigung maßgeblich zu beeinflussen, weil die genauen Tatzeitpunkte vorliegend nicht feststellbar waren (US 1, 4). Zudem gingen die Tatrichter davon aus, dass der Angeklagte die Tatopfer auch zur Vornahme und Duldung des Beischlafs und diesem gleichzusetzender geschlechtlicher Handlungen in seiner Abwesenheit verleitete (US 4), und erachteten darüber hinaus die Aussage der Zeugin Claudia St***** für glaubwürdig, wonach er die Kinder fallweise während des Tages, jedenfalls aber dann beaufsichtigte, wenn sie (außer an Feiertagen) täglich zwischen 23 Uhr und 6 Uhr ihrer Tätigkeit als Zeitungsausträgerin nachging (ON 42 S 7, 9; US 7). Dass zu diesen Zeiten (Eishockey-)Spiele stattfanden, wurde nicht behauptet (vgl zum Ganzen RIS-Justiz RS0116987; Ratz , WK StPO § 281 Rz 341).

Auch unter dem Aspekt einer - grundsätzlich zulässigen (vgl RIS-Justiz RS0098429, RS0028345) Beweisführung zur Erschütterung der Glaubwürdigkeit der Tatopfer sowie der Zeugen Fabian K***** und Claudia St***** sind die Anträge nicht berechtigt, weil sich aus dem Vorbringen keine konkreten Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, diese hätten in Bezug auf eine entscheidende Tatsache die Unwahrheit gesagt (vgl RIS-Justiz RS0120109 [va T 3]).

Dem das Beweisthema ergänzenden Beschwerdevorbringen steht das Neuerungsverbot entgegen (vgl Ratz , WK-StPO Vor §§ 280-296a Rz 15, § 281 Rz 325; RIS-Justiz RS0099117).

Entgegen dem Einwand der Mängelrüge sind weder die Feststellungen zur subjektiven Tatseite (US 6) noch deren unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit (Z 5 vierter Fall) nicht zu beanstandende (RIS-Justiz RS0116882; Ratz , WK-StPO § 281 Rz 452) Ableitung aus dem objektiven Geschehensablauf (US 11) undeutlich im Sinn der Z 5 erster Fall.

Weshalb insoweit der Gebrauch von verba legalia unter konkretem, von der Beschwerde ohnehin zitiertem Sachverhaltsbezug (vgl erneut US 6) auf der Feststellungsebene der Entscheidungsgründe als Tatsachengrundlage für die vorgenommene Subsumtion ungenügend sein soll, und inwiefern es darüberhinaus erforderlich gewesen wäre, „auch die Vorstellung des Täters … näher zu verifizieren“, lässt die Rüge (nominell Z 5, der Sache nach Z 9 lit a) offen und verfehlt damit eine prozessordungskonforme Darstellung materieller Nichtigkeit ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 8; RIS-Justiz RS0119090).

Wesen und Ziel der Tatsachenrüge (Z 5a) ist es, anhand aktenkundiger Umstände unter Beachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen.

Einwendungen ausschließlich gegen Beweiswerterwägungen der Tatrichter, wie hier gegen deren Überzeugung von der Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen Sandra, Christian und Fabian K*****, können erhebliche Bedenken nicht hervorrufen (RIS-Justiz RS0099649).

Indem der Beschwerdeführer einzelne Verfahrensergebnisse punktuell hervorhebt, auf dieser Basis Spekulationen zu möglichen Motiven der angesprochenen Zeugen für eine abgesprochene Falschbezichtigung anstellt, die das Erstgericht mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung - verneint hat (US 8 ff, vgl insbesonders US 11), und aus in den Entscheidungsgründen erörterten (US 9, 11) Widersprüchen zwischen den Aussagen der Zeugen Sandra und Fabio K***** einerseits und jenen des Christian K***** andererseits sowie innerhalb der Angaben des Letztgenannten andere, für ihn günstigere Schlüsse zieht als jene der Tatrichter, bekämpft er vielmehr hier unzulässig bloß die Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Fabian K***** hat nach den Urteilsannahmen nur einen sexuellen Kontakt zwischen seinen Geschwistern beobachtet (US 4), sodass eine von der Beschwerde ohne nähere Begründung behauptete Abweichung seiner Aussage von jenen der Tatopfer in Bezug auf die hier gar nicht konkret bestimmte Anzahl der „Vorfälle“ zudem gar nicht vorliegt.

Die weiters angesprochene Passage aus dem vom Betreuer der Kinder, Thomas E*****, verfassten Verlaufsprotokoll der Erstgespräche in der Wohngemeinschaft (ON 5 S 23), wonach sowohl Fabian als auch Christian K***** zunächst angaben, „dass kein Erwachsener involviert war“, bezog sich bei gebotener Betrachtung des Gesamtzusammenhangs auf die eigentliche geschlechtliche Handlung zwischen den Geschwistern, nicht aber darauf, von wem diese initiiert worden war.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.