OGH vom 27.08.2013, 9ObA62/13b

OGH vom 27.08.2013, 9ObA62/13b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johannes Pflug und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A***** V*****, vertreten durch Mag. Dr. Martin Oppitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 4.464,71 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom , GZ 10 Ra 107/12x 27, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Arbeits und Sozialgerichts Wien vom , GZ 39 Cga 130/11i-9, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 447,98 EUR (darin 74,66 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist seit Februar 2001 bei der Beklagten als Vertragsbediensteter beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis sind die Bestimmungen der Vertragsbedienstetenordnung 1995 (VBO 1995) anzuwenden. Der Kläger nahm mit Bewilligung der Beklagten im Zeitraum vom bis ein Freijahr gemäß § 30a VBO 1995 in Anspruch.

Am fand in Wien die Gemeinderatswahl statt. Unter Bezugnahme auf § 35 VBO 1995 und § 58 DO 1994 beantragte der Kläger mit Schreiben vom eine Außerdienststellung vom (Einbringung des Wahlvorschlags) bis (Endergebnis) zum Zweck der Kandidatur bei der Gemeinderatswahl 2010 und fügte hinzu: „Da ich mich derzeit im Freijahr befinde, ziehe ich in eventu eine zweimonatige Sistierung des Freijahres und Verlängerung desselben um zwei Monate zum Ende des Freijahres, ohne Verlängerung der Rahmenzeit und ohne finanzielle Verluste in Betracht.“

Mit Schreiben vom teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass seinem Ansuchen um Verlängerung des Freijahres um zwei Monate nicht nachgekommen werden könne, da eine Freistellung nach § 35 VBO die Rahmenzeit bzw das Freijahr nicht hemme.

Unstrittig ist, dass der Kläger sowohl während der Arbeits- als auch während der Freiphase konstant 80 % seines Entgelts bezieht.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Nettolohns in Höhe von 4.044,12 EUR, davon 420,59 EUR Urlaubsentschädigung für 5,2 Urlaubstage, für den Zeitraum vom bis . Er habe für diesen Zeitraum einen Anspruch auf Außerdienststellung zum Zwecke der Kandidatur bei der Gemeinderatswahl 2010 gehabt. Wenn er im normalen Beschäftigungsverhältnis gestanden wäre, also kein Freijahr konsumiert hätte, wäre er bei voller Bezahlung dienstfrei zu stellen gewesen, um als Mandatar tätig sein zu können. Dies müsse auch im Falle eines Freijahrs gelten, zumal er bereits vor dem Freijahr dieses eine Jahr quasi „eingearbeitet“ habe und sohin zu Zeiten der Vollbeschäftigung bereits eine Einkommenseinbuße vorausschauend auf das zu konsumierende Freijahr in Kauf genommen habe. Seine Situation sei mit jener eines Teilzeitbeschäftigten vergleichbar, da er innerhalb des Rahmenzeitraums konstant 80 % seines Gehalts bezogen habe, dabei aber vier Jahre lang voll gearbeitet habe und ein Jahr das Freijahr gewesen sei. Teilzeitbeschäftigte dürften im Vergleich zu Vollzeitbeschäftigten nicht benachteiligt werden.

Die Beklagte bestritt das Begehren dem Grunde nach und beantragte Klagsabweisung. Die „Wahlfreistellung“ sei in § 30a Abs 7 VBO 1995 nicht als Grund für die Hemmung des Freijahres genannt. Aus diesem Grund könne das Freijahr wegen einer Dienstfreistellung aufgrund einer Kandidatur zum Gemeinderat nicht gehemmt bzw nicht verlängert werden. Zweck des § 58 DO 1994 iVm § 35 VBO 1995 sei die Gewährung der erforderlichen freien Zeit für das Wahlprozedere. Der Zweck der Bestimmung sei beim Kläger bereits ohne gesonderte Genehmigung der Dienstfreistellung verwirklicht worden, da er sich im Freijahr befunden habe und er die erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts zur Verfügung gehabt habe. Ein Anspruch auf Dienstfreistellung bestehe nur dann, wenn zur selben Zeit auch eine Verpflichtung zur Dienstleistung bestehe. Der Kläger sei auch nicht mit einem Teilzeitbeschäftigten zu vergleichen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. § 30a Abs 7 VBO 1995 sehe in einer Wahlfreistellung keinen Grund zur Hemmung des Freijahres. Aufgrund der Freistellung habe es keiner Gewährung von Freizeit für die Bewerbung um ein Landtagsmandat bedurft. Besoldungsrechtlich habe der Kläger jenes Entgelt weiter bezogen, das er ohne die Kandidatur bezogen hätte. Der Zweck der Wahlfreistellung nach § 58 DO 1994 sei dadurch erreicht gewesen. Eine Anspruchsgrundlage für das Zahlungsbegehren sei nicht erkennbar.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers keine Folge. Eine Freistellung von der Dienstleistung komme nicht in Frage, wenn für den Bediensteten im betreffenden Zeitraum keine Verpflichtung zur Dienstleistung bestanden habe. Zu einem Anspruch auf Gewährung der erforderlichen freien Zeit für die Kandidatur hätte es erst kommen können, wenn die Rahmenzeit einschließlich des Freijahrs vorzeitig beendet worden wäre. Einen Beendigungstatbestand habe der Kläger aber nicht behauptet. Eine Diskriminierung des Klägers als „teilzeitbeschäftigten“ Arbeitnehmer liege nicht vor, weil die Lage eines Vertragsbediensteten während seines Freijahrs in Bezug auf eine Freizeitgewährung für eine politische Kandidatur damit nicht zu vergleichen sei. Die Revision sei aufgrund der über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtsfrage zulässig.

In seiner dagegen gerichteten Revision beantragt der Kläger die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Klagsstattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig , jedoch nicht berechtigt .

1. Folgende Bestimmungen sind maßgeblich:

- Zur Wahlfreistellung

Gemäß § 58 Dienstordnung 1994 (DO 1994) ist dem Beamten, der sich um das Amt des Bundespräsidenten oder um ein Mandat im Nationalrat, im Europäischen Parlament oder in einem Landtag bewirbt, ab der Einbringung des Wahlvorschlags bei der zuständigen Wahlbehörde bis zur Bekanntgabe des amtlichen Wahlergebnisses die erforderliche freie Zeit zu gewähren.

Gemäß § 44 DO 1994 tritt bei einem Beamten, dem gemäß § 58 oder § 60 die erforderliche freie Zeit zu gewähren ist, eine Verminderung des Diensteinkommens nicht ein.

Gemäß § 35 VBO 1995 sind die §§ 44 und 58 DO 1994 auch auf Vertragsbedienstete anzuwenden.

- Zum Freijahr

Gemäß § 30a Abs 1 VBO 1995 kann der Vertragsbedienstete, der zumindest sechs Jahre ununterbrochen im Dienst einer Gebietskörperschaft gestanden ist, auf Antrag innerhalb einer Rahmenzeit von fünf Jahren ein Jahr vom Dienst freigestellt werden (Freijahr), wenn keine wichtigen dienstlichen Interessen entgegenstehen.

Während des Freijahrs ruht daher die Arbeitspflicht (s auch Ziehensack , Vertragsbedienstetengesetz, Praxiskommentar § 20a [betreffend Sabbatical für Vertragsbedienstete] Rz 24 f).

Gemäß § 30a Abs 7 VBO 1995 wird die Rahmenzeit (einschließlich des Freijahrs) durch eine (Eltern )Karenz, einen Karenzurlaub oder eine Teilzeitbeschäftigung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, in der Dauer von jeweils nicht mehr als neun Monaten sowie eine Pflegefreistellung gemäß § 37a VBO 1995 oder durch die mehr als einmonatige Zeit eines Präsenz , Ausbildungs oder Zivildienstes oder eines eigenmächtigen und unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst gehemmt.

Gemäß § 30a Abs 8 VBO 1995 endet die Rahmenzeit (einschließlich des Freijahrs) vorzeitig durch

1. ein Beschäftigungsverbot gemäß § 3 des Mutterschutzgesetzes 1979,

2. eine (Eltern )Karenz oder eine Teilzeitbeschäftigung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, in der Dauer von jeweils mehr als sechs Monaten, und

3. die Auflösung des Dienstverhältnisses. […]

2. § 30a Abs 7 VBO 1995 sieht bestimmte Gründe vor, die in Abhängigkeit von ihrer Dauer zu einer Hemmung der Rahmenzeit einschließlich des Freijahrs führen. Für die Hemmung der Rahmenzeit macht es sohin keinen Unterschied, ob diese Gründe in der Arbeits oder in der Freiphase der Rahmenzeit verwirklicht werden. Sie führen vielmehr in jedem Fall dazu, dass dem Wesen einer Hemmung entsprechend das Weiterlaufen der Rahmenzeit verhindert wird und die Rahmenzeit erst nach Wegfall des Hemmungsgrundes weiterläuft. Faktisch kommt es daher durch die Hemmung zu einer späteren Beendigung des Rahmenzeitfensters.

3. Der Kläger erklärt auch in seiner Revision ausdrücklich, keine Hemmung der Rahmenzeit iSd § 30a Abs 7 VBO 1995 beantragt zu haben, sodass sich die Frage, ob eine Wahlfreistellung einen Hemmungsgrund im Sinne dieser Bestimmung bilde, von vornherein nicht stellt.

Danach bedarf es auch keiner Erwägungen dazu, ob § 30a Abs 7 VBO 1995 die Hemmungsgründe abschließend regelt oder auch einem Analogieschluss zugänglich ist. Festzuhalten ist zu diesem Punkt lediglich, dass selbst eine Pflegefreistellung nach § 37 VBO 1995 zu keiner Hemmung der Rahmenzeit führt, obwohl ihre zeitliche Lage vom Vertragsbediensteten idR weit weniger planbar ist als eine Dienstfreistellung zur Kandidatur für eine reguläre Gemeinderatswahl.

4. Der Kläger meint vielmehr, dass die Freijahresphase lediglich für etwa zwei Monate zu sistieren bzw auszusetzen gewesen wäre, sodass er weiterhin in der Rahmenzeit, und zwar in der „Arbeitsphase“ verblieben wäre. Die im Zuge der Wahlfreistellung beantragten ca zwei Monate der Freijahresphase hätten sich dann antragsgemäß im Sinne eines Tausches dergestalt verlagert, dass zwei Monate der „Freiphase“ gegen zwei Monate der „Arbeitsphase“ auszutauschen gewesen wären. Es gehe also um eine gesetzlich gebotene Umschichtung dienstrechtlich unterschiedlich zu qualifizierender Zeiten innerhalb der unveränderten Rahmenzeit.

5. Diese Argumentation ist nur verständlich, wenn man davon ausgeht, dass der Kläger die Arbeitsphase nicht zur Gänze vor der Freiphase konsumiert hat, weil sonst die Arbeits- und die Freiphase bei gleichbleibender Lage der Rahmenzeit nicht mehr veränderbar und insbesondere auch nicht mehr monatsweise austauschbar wären (s auch seinen Antrag vom auf „zweimonatige Sistierung des Freijahrs und Verlängerung desselben um zwei Monate zum Ende des Freijahrs, ohne Verlängerung der Rahmenzeit ...“ sowie seine Angabe zum Verfahrenshilfeantrag, dass der Durchrechnungszeitraum noch bis 2013 laufe [AS 60]).

Sollte der Kläger dagegen das Ziel verfolgen, dass die Freiphase nach der Wahlfreistellung fortgesetzt und um die Dauer der Wahlfreistellung verlängert wird, so wäre dies nichts anderes als eine Hemmung der Rahmenzeit, die er jedoch explizit ablehnt.

6. Für den von ihm angestrebten Tausch ist weder ein vertraglicher noch ein gesetzlicher Rechtsgrund ersichtlich.

Der Kläger kann sich dafür auf keine Vereinbarung mit der Beklagten stützen.

Aber auch ein einseitiger Rechtsanspruch kommt nicht in Betracht:

Die Lage und folglich auch eine allfällige Umschichtung der Arbeits und Freiphase ist nach § 30a Abs 1 VBO 1995 von den dienstlichen Gegebenheiten der Beklagten abhängig, sohin nicht einseitig vom Vertragsbediensteten bestimmbar (vgl auch § 20a Abs 2 VBG 1948 und § 78e Abs 2 BDG 1979, wonach Beginn und Ende der Freistellung schriftlich zu vereinbaren sind).

Soweit der Kläger einen solchen Anspruch daraus ableiten will, dass er sonst seine Freizeit während des Freijahrs für die Wahlaktivitäten verbrauchen müsste, obwohl er während der Arbeitsphase dafür freizustellen gewesen wäre, verkennt er den Zweck der Regelung des § 58 DO 1994. Denn der Anordnung, dass einem Beamten oder Vertragsbediensteten „die erforderliche freie Zeit zu gewähren ist“, kann nur der Sinn beigemessen werden, dass ein Beamter oder Vertragsbediensteter nicht durch aufrechte Dienstpflichten von der Bewerbung auf eines der in § 58 DO 1994 genannten Ämter und den damit einhergehenden Wahlaktivitäten abgehalten werden soll. Entgegen der Ansicht des Klägers geht es also nicht darum, durch Wahlaktivitäten nicht im Konsum von Freizeit beschränkt zu werden, sondern darum, durch Dienstpflichten nicht an Wahlaktivitäten gehindert zu werden. Die „im erforderlichen Ausmaß“ zu gewährende freie Zeit unter Fortzahlung des laufenden Entgelts lässt sich daher auch nur auf aufrechte Dienstpflichten beziehen. Bestehen solche aber nicht, weil sich ein Vertragsbediensteter geplantermaßen im Freijahr iSd § 30a VBO 1995 befindet, kommt auch keine teilweise oder gänzliche Freistellung von Dienstpflichten in Betracht, weil sie insofern nicht iSd § 58 DO 1994 „erforderlich“ ist.

7. Ungeachtet dessen würde ein bloßer Tausch von zwei Monaten Arbeits und Freiphase im Hinblick auf das regelmäßige Monatsentgelt keine Vorteile bringen, weil der Vertragsbedienstete ohnedies sowohl in der Arbeits- als auch in der Freiphase 80 % seiner Entlohnung erhält.

8. Schließlich sollte die Lage der Freiphase innerhalb der Rahmenzeit keinen Unterschied machen. Liegt aber die Freiphase wie häufig erst am Ende der Rahmenzeit, käme der vom Kläger angestrebte Tausch von Arbeits und Freiphase ohne Veränderung der Rahmenzeit nicht mehr in Betracht.

9. Aus den unter Punkt 6. dargelegten Gründen kommt auch der Erwägung des Klägers, dass seine Ansprüche in der Abgeltung der entfallenen Freizeit im Freijahr begründet seien, keine Berechtigung zu.

10. Soweit der Kläger meint, er sei einem Teilzeitbeschäftigten gleichzuhalten, ist für ihn daraus nichts zu gewinnen, weil auch ein Teilzeitbeschäftigter eine Befreiung von seinen Dienstpflichten nur dann und in jenem Ausmaß verlangen könnte, als sie für eine Kandidatur erforderlich ist.

11. Da der Kläger damit insgesamt keine Gründe aufzeigt, die seinen Anspruch als berechtigt erschienen ließen, ist seine Revision abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.