OGH vom 14.06.1989, 9ObA62/89
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Dr. Bernhard Schwarz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Pauline L***, Hausfrau, Klagenfurt, Ferlacher Zeile 21, vertreten durch Dr. Heinz Napetschnig, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei S*** DER G***
W***, Landesstelle Kärnten, Klagenfurt, Banhhofstraße 67, vertreten durch Dr. Michael Graff, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 3.300,-- sA, infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 8 Ra 101/88-9, womit das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 32 Cga 131/88-5, als nichtig aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Rekurswerberin hat ihre Rekurskosten selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Das Bezirksgericht Klagenfurt bewilligte der Klägerin am zur Hereinbringung ihrer Unterhaltsforderung von S 91.474,77 sA die Exekution durch Pfändung und Überweisung der dem Verpflichteten Ottokar L*** gegenüber der Beklagten zustehenden Pensionsbezüge.
Mit der vorliegenden Drittschuldnerklage begehrt die Klägerin von der Beklagten die Zahlung von S 3.300,-- sA, da sich die Beklagte geweigert habe, von der Pensionssonderzahlung, die der Verpflichtete für Mai 1988 bezogen habe, die "gesetzlichen Abzüge" vorzunehmen und an sie zu überweisen.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen, weil die Sonderzahlung zu der für Mai gebührenden Pension gemäß § 66 Abs 4 GSVG auch zugunsten von Unterhaltsforderungen unpfändbar sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsansicht, daß das GSVG eine Spezialnorm sei, welche die Bestimmungen des Lohnpfändungsgesetzes verdränge. Nach § 66 Abs 4 GSVG sei aber die Pensionssonderzahlung, die zu der im Monat Mai bezogenen Pension gebühre, unpfändbar.
Das Berufungsgericht hob aus Anlaß der Berufung diese Entscheidung und das vorangegangene Verfahren als nichtig auf, wies das Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß es sich beim Begehren der Klägerin weder um eine Arbeitsrechtssache noch um eine Sozialrechtssache handle, da es im wesentlichen um die Überprüfung der Auszahlung einer bereits zuerkannten Leistung gehe. Die Pension des Verpflichteten sei an sich nicht strittig. Damit sei aber die anhängig gewordene Rechtssache den ordentlichen Gerichten überhaupt entzogen. Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache an das Berufungsgericht, allenfalls an das Erstgericht, zur neuerlichen Entscheidung zurückzuweisen. Hilfsweise wird eine Abänderung im Sinne des Klagebegehrens begehrt.
Die Beklagte beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist zulässig, da es noch keine für diesen Fall passende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gibt (§ 46 Abs 2 Z 1 ASGG); er ist aber nicht berechtigt.
Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs ist die Natur des erhobenen Anspruches zu prüfen. Es kommt darauf an, ob nach dem Inhalt der Klage ein privatrechtlicher Anspruch erhoben wird, über den die ordentlichen Gerichte zu entscheiden haben (Arb. 10.479 ua). Im Einzelfall wird die Zuweisung zum Bereich des öffentlichen oder des Privatrechts in der Regel durch gesetzliche Bestimmungen getroffen, die entweder das betreffende Rechtsgebiet ausdrücklich als öffentliches Recht bezeichnen oder eine Zuweisung an die Verwaltungsbehörden oder die Gerichte zum Ausdruck bringen (SZ 56/33 ua).
Durch die Pfändung einer Forderung wird die Natur des Anspruches nicht verändert. Die Überweisung zur Einziehung berechtigt den betreibenden Gläubiger gemäß § 308 EO lediglich, die Forderung so geltend zu machen, wie sie dem Verpflichteten gegen den Drittschuldner zusteht; die Rechtsstellung des Drittschuldners bleibt unverändert (vgl. SZ 51/67, 52/37 mwH). Da die Sozialversicherung in ihrem Kern dem öffentlichen Recht zugehört und die Organe der Sozialversicherungsträger bei Durchführung der Sozialversicherung als Träger der Verwaltung auftreten (Tomandl, Grundriß des österreichischen Sozialrechts3 179; derselbe, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 10; Oberndorfer in Tomandl aaO 675 f und 688 f), ist für die Rekurswerberin aus dem Hinweis auf die Bestimmung des § 308 EO für die zivilrechtliche Durchsetzbarkeit ihres Überweisungsanspruches nichts gewonnen. Ein öffentlich-rechtlicher Anspruch wird durch die Pfändung und Überweisung nicht zu einem privatrechtlichen.
Wie das Berufungsgericht zutreffend aufzeigte, handelt es sich beim Begehren der Klägerin um Auszahlung der Sonderzahlung zur Maipension des Verpflichteten (vgl. Matzinger, ÖJZ 1971/206; EvBl 1970/314, 1983/139 ua) nicht um eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs 1 iVm § 52 Z 2 ASGG. Eine solche könnte nur vorliegen, wenn die Drittschuldnerklage des Überweisungsgläubigers gegen den Arbeitgeber des Verpflichteten gerichtet wäre (vgl. Kuderna, ASGG § 52 Erl. 3 mwH; Arb. 9.419). Die Beklagte war aber unbestritten nie Arbeitgeber des Verpflichteten. Daran kann der von der Rekurswerberin ins Treffen geführte Umstand, daß eine Pensionsleistung schlechthin der Ersatz für das im Arbeitsprozeß erzielte Arbeitseinkommen sei, nichts ändern. Für die sachliche Zuständigkeit und die Gerichtsbesetzung der angerufenen Instanzen ist dieser Umstand im Hinblick auf die Bestimmungen der §§ 45 JN und 37 Abs 1 ASGG allerdings ohne Belang.
Entgegen der Ansicht der Rekurswerberin kann auch nicht davon gesprochen werden, daß das Begehren der Klägerin als Sozialrechtssache im Sinne des § 65 Abs 1 ASGG zu behandeln und daher als Leistungssache (vgl. § 194 GSVG iVm § 354 ASVG) den Verwaltungssachen entzogen sei (vgl. Oberndorfer in Tomandl, System des österreichischen Sozialversicherungsrechts 688 ff). Auch wenn die Aufzählung der Sozialrechtssachen in § 65 Abs 1 ASGG - im Hinblick auf § 100 ASGG - nicht erschöpfend ist, bedürfte es zur Qualifikation einer Angelegenheit als Sozialrechtssache einer in anderen Rechtsvorschriften enthaltenen Verweisung (vgl. Kuderna, ASGG § 65 Erl. 2), die für den gegenständlichen Fall fehlt. Aus der Position der Klägerin als Überweisungsgläubigerin ergibt sich überdies, daß auch sie eine Klage in einer Leistungssache - wenn überhaupt - nur unter den im § 67 Abs 1 ASGG genannten Voraussetzungen erheben könnte (§ 73 ASGG). Soweit die Rekurswerberin in diesem Zusammenhang einwendet, daß eine bescheidmäßige Zuerkennung der Pensionsleistung nur dem Verpflichteten gegenüber in Betracht komme, geht sie selbst vom zwangsläufigen Nichtvorliegen der genannten Voraussetzungen aus. Abgesehen davon, daß Unklarheiten der Exekutionsbewilligung grundsätzlich nicht dem Drittschuldner angelastet werden dürfen (vgl. Arb. 9.755), geht es bei der vorliegenden Streitigkeit über die Höhe des pfändbaren Teils einer bereits bescheidmäßig festgestellten Versicherungsleistung allein um die Frage, an wen die Pensionsleistung zur Gänze oder zum Teil erbracht werden soll, sohin um Auszahlungsmodalitäten. Nach ständiger Rechtsprechung ist die Überprüfung der Auszahlung einer bereits zuerkannten Leistung keine Leistungssache (Kuderna, ASGG § 65 Erl. 3; SSV-NF 1/55 und 42; SSV 14/32, 6/79, 1/122; 10 Ob S 11/87). Da es im vorliegenden Fall, wie bereits erwähnt, auch nicht um streitige Privatrechte im Sinne des § 1 JN geht, ist die anhängig gewordene Rechtssache den ordentlichen Gerichten sohin überhaupt entzogen.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet. Die beklagte Partei verzeichnete keine Kosten.