OGH vom 07.06.2016, 10ObS39/16g
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, den Hofrat Univ. Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Dr. Reinhard Drössler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. J*****, vertreten durch Dr. Günter Schandor, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1050 Wien, Wiedner Hauptstraße 84 86, wegen Höhe der Alterspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Rs 61/15i 11, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
I. Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Kostenentscheidung richtet, als jedenfalls unzulässig zurückgewiesen.
II. Im Übrigen wird die außerordentliche Revision gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Der ***** 1948 geborene Kläger hat zum Stichtag insgesamt 601 Versicherungsmonate erworben, davon 174 Beitragsmonate nach dem ASVG, 410 Beitragsmonate nach dem GSVG und 17 Ersatzmonate. Es liegen 48 Monate für Zeiten der Kindererziehung vor, welche sich mit weiteren Versicherungszeiten decken. Der Kläger erfüllte im Jahr 2009 die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer.
Mit Bescheid vom anerkannte die beklagte Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft den Anspruch des Klägers auf Alterspension ab und sprach aus, dass die Pension ab 1.391,07 EUR brutto monatlich betrage.
Das Erstgericht sprach – den Bescheid der beklagten Partei wiederholend – aus, dass die beklagte Partei schuldig sei, dem Kläger ab eine Alterspension in Höhe von 1.391,07 EUR brutto monatlich zu zahlen und wies das auf Leistung einer höheren Pension gerichtete Mehrbegehren ab.
Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung des Mehrbegehrens gerichteten Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Weiters wird die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts bekämpft.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht zulässig.
Zu Punkt I des Spruchs:
Die gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts gerichtete außerordentliche Revision des Klägers ist unzulässig, soweit damit die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Kostenpunkt bekämpft wird. Die Entscheidung des Gerichts zweiter Instanz über den Kostenpunkt kann nämlich weder im Rahmen der Revision noch mit Rekurs bekämpft werden; dies gilt auch in Sozialrechtssachen (10 ObS 407/97v, SSV-NF 12/22 mwN; RIS Justiz RS0104146). Die Revision im Kostenpunkt ist daher als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.
Zu Punkt II des Spruchs:
Im Übrigen ist die Revision mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen:
1. Entsprechend § 298 Abs 18 GSVG haben die Vorinstanzen zum Stichtag eine Vergleichspension unter Anwendung der am in Geltung gestandenen Rechtslage ermittelt und die Vergleichspension der Neupension gegenübergestellt. Dem Rechtsbestand zum gehörte auch § 139 Abs 6 GSVG an, nachdem der Steigerungsbetrag 80 % der höchsten zur Anwendung kommenden Bemessungsgrundlage (§§ 122 Abs 1, 123 Abs 1, 126 GSVG) nicht übersteigen durfte. Dass die Vorinstanzen bei Errechnung der Vergleichspension nach der Rechtslage zum § 139 Abs 6 GSVG berücksichtigt haben, ist somit nicht zu beanstanden. Die Aufhebung dieser Regelung mit dem Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71, mit Wirkung ab (§ 298 Abs 2 Z 1 GSVG) bleibt für die Errechnung der Vergleichspension ohne Auswirkung.
2.1 Für die Berechnung des Steigerungsbetrags (und damit der Pensionshöhe) gemäß den §§ 139 ff GSVG ist gemäß § 125 GSVG eine Gesamtbemessungsgrundlage zu bilden, welche die Summe der Bemessungsgrundlagen (§§ 122 Abs 1, 123, 126 GSVG) aller für das Ausmaß der Pension nach dem GSVG, dem ASVG, dem BSVG und dem FSVG zu berücksichtigenden Versicherungsmonate geteilt durch die Summe der Versicherungsmonate ist. Diese Gesamtbemessungsgrundlage ist jedoch nicht alleine ausschlaggebend für die Pensionshöhe. Die Pensionshöhe ist vielmehr nur ein bestimmter Prozentsatz (Steigerungsbetrag gemäß § 139 GSVG) der Gesamtbemessungsgrundlage.
2.2 Nach dem (mittlerweile aufgehobenen) § 139 Abs 6 GSVG durfte der Steigerungsbetrag grundsätzlich 80 % der höchsten zur Anwendung kommenden Bemessungsgrundlage (§§ 122 Abs 1, 123 Abs 1, 126 GSVG) nicht übersteigen, wobei nicht die Gesamtbemessungsgrundlage iSd § 125 GSVG die „höchste zur Anwendung kommende Bemessungsgrundlage“ iSd § 139 Abs 6 GSVG ist, sondern § 139 Abs 6 GSVG dahin zu verstehen ist, dass auch mit den Kindererziehungszeiten 80 % der höchsten Bemessungsgrundlage (entweder jener nach der Berechnung nach § 122 Abs 1 bzw § 126 GSVG oder der pauschalen für Zeiten der Kindererziehung) nicht überschritten werden dürfen und dabei die Gesamtbemessungsgrundlage nach § 125 GSVG außer Betracht zu bleiben hat (RIS Justiz RS0115808).
3. Zur Neupension (Stichtag ):
3.1 Zu den Zeiten der Kindererziehung:
Nach § 123 Abs 1 GSVG ist Bemessungsgrundlage für Zeiten der Kindererziehung der um 50 % erhöhte Richtsatz gemäß § 150 Abs 1 lit a sublit bb GSVG. Überschneiden sich Zeiten der Kindererziehung und andere Versicherungsmonate (ausgenommen Beitragsmonate der Selbstversicherung gemäß § 18a ASVG), wird für diese sich überschneidenden Zeiten die normale Bemessungsgrundlage und die einheitliche Bemessungsgrundlage für die Kindererziehung zusammengezählt (§ 123 Abs 3 GSVG). Von der Summe dieser Bemessungsgrundlage gebührt dann der Steigerungsbetrag für diese Zeiten ( Teschner/Widlar , MGA GSVG, 73. ErgLfg, § 123 Anm 1). Durch die Zusammenzählung der beiden Bemessungsgrundlagen nach § 123 Abs 3 GSVG kommt es bei deckenden Kindererziehungszeiten somit zu einer höheren Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Steigerungsbetrags (RIS Justiz RS0114479 [T1]; 10 ObS 3/08a, SSV NF 22/15). Durch diese Regelung soll bewirkt werden, dass auch bei Versicherten, die während der Zeit der Erziehung eines Kindes einer Erwerbstätigkeit nachgegangen sind, die Kindererziehungszeit in Bezug auf die Pensionshöhe leistungssteigernd berücksichtigt wird.
3.2 Dementsprechend haben die Vorinstanzen bei der Berechnung der Neupension zu der mit 1.560,41 EUR ermittelten Bemessungsgrundlage nach § 122 GSVG unter Berücksichtigung von 48 Monaten an – sich mit anderen Versicherungszeiten deckenden – Kindererziehungszeiten die Bemessungsrundlage für Kindererziehungszeiten nach § 123 Abs 1 GSVG (für 2014: 1.046,43 EUR) hinzugezählt und die Höhe der Gesamtbemessungsgrundlage nach § 125 GSVG letztlich mit 1.643,99 EUR ermittelt. Im Hinblick darauf bleibt das Revisionsvorbringen, die Vorinstanzen hätten es verabsäumt, die sich deckenden Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen, und sich auch darüber hinweggesetzt, dass der Kläger die Bemessungsgrundlage zum Stichtag „mit“ Kindererziehungszeiten beantragt habe, indem sie nur von Bemessungsgrundlagen „für“ Kindererziehungszeiten ausgegangen seien, nicht nachvollziehbar.
4. Weiters vertritt der Revisionswerber den Standpunkt, die mit 1.643,99 EUR ermittelte Gesamtbemessungsgrundlage nach § 125 GSVG wäre als höchste zur Anwendung kommende Bemessungsgrundlage für die Pension maßgeblich, sodass „der Zuspruch auf 1.643,99 EUR lauten hätte müssen“.
Auch mit diesem Vorbringen gelingt es aber nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen:
4.1 Die für die Errechnung der Neupension maßgebliche Rechtslage zum Stichtag stellt sich wie folgt dar:
Im Dauerrecht war infolge Aufhebung des § 139 Abs 6 GSVG mit die Limitierung der Leistung auf 80 % der höchsten zur Anwendung kommenden Bemessungsgrundlage (§ 122 GSVG: Bemessungsgrundlage zum Stichtag, § 123 GSVG: Bemessungsgrundlage für Kindererziehungszeiten, § 126 GSVG: Bemessungsgrundlage in besonderen Fällen) entfallen. Personen, die mehr als 45 Versicherungsjahre erworben haben, ist es demnach seither möglich, mehr als 80 % der Bemessungsgrundlage als Leistung zu lukrieren ( Teschner/Widlar , MGA GSVG, 103. ErgLfg § 140 Anm 12). Im Übergangsrecht wurde die Limitierung grundsätzlich aufrechterhalten, indem für Stichtage von 2004 bis 2008 höhere Steigerungspunkte vorgesehen sind, wobei allerdings bei mehr als 45 Versicherungsjahren diese Grenze auf der Basis der nach Dauerrecht geltenden Steigerungspunkte erweitert werden sollte (AB 111 BlgNR 22. GP 20). Durch diese Maßnahme sollte ein Anreiz zum längeren Verbleib im Arbeitsprozess gegeben werden ( Teschner/Widlar , MGA GSVG, 103. ErgLfg § 140 Anm 12).
Die entsprechende Regelung wurde in die Übergangsbestimmungen des § 298 Abs 14 GSVG aufgenommen, deren Sätze 2 und 3 wie folgt lauten:
„Die Leistung, mit Ausnahme eines besonderen Steigerungsbetrags (§ 141), darf in diesen Fällen 80 % der höchsten zur Anwendung kommenden Bemessungsgrundlage (§§ 122 Abs. 1, 123 Abs. 1, 126) nicht übersteigen. Liegen jedoch mehr als 45 Versicherungsjahre vor, so beträgt die Leistung jenes Prozentausmaß der höchsten zur Anwendung kommenden Bemessungsgrundlage, das sich aus § 139 Abs. 2 idF des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 71/2003 ergibt.“
4.2 Offenbar vertritt der Revisionswerber mit seinem Vorbringen „der Zuspruch hätte auf 1.643,99 EUR lauten müssen“, den Standpunkt, die Gesamtbemessungsgrundlage nach § 125 GSVG sei „die höchste zur Anwendung kommende Bemessungsgrundlage“ iSd § 298 Abs 14 Satz 2 und 3 GSVG. Einer derartigen Auslegung ist der Oberste Gerichtshof aber bereits in Bezug auf die – im Wesentlichen – gleichlautende Regelung des § 607 Abs 15 ASVG nicht gefolgt. In der zu § 607 Abs 15 ASVG ergangenen Entscheidung 10 ObS 3/08a, SSV NF 22/15, wurde den Rechtsausführungen zur behaupteten Verfassungswidrigkeit dieser Regelung zu Grunde gelegt, in der in Klammern angeführten Verweisung auf „die höchste zur Anwendung kommende Bemessungsgrundlage“ werde nicht auf die Gesamtbemessungsgrundlage nach § 240 ASVG, sondern nur auf die Bemessungsgrundlagen nach den §§ 238 Abs 1, 239 Abs 1 und 241 ASVG hingewiesen. Dem eindeutigen Wortlaut des § 607 Abs 15 ASVG sei demnach der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, dass eine allfällig höhere Gesamtbemessungsgrundlage nicht über die Bemessungsgrundlage nach den §§ 238 Abs 1, 239 Abs 1, 241 ASVG hinaus zum Tragen kommen solle (RIS-Justiz RS0115808 [T1]).
Die Ansicht der Vorinstanzen, die Gesamtbemessungsgrundlage nach § 125 GSVG könne daher schon ihrem Wortlaut nach bei der Berechnung der Neupension nicht die „höchste zur Anwendung kommende Bemessungsgrundlage“ und damit auch nicht Grundlage des sich aus § 139 Abs 2 idF des BGBl I Nr 71/2003 ergebenden Prozentausmaßes sein, steht mit dieser Rechtsprechung im Einklang. In gleicher Weise ist im Übrigen auch bereits § 139 Abs 6 GSVG ausgelegt worden (siehe oben Pkt 2.2).
4.3 Sollte der Revisionswerber mit seinem Vorbringen einen Zuspruch der Pension in Höhe von 1.643,99 EUR (also in Höhe der Gesamtbemessungsgrundlage nach § 125 GSVG) anstreben, kann ein solcher Zuspruch schon im Hinblick darauf nicht erfolgen, dass – wie bereits dargelegt – die Pensionshöhe immer nur ein bestimmter Prozentsatz (Steigerungsbetrag gemäß § 139 GSVG) der Gesamtbemessungsgrundlage ist.
Die außerordentliche Revision war daher als unzulässig zurückzuweisen.
European Case Law Identifier
ECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00039.16G.0607.000