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OGH vom 26.01.2017, 27Os1/16y

OGH vom 26.01.2017, 27Os1/16y

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Schlager und Dr. Kretschmer als Anwaltsrichter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Jorda als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom , AZ D 47/14, nach nichtöffentlicher mündlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Sauter, des Kammeranwalts Dr. Roehlich und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Disziplinarbeschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom , AZ D 47/14, das auch einen rechtskräftigen Freispruch enthält, wurde ***** des Disziplinarvergehens der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt schuldig erkannt, weil er „im Zeitraum Februar 2012 bis Oktober 2013 als Vertreter der Gabriele P***** über seine Vertretungshandlungen nicht ausreichend berichtet und weder ihre telefonischen Anrufe noch ihre Faxe beantwortet“ hat.

Der Disziplinarbeschuldigte wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zur Disziplinarstrafe der Geldbuße in Höhe von 1.500 Euro sowie zum Kostenersatz verurteilt.

***** bekämpft dieses Erkenntnis mit einer Berufung wegen Nichtigkeit sowie wegen des Ausspruchs über die Schuld und über die Strafe, der aus nachstehenden Erwägungen keine Berechtigung zukommt.

Nach den – zum Teil disloziert getroffenen, durch das Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) verdeutlichten (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584) – Feststellungen des Disziplinarrats hat Rechtsanwalt ***** seiner Mandantin Gabriele P*****, die er von Februar 2012 bis Oktober 2013 in einem Nachbarschaftsstreit vertrat (ES 3, ES 5), nicht ausreichend über seine Vertretungshandlungen berichtet und ihre Anfragen wiederholt nicht beantwortet (ES 4 f, ES 6) bzw schlichtweg ignoriert (ES 7). Insbesondere unterließ es der Disziplinarbeschuldigte, die ihm zugestellte Ausfertigung des am vor dem Bezirksgericht L***** zu AZ ***** geschlossenen prätorischen Vergleichs seiner Mandantin zu übermitteln, wobei er auch auf deren diesbezügliche Urgenzen nicht reagierte bzw untätig blieb (ES 4 f). Die ihm zwischen Mai und August 2012 zugegangenen (fünf) Schreiben des Gegenvertreters unter anderem betreffend Erfüllung des Vergleichs bzw Androhung der Exekution ließ der Disziplinarbeschuldigte unbeantwortet (ES 4). Er leitete diese Schreiben nicht seiner Mandantin weiter und informierte diese auch nicht über deren Inhalt (ES 4, ES 7). Als schließlich ein Exekutionsantrag gegen Gabriele P***** eingebracht wurde und sie daraufhin Rechtsanwalt ***** per Fax um Stellungnahme ersuchte, brachte dieser beim Bezirksgericht L***** zu AZ ***** eine Oppositionsklage ein, die kostenpflichtig abgewiesen wurde (ES 4 f).

Der Disziplinarrat erkannte den Disziplinarbeschuldigten – mit noch hinreichender Deutlichkeit (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 19) – wegen eines zumindest fahrlässigen (vgl Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 DSt § 1 S 855) Verstoßes gegen § 9 Abs 1 RAO schuldig, wobei der hier anzuwendende Sorgfaltsmaßstab eine Rechtsfrage betrifft (Burgstaller in WK² StGB § 6 Rz 42 ff), der objektive Sorgfaltsverstoß grundsätzlich die subjektive Sorgfaltswidrigkeit indiziert (Burgstaller in WK² StGB § 6 Rz 91) und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Berufungswerber den objektiven Sorgfaltsanforderungen nicht hätte nachkommen können.

Die – vor einer Rechtsrüge zu behandelnde (Ratz, WK-StPO § 476 Rz 9) – Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vermag mit dem Vorbringen, aus den Akten AZ ***** und AZ ***** des Bezirksgerichts L***** könne abgeleitet werden, dass Gabriele P***** aufgrund ihrer Anwesenheit beim Vergleichsabschluss ausreichend informiert gewesen sei und weitere „Kontakte mit der Gegenseite“ weder zielführend noch erforderlich gewesen seien, keine Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Disziplinarrats zu wecken, der sich mit den vorliegenden Verfahrensergebnissen ausreichend auseinandergesetzt und nachvollziehbar sowie überzeugend darlegte, aus welchen Gründen er die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen traf.

Rechtliche Beurteilung

Das gegen die Annahme einer Berufspflichtenverletzung gerichtete Vorbringen der Nichtigkeitsberufung (der Sache nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) entzieht sich einer inhaltlichen Erwiderung, weil es mit der Behauptung, Gabriele P***** sei über den prätorischen Vergleich voll informiert gewesen und habe keine „Kontakte mit der Gegenseite“ gewünscht, nicht auf Basis des im Erkenntnis festgestellten Sachverhalts argumentiert und solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt materieller Nichtigkeit verfehlt (vgl RIS-Justiz RS0099810).

Die weiteren Rechtsmittelausführungen (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO), wonach „eine darüber hinaus gehende Kontaktaufnahme mit dem Mandanten durch den Abschluss des prätorischen Vergleichs überholt“ gewesen sei, der Disziplinarbeschuldigte also nach Abschluss des Vergleichs seiner Auftraggeberin nicht mehr berichten und deren Anfragen nicht mehr beantworten musste, widerspricht der gefestigten Standesauffassung, dass ein Rechtsanwalt verpflichtet ist, Anfragen seiner Mandantin zu beantworten und dieser – jedenfalls über ausdrückliches Verlangen – auch Kopien der ihm zugegangenen auftragsbezogenen Schriftstücke zu übermitteln (vgl Feil/Wennig, Anwaltsrecht8 DSt § 1 S 108; Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO9§ 9 RAO Rz 11) .

Der Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Nichtigkeit und wegen des Ausspruchs über die Schuld war daher nicht Folge zu geben.

Der Disziplinarrat wertete bei der Strafbemessung als erschwerend den längeren Deliktszeitraum sowie den Umstand, dass ***** wiederholte Anfragen seiner Mandantin schlichtweg ignorierte. Demgegenüber hielt die erste Instanz als mildernd fest, dass sich der Berufungswerber seit seiner letzten (noch nicht getilgten) Verurteilung wohl verhalten hatte.

Entgegen dem Berufungsvorbringen erweist sich die vom Disziplinarrat verhängte Sanktion sowohl tat- als auch schuldangemessen. Die Beharrlichkeit der Verletzung der Berichtspflicht, welche dazu führte, dass die Mandantin des Rechtsmittelwerbers die Vergleichsausfertigung letztendlich selbst bei Gericht besorgen musste und der Umstand, dass der Auftraggeberin nicht einmal über die Exekutionsandrohung berichtet wurde, stehen der Verhängung einer milderen Strafe oder dem Ausspruch eines bloßen Verweises entgegen.

Ein in der Berufungsausführung geforderter Schuldspruch ohne Strafausspruch iSd § 39 DSt scheitert schon daran, dass angesichts des durch mehrfache Disziplinarverurteilungen erheblich getrübten Vorlebens nicht davon ausgegangen werden kann, der Disziplinarbeschuldigte könnte durch eine solche Vorgangsweise von weiteren Disziplinarvergehen abgehalten werden.

Eine im Rechtsmittelvorbringen geforderte bedingte Nachsicht der Geldstrafe ist im Disziplinarstatut nicht vorgesehen.

Der Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe war daher gleichfalls nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 54 Abs 5 DSt iVm § 36 Abs 2 DSt.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0270OS00001.16Y.0126.000
Schlagworte:
Strafrecht,Standes- und Disziplinarrecht

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