VfGH vom 28.11.1983, B635/82
Sammlungsnummer
9869
Leitsatz
Bgld. TierkörperverwertungsV, LGBl. Nr. 3/1976 (als Bundesgesetz in Kraft stehend); keine Bedenken gegen § 1 und 2; keine Aushöhlung der Erwerbsausübungsfreiheit ihrem Wesen nach; kein Verstoß gegen das Gleichheitsgebot
Spruch
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Die bf. Gesellschaft betreibt in P/Bezirk Mattersburg/Bgld. eine Putenzuchtanstalt.
Mit Eingabe vom beantragte sie bei der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg die Erteilung einer Ausnahmebewilligung von der Ablieferungspflicht der Schlachtungsabfälle.
Diese Behörde erteilte mit Bescheid vom der bf. Gesellschaft gemäß § 2 Abs 3 der Verordnung des Landeshauptmannes von Bgld. vom , LGBl. Nr. 3/1976, über die unschädliche Beseitigung und Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in Tierkörperverwertungsanstalten (im folgenden kurz: Bgld. TKVV), die Ausnahmebewilligung von der Ablieferungspflicht der Schlachtungsabfälle ab Inbetriebnahme der mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom , Z XII-G-32/2-1979, gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage.
b) Dagegen hat die bgld. Tierkörperverwertungs-GesmbH (im folgenden kurz: Tierkörperverwertungsgesellschaft) Berufung erhoben.
Der Landeshauptmann von Bgld. hat mit Bescheid vom dieser Berufung Folge gegeben, den erstinstanzlichen Bescheid erhoben und das Ansuchen der bf. Gesellschaft gemäß § 2 Abs 3 Bgld. TKVV abgewiesen.
2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde. Die Bf. erachtet sich wegen Anwendung der als rechtswidrig angesehenen Bestimmungen des § 1 Abs 1 und des § 2 Abs 3 Bgld. TKVV in ihren Rechten verletzt. Es wird beantragt, den angefochtenen Bescheid kostenpflichtig aufzuheben.
3. a) Der Landeshauptmann von Bgld. als bel. Beh. hat eine Gegenschrift erstattet, in der er begehrt, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
b) Auch die Tierkörperverwertungsgesellschaft als beteiligte Partei hat sich geäußert. Auch sie begehrt, der Beschwerde keine Folge zu geben und sie kostenpflichtig abzuweisen.
c) Zu diesen beiden Eingaben hat die bf. Gesellschaft eine Stellungnahme erstattet.
II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. a) Die §§1 und 2 der Bgld. TKVV lauten:
"§1
Geltungsbereich
(1) Die Abholung und Beseitigung sowie Verarbeitung und Verwertung aller im Burgenland anfallenden, der Ablieferungspflicht nach § 2 Abs 1 dieser Verordnung unterliegenden Gegenstände wird ausschließlich der Burgenländischen Tierkörperverwertungs-Gesellschaft mbH übertragen.
(2) Die Tierkörperverwertungs-Gesellschaft ist zur Übernahme von Gegenständen animalischer Herkunft aus anderen Bundesländern nur dann berechtigt, wenn die Abholung und Beseitigung sowie Verarbeitung und Verwertung solcher Gegenstände aus dem Burgenland gesichert ist.
(3) Falls die Tierkörperverwertungs-Gesellschaft nicht in der Lage ist, die im § 2 Abs 1 genannten Gegenstände aus dem Burgenland restlos abzuholen und zu verwerten, kann die Abholung und Verwertung nach Vereinbarung vorübergehend von einer anderen Tierkörperverwertungsanstalt besorgt werden.
§2
Der Ablieferungspflicht unterliegende Gegenstände
(1) Der Ablieferungspflicht unterliegen folgende Gegenstände:
a) Alle Körper und Körperteile verendeter, totgeborener oder zum Zwecke der Beseitigung getöteter Tiere sowie durch Unfall getöteter Hunde, Katzen und anderer in Österreich für den menschlichen Genuß nicht fähiger Tiere;
b) ganze Tierkörper und Tierkörperteile, die bei der amtlichen Schlachttier- und Fleischuntersuchung (Vieh- und Fleischbeschau) als untauglich für den menschlichen Genuß befunden werden;
c) Schlachtungsabfälle und verdorbene Waren animalischer Herkunft.
(2) Als Schlachtungsabfälle gelten alle für den menschlichen Genuß nicht verwertbaren Tierkörperteile in Schlachtbetrieben, soweit sie nicht direkt für andere industrielle Zwecke oder als Dünger Verwertung finden (Häute, Klauen, Hörner, Blut und ähnliches).
(3) Die Bezirksverwaltungsbehörde kann in Einzelfällen aus triftigen Gründen nach eingeholtem tierärztlichen Gutachten Ausnahmen von der Ablieferungspflicht bewilligen, soweit nicht veterinärbehördliche Maßnahmen entgegenstehen. Insbesondere kann sie die unschädliche Beseitigung von Körpern von Kleintieren, die als Luxustiere gehalten werden, durch tiefes Verscharren auf einem Grundstück des Tierbesitzers bewilligen.
(4) Soweit nicht veterinärbehördliche Maßnahmen entgegenstehen, ist die unschädliche Beseitigung von Kleintierkörpern (Katzen, Kaninchen, Geflügel udgl.) mit Bewilligung der Bezirksverwaltungsbehörde durch Verbrennen an Ort und Stelle gestattet."
b) Die Bgld. TKVV wurde seinerzeit aufgrund der §§3, 4, 5, 6 und 8 der - auf der Stufe eines Bundesgesetzes stehenden (vgl. VfSlg. 7031/1973, 7586/1975, 7670/1975, 7936/1976) - Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Land- und Forstwirtschaft im Einvernehmen mit dem Staatsamte für Volksernährung vom , StGBl. 241, betreffend die Verwertung von Gegenständen animalischer Herkunft in TKVV, sowie aufgrund des § 14 und des § 61 Abs 2 des Tierseuchengesetzes, RGBl. Nr. 177/1909, erlassen.
Durch ArtII Z 2 des Bundesgesetzes vom , BGBl. Nr. 660, über die Tragung der Kosten für die Beseitigung von Tierkörpern (mit dem die oben zitierte "Vollzugsanweisung" ergänzt wurde), wurde die Bgld. TKVV als Bundesgesetz so lange in Kraft gesetzt, bis eine ihren Gegenstand regelnde Verordnung aufgrund des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 660/1977, in Wirksamkeit getreten ist.
Die Bgld. TKVV steht sohin seit (ArtIII Abs 1 des BG BGBl. Nr. 660/1977) auf der Stufe eines einfachen Bundesgesetzes.
2. Nach Art 144 Abs 1 B-VG hat der Bf. zu behaupten, durch den bekämpften Bescheid in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt zu sein. Der Bf. hat somit innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist die eine oder die andere oder aber beide Behauptungen aufzustellen.
Hier hat die bf. Gesellschaft in der - innerhalb der Beschwerdefrist eingebrachten - Beschwerdeschrift ausschließlich die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (§1 Abs 1 und § 2 Abs 3 Bgld. TKVV) geltend gemacht. Die Behauptung, auch in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten (Art7 B-VG, Art 6 StGG) verletzt worden zu sein, hat sie erst nach Ablauf der Beschwerdefrist (nämlich im ergänzenden Schriftsatz vom und in der mündlichen Verhandlung vor dem ) erhoben.
Auf dieses zweite Vorbringen war aus den dargelegten Gründen - als unbeachtlich - nicht einzugehen.
3. Zu ihrem ersten Vorbringen führt die bf. Gesellschaft aus, sie erachte § 1 Abs 1 und § 2 Abs 3 Bgld. TKVV als rechtswidrig: Zum einen verstießen diese Bestimmungen gegen die Erwerbsausübungsfreiheit. Der diese Freiheit verbürgende Art 6 Abs 1 StGG stehe zwar unter Gesetzesvorbehalt, erlaube jedoch nicht, willkürlich eine ganze Gruppe von Personen oder jeden Dritten von der Berufsausübung auszuschließen. Die bf. Gesellschaft sei zumindest genausogut wie die Tierkörperverwertungsgesellschaft in der Lage, die Tierkörperverwertung durchzuführen.
Zum anderen verstießen die zitierten Bestimmungen auch gegen den Gleichheitsgrundsatz. Es sei nämlich sachlich nicht gerechtfertigt, alle anderen Personen als die Tierkörperverwertungsgesellschaft von der Tierkörperverwertung auszuschließen. Soweit ein Dritter die für die Tierkörperverwertung erforderlichen Voraussetzungen in hygienischer und veterinärbehördlicher Hinsicht erfülle, spreche nichts dagegen, daß auch er eine solche Verwertung durchführe. Die Monopolstellung der Tierkörperverwertungsgesellschaft sei jedenfalls unsachlich.
4. Der VfGH teilt diese Bedenken nicht:
a) Das Recht auf freie Erwerbsbetätigung kann im Hinblick auf den im Art 6 StGG enthaltenen Gesetzesvorbehalt vom Gesetzgeber verfassungsrechtlich einwandfrei eingeschränkt werden, solange dadurch nicht der Wesensgehalt dieses Grundrechtes berührt oder in einer anderen Weise gegen einen den Gesetzgeber bindenden Verfassungsgrundsatz verstoßen wird (vgl. zB VfSlg. 9237/1981 und die dort zitierte weitere Vorjudikatur).
§1 Bgld. TKVV schließt zwar - mit Ausnahme der Tierkörperverwertungsgesellschaft - grundsätzlich alle Personen von der Tierkörperverwertung aus, beschränkt sohin die Erwerbsausübungsfreiheit aller anderen Personen und greift also in dieses Recht ein.
Der VfGH hat jedoch - schon im Hinblick darauf, daß die Bgld. TKVV bezweckt, ganz besonderen, der menschlichen Gesundheit drohenden Gefahren zu begegnen, und daß § 2 Abs 3 und 4 Bgld. TKVV Ausnahmen vorsieht - nicht das Bedenken, daß damit die Erwerbsausübungsfreiheit ihrem Wesen nach ausgehöhlt wird. Ob die bel. Beh. in diesem Beschwerdefall § 2 Abs 3 richtig oder wenigstens denkmöglich angewendet hat, ist vom VfGH nicht zu untersuchen (s. II.5.).
b) Die unschädliche Beseitigung der im § 2 Abs 1 und 2 Bgld. TKVV erwähnten Gegenstände ist im besonderen Interesse der Volksgesundheit geboten. Dies erfordert, daß die Tierkörperbeseitigung jederzeit ordnungsgemäß funktioniert. Gewähr dafür bieten nur wirtschaftlich gefestigte Unternehmen. Unter diesen Umständen ist es nicht unsachlich, die Tierkörperbeseitigung bei einem hiefür geeigneten Unternehmen zu konzentrieren. Der Normsetzer konnte nämlich erwarten, daß damit ein wirtschaftlich gefestigtes Unternehmen die in der Bgld. TKVV vorgesehenen, im besonderen öffentlichen Interesse gelegenen Aufgaben besorgt und daß so deren jederzeitige ordnungsgemäße Erfüllung garantiert ist (vgl. VfSlg. 8765/1980). Dazu kommt, daß es diese Konzentration auch ermöglicht, die erforderliche veterinärpolizeiliche Kontrolle leichter und effektiver zu gestalten.
Der VfGH hat daher auch nicht das Bedenken, daß die grundsätzliche - aber durchaus nicht ausnahmslose - Betrauung der Tierkörperverwertungsgesellschaft mit den in der Bgld. TKVV erwähnten Agenden unsachlich ist.
5. Der VfGH teilt sohin die von der bf. Gesellschaft vorgebrachten Bedenken nicht. Er hat unter dem Gesichtspunkt des vorliegenden Beschwerdefalles auch sonst gegen die den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Die bf. Gesellschaft ist daher nicht wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde war daher abzuweisen, ohne daß zu untersuchen war, ob die bf. Gesellschaft in verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten verletzt wurde, da sie dies - zulässigerweise (s. II.2.) - nicht behauptet hat (vgl. zB VfSlg. 8792/1980).