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OGH vom 12.04.2012, 10ObS39/12a

OGH vom 12.04.2012, 10ObS39/12a

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Susanne Jonak (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Dr. U*****, vertreten durch Mag. Martin Meier Rechtsanwalts GmbH in Graz, und des Nebenintervenienten auf Seiten der klagenden Partei Mag. H*****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KG in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, Josef-Pongratz-Platz 1, 8011 Graz, wegen Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld (Revisionsinteresse 5.303,45 EUR), über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen vom , GZ 6 Rs 101/11m 12, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag der klagenden Partei, gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 Satz 1 B-VG den Verfassungsgerichtshof anzurufen und ein Gesetzesprüfungsverfahren zur Aufhebung der von der Klägerin näher bezeichneten Bestimmungen des KBGG über die Zuverdienstgrenze wegen Verfassungswidrigkeit einzuleiten, wird zurückgewiesen.

Die beiden außerordentlichen Revisionen werden gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Klägerin bezog für ihre am geborene Tochter J***** vom 1. 1. bis Kinderbetreuungsgeld in Höhe von insgesamt 5.303,45 EUR.

Mit Bescheid vom widerrief die Beklagte die Zuerkennung des Kinderbetreuungsgeldes und verpflichtete die Klägerin zum Rückersatz, weil der nach § 8 KBGG für das Jahr 2007 maßgebliche Gesamtbetrag ihrer Einkünfte (von 33.653,54 EUR) die Zuverdienstgrenze (von 14.600 EUR) bei weitem (um mehr als 15 %) überschritten hatte.

Das Erstgericht wies das dagegen erhobene Klagebegehren, den Anspruch auf Rückforderung als nicht zu Recht bestehend festzustellen, ab und verpflichtete die Klägerin zur Rückzahlung des Kinderbetreuungsgeldes von 5.303,45 EUR in 18 Monatsraten.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

In den beiden außerordentlichen Revisionen machen die Klägerin und der Nebenintervenient nur solche Bedenken gegen Verfassungskonformität der Regelungen des KBGG über die Zuverdienstgrenze (fiktive Berechnung der maßgebenden Einkünfte) geltend, die bereits das Berufungsgericht mit ausführlicher Begründung (im Hinblick auf die zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofs) verneint hat. Die Revisionswerber zeigen damit keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung auf:

1. Der Hinweis der Klägerin auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom , G 184/10, die Nichtberücksichtigung von Unterhaltsverpflichtungen des rückzahlungspflichtigen Elternteils gegenüber weiteren Kindern bei der Bemessung der Abgabe nach § 18 Abs 1 Z 1 KBGG sei unsachlich und verfassungswidrig, weil sich die Höhe nach dem „modifizierten“ Einkommen gemäß § 2 Abs 2 EStG bemesse und Unterhaltslasten gegenüber Kindern grundsätzlich das steuerliche Einkommen nicht minderten -geht ins Leere, weil die Klägerin lediglich ihre (einzige) Tochter J***** (gemeinsam mit dem Kindesvater) betreut. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend aufzeigt, liegt der angesprochene Fall also gar nicht vor. Im Übrigen ist hier nicht die Rückzahlung zu Recht bezogener Zuschüsse zum Kinderbetreuungsgeld nach der mittlerweile (vgl BGBl I 2009/116) aufgehobenen Bestimmung des § 18 KBGG, sondern die Rückzahlung zu Unrecht empfangener Leistungen an Kinderbetreuungsgeld nach § 31 KBGG verfahrensgegenständlich.

2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits am in mehreren Verfahren, welche die Rückforderung von Kinderbetreuungsgeld wegen Überschreitung der jeweils maßgebenden Zuverdienstgrenze zum Gegenstand hatten, gemäß Art 89 Abs 2 B-VG beim Verfassungsgerichtshof hinsichtlich § 2 Abs 1 Z 3, § 8, § 9 Abs 3, § 12 Abs 1 und Abs 2, § 13 letzter Satz und § 31 Abs 2 zweiter Satz KBGG (jeweils idF BGBl I 2001/103) beantragt, diese Bestimmungen als verfassungswidrig aufzuheben bzw auszusprechen, dass sie (oder näher bezeichnete Wortfolgen) verfassungswidrig waren (vgl RIS-Justiz RS0124062 und die Bem zu RS0124063).

3. Die Rechtsmittelwerber halten selbst fest, dass der Verfassungsgerichtshof diesen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Verfassungsmäßigkeit nicht gefolgt ist und mit Erkenntnis vom , G 128/08-6 ua, den Gesetzesprüfungsantrag abgewiesen hat. Dem Standpunkt der Rechtsmittelwerber, es sei dennoch die grundsätzliche Frage „offen“, ob die Regelung einer Zuverdienstgrenze beim Kinderbetreuungsgeld „an sich“ verfassungsrechtlich unbedenklich sei, kann daher nicht beigetreten werden. Schon das Berufungsgericht hat vielmehr (zum Teil unter wörtlicher Wiedergabe der diesbezüglichen, entgegen der Auffassung des Nebenintervenienten keineswegs nur „kursorischen“ Ausführungen des zitierten Erkenntnisses) ausführlich dargelegt, weshalb der Verfassungsgerichtshof in der gesetzlich festgelegten Grenze und der Berechnung der Höhe des Zuverdiensts keine Verfassungswidrigkeit erkennen konnte. In den außerordentlichen Revisionen wird zu Recht nicht einmal behauptet, dass die diesbezügliche Argumentation der Berufungsentscheidung eine unvertretbare, vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende Fehlbeurteilung darstelle.

4. Abschließend ist nur noch zu ergänzen, dass sich der Oberste Gerichtshof erst jüngst ausdrücklich mit der Behauptung befasst hat, mit dem Gleichheitssatz sei es unvereinbar, dass die Kindesbetreuungsgeldrückforderung - wie auch der dortige Revisionswerber vorbrachte nur bei zufällig im Rahmen von Stichproben ausgewählten Fällen erfolge: Zu 10 ObS 66/11w wurde (auch) in dieser Frage auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs verwiesen, wonach einer Partei kein Recht daraus erwächst, dass die Behörde in anderen Fällen Fehlverhalten nicht geahndet hat (hier eine Rückforderung zu Unrecht bezogenen Kinderbetreuungsgeldes unterlassen hat), wäre das Ergebnis doch ein Anspruch auf die Nichtanwendung des Gesetzes trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit (, VfSlg 12.796; , VfSlg 15.903).

5. Demgemäß sieht sich der Oberste Gerichtshof weiterhin nicht zur von der Klägerin ausdrücklich beantragten und vom Nebenintervenienten angeregten (neuerlichen) Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof zwecks Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Bestimmungen des KBGG veranlasst. Da den Parteien nach ständiger Rechtsprechung ein Recht, vom Gericht die Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof auf Aufhebung eines Gesetzes wegen Verfassungswidrigkeit zu verlangen, nicht zusteht (RIS-Justiz RS0054189 und RS0058452), ist der diesbezügliche Antrag der Klägerin zurückzuweisen (RIS Justiz RS0053805 [T13]; 10 ObS 175/10y; 10 ObS 123/08y, SSV-NF 22/78 mwN).

Mangels erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO sind die außerordentlichen Revisionen als unzulässig zurückzuweisen.