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OGH vom 23.05.2005, 10ObS39/05s

OGH vom 23.05.2005, 10ObS39/05s

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Jörg Krainhöfner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Ernst Löwe (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Brigitte S*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in Enns, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, im Revisionsverfahren nicht vertreten, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 101/04h-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 24 Cgs 38/02p-28, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidung des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei die Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab zu gewähren, wird abgewiesen."

Die klagende Partei hat die Kosten der Verfahren aller drei Instanzen selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht erkannte die beklagte Partei schuldig, der Klägerin eine Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß ab zu gewähren. Es stellte im Wesentlichen fest, dass die am geborene Klägerin, die zunächst als Heimarbeiterin, Hausangestellte, Reinigungskraft und Küchengehilfin tätig war, von 1993 bis 1998 im Diakonissenkrankenhaus in Linz zunächst als Stationsgehilfin und nach Ablegung einer Prüfung als Pflegehelferin und Altenfachbetreuerin, von 1998 bis 1999 als Altenfachbetreuerin bei der Volkshilfe Steyr und zuletzt im Juni 2001 als Altenfachbetreuerin in einem Altersheim beschäftigt war. Die Klägerin absolvierte im Jahr 1994 eine Ausbildung zur Stationsgehilfin im AKH Linz und eine Aufschulung zur Pflegehelferin. Von Mai 1996 bis November 1996 absolvierte sie einen Kurs für Altenfachbetreuung, der durch das Oberösterreichische Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetz geregelt ist.

Bei ihrer Tätigkeit als Pflegehelferin im Diakonissenkrankenhaus half die Klägerin Patienten bei der täglichen Körperpflege, führte die Essensausgabe durch und unterstützte die Patienten beim Essen. Weiters wurden von ihr Patienten umgebettet, die Bettwäsche gewechselt und erforderliche Routinekontrollen (zB der Körpertemperatur und des Gewichtes) durchgeführt. Weiters begleitete die Klägerin Patienten zu den Untersuchungen im Krankenhaus.

Die Aufgabe der Klägerin als Altenfachbetreuerin bei der Volkshilfe Steyr bestand vor allem in der Unterstützung von Senioren durch Hilfestellung im hauswirtschaftlichen Bereich, bei der Reinigung, Wäschepflege, Zubereitung von Mahlzeiten sowie beim Einkauf von Lebensmitteln und Medikamenten. Die Klägerin führte auch Behördengänge mit Senioren durch, begleitete diese zum Arzt und erbrachte auch noch andere Leistungen.

Auf Grund des näher festgestellten medizinischen Leistungskalküls kann die Klägerin die bisher ausgeübte Tätigkeit als Pflegehelferin und Altenfachbetreuerin nicht mehr verrichten. Die Verrichtung qualifizierter Pflege- und Altenbetreuungsberufe kommt im Hinblick auf das medizinische Leistungskalkül nicht in Betracht. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kann sie beispielsweise noch die Tätigkeiten einer Bürodienerin im Verwaltungsdienst, einer Bürohausportierin bzw Portierin in einem Krankenhaus sowie Tätigkeiten in einer innerbetrieblichen Poststelle (Briefpost oder leichtere Paketpost) verrichten.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, die Klägerin sei in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend im Pflegebereich tätig gewesen und verfüge bereits seit Anfang 1994 über die Fähigkeiten und Kenntnisse einer Altenfachbetreuerin. Sie habe daher in den letzten 15 Jahren vor dem Stichtag überwiegend eine qualifizierte Tätigkeit ausgeübt, sodass ihr Berufsschutz als Altenfachbetreuerin zukomme. Da sie die Tätigkeit einer Altenfachbetreuerin sowie zumutbare Verweisungstätigkeiten im Pflegebereich nicht mehr verrichten könne, habe sie Anspruch auf die begehrte Pensionsleistung.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge, hob das Ersturteil auf, verwies die Rechtssache zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück und sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Nach ständiger Rechtsprechung übe eine Pflegehelferin in einem Krankenhaus oder Pflegeheim keine Angestelltentätigkeit aus, weshalb der Anspruch der Klägerin auf Berufsunfähigkeitspension nach dem Invaliditätsbegriff des (analog anzuwendenden) § 255 ASVG zu beurteilen sei. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Klägerin im Hinblick auf die von ihr am absolvierte Abschlussprüfung als Altenfachbetreuerin einen erlernten Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG ausgeübt habe, da dem festgestellten Berufsverlauf entnommen werden könne, dass sie selbst ausgehend von einem solchen Berufsschutz diese qualifizierte Tätigkeit nicht in mehr als der Hälfte der Beitragsmonate während der letzten 15 Jahre vor dem Stichtag ausgeübt habe.

Die Frage, ob ein angelernter Beruf im Sinn des § 255 Abs 2 ASVG vorliege, sei eine Rechtsfrage, für deren Lösung ausreichende Tatsachenfeststellungen einerseits über die Anforderungen, die an einen gelernten Arbeiter in diesem Beruf in der Praxis üblicherweise gestellt werden und andererseits über die Kenntnisse und Fähigkeiten, über die der Versicherte im konkreten Fall verfüge, erforderlich seien. Die „Feststellung" des Erstgerichtes, die Klägerin verfüge zumindest seit Anfang 1994 über die Fähigkeiten und Kenntnisse, die durch die Ausbildung als Altenfachbetreuerin vermittelt werden, sei eine vorweggenommene rechtliche Beurteilung, für die allerdings das erforderliche Tatsachensubstrat fehle. Das Erstgericht werde daher im fortzusetzenden Verfahren nähere Feststellungen zur Frage, welche Kenntnisse von einer ausgelernten Altenfachbetreuerin am Arbeitsmarkt tatsächlich verlangt werden und ob - allenfalls seit welchem Zeitpunkt - die Klägerin bereits vor Absolvierung ihrer Abschlussprüfung über diese (theoretischen) Kenntnisse verfügt habe, zu treffen haben.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Frage des Berufsschutzes einer Altenfachbetreuerin noch keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Dagegen richtet sich der Rekurs der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, in der Sache selbst das Ersturteil wiederherzustellen.

Die beklagte Partei erstattete keine Rekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Klägerin ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig und - allerdings zu ihrem Nachteil - im Ergebnis auch insoweit berechtigt, als er die Spruchreife der Sache geltend macht.

Eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens erblickt die Klägerin darin, dass die Vorinstanzen die Frage eines Berufsschutzes als Altenfachbetreuerin geprüft hätten, obwohl die beklagte Partei in ihrem Prozessvorbringen diesen Berufsschutz der Klägerin schlüssig anerkannt bzw zugestanden und auch in der Berufung nicht in Zweifel gezogen habe.

Eine ausdrückliche oder stillschweigende Außerstreitstellung eines Berufsschutzes der Klägerin als Altenfachbetreuerin durch die beklagte Partei im Sinne der §§ 266, 267 ZPO liegt nicht vor. Es handelt sich zwar beim Begriff des Berufsschutzes für Personen, die mit dem Pensionsversicherungsrecht vertraut sind und damit auch für die gemäß § 40 Abs 1 Z 3 ASGG für die Sozialversicherungsträger einschreitenden qualifizierten Vertreter, um einen geläufigen und eindeutigen Rechtsbegriff, sodass insoweit die dem Rechtsbegriff zugrundegelegten Tatsachen als zugestanden gelten (SSV-NF 13/23), doch liegt das von der Klägerin behauptete Geständnis der beklagten Partei nicht vor. Ein ausdrückliches Zugeständnis eines Berufsschutzes der Klägerin durch die beklagte Partei ist nicht erfolgt. Die Rechtsprechung lässt den Schluss von einer unterbliebenen Bestreitung auf ein schlüssiges Geständnis (§ 267 ZPO) im Allgemeinen nur dann zu, wenn dafür im Einzelfall gewichtige Indizien sprechen (SZ 66/59 = RIS-Justiz RS0039927 [T 3]). Es trifft zwar zu, dass die beklagte Partei die von der Klägerin behauptete Tätigkeit als „Altenfachbetreuerin" nicht bestritten hat, doch lässt sich daraus noch nicht ableiten, dass die beklagte Partei damit auch einen Berufsschutz der Klägerin auf Grund dieser Tätigkeit anerkannt hätte. Die strittige Frage des Berufsschutzes der Klägerin bildete vielmehr einen erheblichen Prozessgegenstand des Verfahrens erster Instanz und stand auch im Mittelpunkt der Berufungsausführungen der beklagten Partei. Eine ausdrückliche oder schlüssige Außerstreitstellung des von der Klägerin behaupteten Berufsschutzes durch die beklagte Partei liegt daher nicht vor. Dass es sich bei der „Feststellung" des Erstgerichtes „die Klägerin verfüge zumindest seit Anfang 1994 über die Fähigkeiten und Kenntnisse, die durch die Ausbildung als Altenfachbetreuerin vermittelt werden", um keine im Rahmen einer Tatsachenrüge zu bekämpfende Tatsachenfeststellung, sondern um eine in der Berufung der beklagten Partei auch tatsächlich bekämpfte rechtliche Beurteilung handelte, wurde bereits vom Berufungsgericht zutreffend dargelegt.

In der Sache selbst vertritt die Klägerin weiterhin die Auffassung, sie habe als Altenfachbetreuerin eine qualifizierte Tätigkeit ausgeübt und genieße daher Berufsschutz. Die für die berufliche Ausübung der Altenbetreuung erforderliche Ausbildung und die damit verbundenen Befugnisse seien im OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetz (LGBl 1992/59) geregelt. Die Ausbildung zur Altenbetreuerin könne nicht nur in einer Schule für Altenbetreuung erfolgen, sondern es bestehe gemäß § 10 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes für eine Pflegehelferin die Möglichkeit zur Absolvierung einer Zusatzausbildung zur Altenbetreuerin. Von dieser Möglichkeit habe die Klägerin Gebrauch gemacht und sie genieße deshalb ebenso wie die Absolventin einer Ausbildung zur Altenbetreuerin in einer Schule für Altenbetreuung Berufsschutz. Damit sei die Rechtssache im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles entscheidungsreif.

Der erkennende Senat hat dazu Folgendes erwogen:

Die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, dass der Anspruch der Klägerin auf Berufsunfähigkeitspension inhaltlich nach dem Invaliditätsbegriff des (analog anzuwendenden) § 255 ASVG zu beurteilen ist (SSV-NF 15/15, 14/61 mwN ua; RIS-Justiz RS0083723), wird von der Klägerin zu Recht nicht mehr in Zweifel gezogen, sodass auf diese Frage nicht weiter einzugehen ist.

Ein erlernter Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG ist ein Beruf, für den ein bestimmter Ausbildungsgang vorgeschrieben ist, dessen erfolgreicher Abschluss Voraussetzung für die Ausübung dieses Berufes ist (SSV-NF 15/15, 4/166 mwN; RIS-Justiz RS0084513). Nach § 255 Abs 2 ASVG liegt ein angelernter Beruf vor, wenn der Versicherte eine Tätigkeit ausübt, für die es erforderlich ist, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass es sich bei der Tätigkeit einer Stationsgehilfin und einer Pflegehelferin im Sinne des Krankenpflegegesetzes 1961 (BGBl 1961/102) weder um einen erlernten noch um einen angelernten Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 (und 2) ASVG handelt (SSV-NF 12/6, 11/67, 8/48, 5/71 ua). In der Entscheidung 10 ObS 117/00d (= SSV-NF 14/61) hat der Oberste Gerichtshof näher begründet, dass es sich insbesondere auch beim Beruf des Pflegehelfers im Sinne des Gesundheits- und KrankenpflegeG (GuKG), BGBl I 1997/108, um keinen erlernten oder angelernten Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 (und 2) ASVG handelt. Es wurde darauf hingewiesen, dass nach den Bestimmungen des GuKG die grundsätzliche Ausbildungsdauer für den Beruf Pflegehelfer ein Jahr (1600 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis), für den Beruf des diplomierten Krankenpflegepersonals hingegen drei Jahre (mindestens 4600 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis) betrage, woraus sich ergebe, dass die mindestens dreijährige Ausbildung im gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege ganz offenkundig viel weitergehendere Kenntnisse und Fähigkeiten vermittle (SSV-NF 16/131; 10 ObS 314/00z ua).

An dieser Auffassung hat der Oberste Gerichtshof auch in der bereits vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 10 ObS 357/00y vom (= SSV-NF 15/15) ausdrücklich festgehalten, wobei in dieser Entscheidung der Berufsschutz einer als Alten- und Pflegehelferin tätig gewesenen Versicherten, die im Rahmen einer insgesamt zweijährigen (theoretischen und praktischen) Ausbildung über die Ausbildung als Pflegehelferin hinausgehende und für ihre spezielle Tätigkeit erforderliche zusätzliche qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten in einem erheblichen Umfang erworben hatte, zu beurteilen war. Es wurde darauf hingewiesen, dass neben den Berufen nach dem GuKG (gehobener Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege; Pflegehilfe) auch die Alten-, Familien- und Heimpflege zu den Pflegeberufen gezählt werde und diese Berufsgruppe insbesondere die Betreuung älterer und pflegebedürftiger Personen und Familien in schwierigen Lebenssituationen umfasse. Solche „reinen Pflegedienste" seien in kompetenzrechtlicher Hinsicht gemäß Art 15 Abs 1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung Landessache und es seien solche Dienste bereits durch einige Landesgesetze geregelt, wie zB im Wiener Heimhilfegesetz (WHHG, LGBl 1997/23), im OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetz (LGBl 1992/59) oder im Stmk Alten-, Familien- und HeimhilfeG (AFHG, LGBl 1996/6). In der Entscheidung SSV-NF 15/15 wurde der Berufsschutz der damaligen Klägerin, die an einer Fachschule für Altendienste eine insgesamt zweijährige Ausbildung (1920 Stunden theoretische Ausbildung und 1296 Arbeitsstunden Pflichtpraktikum) als Alten- und Pflegehelferin absolviert hatte, im Sinn des § 255 Abs 1 ASVG (in SSV-NF 15/15 unrichtig mit § 255 Abs 2 ASVG wiedergegeben) bejaht, wobei allgemein darauf hingewiesen wurde, dass es sich bei erlernten Berufen im Sinne des § 255 Abs 1 ASVG vor allem um die in der Lehrberufsliste gemäß § 7 BAG angeführten Lehrberufe handle, bei denen die Dauer der Lehrzeit gemäß § 6 Abs 1 BAG innerhalb eines zeitlichen Rahmens von zwei bis vier Jahren in der Regel drei Jahre zu betragen habe. Es gebe jedoch eine Reihe von Lehrberufen mit einer nur zweijährigen Ausbildungszeit (zB Hutmacher, Kosmetiker, Masseur, Modist, Fußpfleger usw). Die von der Klägerin im Verfahren SSV-NF 15/15 absolvierte Ausbildungszeit erreiche daher bereits jenes Maß, welches allgemein nach den Ausbildungsvorschriften für einen Lehrberuf gefordert werde. Nicht entscheidend sei, dass es auch (andere) landesgesetzliche Regelungen mit einer zum Teil erheblich kürzeren Ausbildungszeit gebe. Dieser Umstand lasse vielmehr nur den Schluss zu, dass die damalige Klägerin eine im Vergleich dazu qualifizierte Ausbildung genossen habe und daher wohl auch über qualifiziertere Kenntnisse und Fähigkeiten in ihrem Beruf verfüge. Es sei aber nicht nur die Dauer, sondern auch der näher festgestellte Inhalt der von der damaligen Klägerin absolvierten Ausbildung mit der Ausbildung in einem Lehrberuf durchaus vergleichbar. Auf Grund dieser Erwägungen bejahte der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SSV-NF 15/15 den Berufsschutz der damaligen Klägerin, wobei ergänzend noch darauf hinzuweisen ist, dass nach ständiger Rechtsprechung ein erworbener Berufsschutz auch durch später ausgeübte Teiltätigkeiten weiterhin erhalten werden kann (RIS-Justiz RS0084497 ua).

Es wurde somit bereits in der Entscheidung SSV-NF 15/15 darauf hingewiesen, dass die Regelung des Berufsbildes, der Tätigkeitsbereiche und der Ausbildung von Altenbetreuern, Familienhelfern und Heimhilfen gemäß Art 15 Abs 1 B-VG in die Zuständigkeit der Länder fällt und bisher einzelne Länder bereits entsprechende Gesetze für den Alten- und Familienbereich sowie für die Heimhilfen erlassen haben. Es bestehen somit derzeit keine österreichweit einheitlichen Berufsbilder oder Ausbildungsvorschriften für die genannten Sozialbetreuungsberufe. Aus dieser unterschiedlichen Rechtslage resultieren eine Reihe von Problemen (vgl dazu Rubisch, Einheitliche Ausbildungen und Berufsbilder im Pflege- und Behindertenbereich, SozSi 2003, 232). Durch eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Art 15a B-VG über Sozialbetreuungsberufe sollen daher Berufsbilder und -bezeichnungen harmonisiert, einheitliche Qualitäts- und Ausbildungsstandards festgelegt sowie Doppelgleisigkeiten beseitigt werden (vgl Flemmich, Sachleistungsvorsorge oder Kostenerstattung - die Entwicklung im Pflegebereich, RdM 2004/40 [76 f]).

Für die Beurteilung eines Berufsschutzes der Klägerin sind die Ausbildungsvorschriften des bis in Geltung gestandenen OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes (LGBl 1992/59) und der OÖ Altenbetreuungs-AusbildungsVO (LGBl 1993/34) maßgebend, da die Ausbildungsvorschriften des OÖ Altenfachbetreuungs- und Heimhilfegesetzes (OÖ AFBHG, LGBl 2002/54) sowie der OÖ Altenfachbetreuungs- und Heimhilfe-Verordnung (LGBl 2004/70) erst zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten sind, in dem die Klägerin nicht mehr in Beschäftigung stand (vgl SSV-NF 6/69). Nach § 9 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes hat die Ausbildung zum Altenbetreuer in einer Schule für Altenbetreuung zu erfolgen. Sie umfasst einen theoretischen (in einer Gesamtdauer von mindestens 600 Unterrichtseinheiten) und einen praktischen Teil (in einer Gesamtdauer von zumindest 400 Stunden) und wird mit einer kommissionellen Prüfung abgeschlossen. Für einen Pflegehelfer besteht gemäß § 10 Abs 1 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes die Möglichkeit der Absolvierung einer Zusatzausbildung zum Altenfachbetreuer. Diese Zusatzausbildung hat durch eine Schule für Altenbetreuung zu erfolgen und soll insbesondere den Ausbildungsstand des Pflegehelfers in den altenspezifischen Fächern durch einen theoretischen Unterricht in der Dauer von insgesamt 250 Unterrichtseinheiten ergänzen und vertiefen. Die Zusatzausbildung wird mit einer Prüfung, die höchstens zweimal wiederholt werden darf, abgeschlossen. Nach § 10 Abs 2 des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes hat die Zusatzausbildung des Pflegehelfers durch den Erwerb theoretischer fachlicher Kenntnisse auf den Gebieten Kommunikation mit psychisch Kranken und Sinnesbeeinträchtigten, Motivierung von Heimbewohnern zur aktiven Lebensgestaltung, Mobilisierung von Heimbewohnern unter Einschluss von Grundzügen über therapeutische Hilfen, Milieugestaltung in Heimen, aktivierende Maßnahmen (zB Gymnastik, Festgestaltung udgl), Pflegedokumentation und Pflegeplanung, Gesprächsführung und Gruppenarbeit, psychosomatische Erscheinungen und Sucht, Bewältigung beruflicher Belastungen, Krisenwahrnehmung bei sich und anderen Menschen, Soziologie der Institutionen, Motivierung der Angehörigen, pflegerische Betreuung von Sterbenden und Verhalten im Todesfall sowie Leben und Arbeiten in der Gruppe zu erfolgen (vgl auch § 5 der OÖ Altenbetreuungs- und Ausbildungsverordnung).

Die Klägerin hat eine Ausbildung zur Stationsgehilfin, eine Aufschulung zur Pflegehelferin sowie eine weitere Aufschulung zur Altenfachbetreuerin absolviert. Selbst wenn man die grundsätzliche Ausbildungsdauer für den Beruf Pflegehelferin (1 Jahr; 1600 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis) berücksichtigt, gelangt man im Sinne der bereits zitierten Rechtsprechung (SSV-NF 14/61 ua) zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem Beruf der Pflegehelferin um keinen erlernten oder angelernten Beruf im Sinn des § 255 Abs 1 und 2 ASVG handelt. Auch eine Zusatzausbildung einer Pflegehelferin zur Altenfachbetreuerin im Ausmaß von 250 Unterrichtseinheiten (ca 6 Wochen) rechtfertigt keine andere Beurteilung (vgl auch 10 ObS 256/02y). Es liegt vielmehr auf der Hand, dass mit einer insgesamt nur knapp 14 Monate dauernden theoretischen und praktischen Ausbildung (im Gesamtausmaß von 1850 Stunden) ein einem Lehrberuf vergleichbares Ausbildungsniveau nicht erreicht werden kann. Damit ist aber davon auszugehen, dass die Klägerin - anders als die Klägerin in der Entscheidung SSV-NF 15/15 nach einer zweijährigen Ausbildungszeit (mit insgesamt rund 3200 Stunden Ausbildung in Theorie und Praxis) - nicht Kenntnisse und Fähigkeiten erworben hat, die qualitativ und quantitativ den Anforderungen eines Lehrberufes ensprechen. Dieser Umstand zeigt sich auch darin, dass die Klägerin in ihrer eigenen Aussage und auch in den Rechtsmittelausführungen weiterhin davon ausgeht, dass sie bereits nach ca 10 monatiger Tätigkeit (Anfang 1994) über die für die Ausübung ihrer konkreten Tätigkeit als Altenfachbetreuerin erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügt habe. Damit kommt aber auch ein Berufsschutz nach § 255 Abs 2 ASVG für die Klägerin nicht in Betracht, da ein angelernter Beruf im Sinne dieser Gesetzesstelle nur dann vorliegt, wenn die Versicherte eine Tätigkeit ausgeübt hat, für die es erforderlich war, durch praktische Arbeit qualifizierte Kenntnisse oder Fähigkeiten zu erwerben, welche jenen in einem erlernten Beruf gleichzuhalten sind. Die Klägerin war auf Grund ihrer erwähnten Ausbildung befähigt, die Tätigkeit einer Altenfachbetreuerin im Sinne der Bestimmungen des OÖ Altenbetreuungs-Ausbildungsgesetzes auszuüben, wobei durch diese Tätigkeit im Sinne der dargelegten Ausführungen allerdings kein Berufsschutz nach § 255 Abs 1 ASVG begründet wurde. Die von ihr im Rahmen dieses Berufes verrichteten Tätigkeiten vermochten daher auch keinen Berufsschutz im Sinn des § 255 Abs 2 ASVG zu begründen. Sie muss sich daher im Sinne des § 255 Abs 3 ASVG auf ungelernte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen. Dass die Klägerin noch die vom Erstgericht angeführten Verweisungstätigkeiten verrichten kann, wird auch in den Rechtsmittelausführungen nicht in Zweifel gezogen. Eine Berufsunfähigkeit der Klägerin liegt somit nicht vor.

Die Rechtssache ist daher im Sinne einer Abweisung der Klage spruchreif. Gemäß § 519 Abs 2 letzter Satz ZPO konnte der Oberste Gerichtshof über den Rekurs der Klägerin durch Urteil in der Sache selbst erkennen, und zwar auch zum Nachteil der Rekurswerberin (SSV-NF 12/169 mwN ua).

Die Entscheidung über die Kosten der Verfahren aller drei Instanzen beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Voraussetzungen für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit, insbesondere berücksichtigungswürdige Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Klägerin, wurden weder geltend gemacht noch sind sie aus den Akten ersichtlich. Dass dem Rekurs der Klägerin im Ergebnis Folge gegeben wurde, bedeutet kein Obsiegen im Sinn des § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG, weil sie in der Hauptsache zur Gänze unterlegen ist.