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VfGH vom 24.09.1983, B632/82

VfGH vom 24.09.1983, B632/82

Sammlungsnummer

9784

Leitsatz

Gesetz zum Schutze der persönlichen Freiheit; § 53 Abs 1 VStG 1950; Vollzug einer nicht rechtskräftig verhängten Freiheitsstrafe ist gesetzwidrig

Spruch

Der Bf. ist durch seine Anhaltung in Verwaltungsstrafhaft im Polizeigefangenenhaus Innsbruck in der Zeit vom ,

23.30 Uhr, bis , 10.30 Uhr, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit verletzt worden.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. H A begehrte in seiner auf Art 144 Abs 1 B-VG gegründeten Beschwerde an den VfGH sinngemäß - die kostenpflichtige Feststellung, daß er durch seine von der Bundespolizeidirektion Innsbruck verfügte Anhaltung in Verwaltungsstrafhaft zur Verbüßung der mit dem - nicht rechtskräftigen - Straferkenntnis dieser Behörde vom , Z St V-4451/81, verhängten Ersatzarreststrafen in der Nacht zum im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit der Person (Art8 StGG) verletzt worden sei.

1.1.2. Die Bundespolizeidirektion Innsbruck als bel. Beh. - vertreten durch die Finanzprokuratur - gab - unter Vorlage der Administrativakten - die Erklärung ab, daß sie auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichte.

1.2. Aus den Verwaltungsakten geht folgender Sachverhalt hervor:

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom , Z St V-4451/81, wurden über H A wegen der Verwaltungsübertretungen nach § 5 Abs 1 StVO und § 64 Abs 1 KFG gemäß den §§99 Abs 1 lita StVO und 134 KFG Geldstrafen von 10000 und 6000 S, im Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzarreststrafen von fünfzehn und neun Tagen verhängt. Obwohl in dieser Verwaltungsstrafsache eine - auf einer allgemeinen, uneingeschränkten Bevollmächtigung zur Vertretung des Beschuldigten beruhende - Ermächtigung des Rechtsanwaltes Dr. M Sch. als Zustellungsbevollmächtigter vorlag, die aktenmäßig - der Bevollmächtigte hatte sich (schon mit Eingabe vom ) ausdrücklich auf seine im Vorakt Z St V-7076/81 einliegende Vollmacht berufen (vgl. VfSlg. 8775/1980) - ausgewiesen war, ließ die Behörde eine Ausfertigung des Straferkenntnisses zunächst, und zwar am , dem Beschuldigten selbst zustellen. Da die Einbringung eines Rechtsmittels - ebenso wie in der Folge die Bezahlung der Geldstrafe und der Antritt der Ersatzfreiheitsstrafen - unterblieb, wurde eine zwangsweise Vorführung des H A zum Strafantritt - Haftbeginn , 23.30 Uhr - veranlaßt. Am , als sich herausstellte, daß die Behörde die bestehende Zustellungsbevollmächtigung offenbar übersehen hatte, wurde eine Ausfertigung des Straferkenntnisses vom dem ausgewiesenen Vertreter des Beschuldigten zugestellt, ferner wurde die Enthaftung des Beschuldigten angeordnet, die daraufhin am , 10.30 Uhr, stattfand.

2. Über die - zulässige - Beschwerde wurde erwogen:

2.1.1. Nach § 4 des Gesetzes vom 27. Oktober 1862, RGBl. Nr. 87, zum Schutze der persönlichen Freiheit, das gemäß Art 149 Abs 1 B-VG als Verfassungsgesetz gilt, dürfen die zur Anhaltung berechtigten Organe der öffentlichen Gewalt in den vom Gesetz bestimmten Fällen eine Person in Verwahrung nehmen. Hiezu zählt auch die Bestimmung des § 53 VStG 1950 über die Strafvollstreckung: Der Bf. wäre daher im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit (Art8 StGG) verletzt worden, wenn seine Anhaltung in Verwaltungsstrafhaft in der Vorschrift des § 53 VStG 1950 keine Deckung gefunden hätte.

2.1.2. Die Gesetzmäßigkeit des Vollzuges einer Freiheitsstrafe hängt zunächst davon ab, daß die - zu vollziehende - Verwaltungsstrafe rechtskräftig verhängt ist (vgl. VfSlg. 8642/1979, 8770/1980, VfGH 26. Feber 1983 B507/79).

2.2.1. Dies war hier nicht der Fall.

Bei aufrechtem Bestand einer Zustellvollmacht - wie im gegebenen Fall (s. Punkt 1.2.) - kann nach § 26 Abs 1 AVG 1950 (§24 VStG 1950) an die Partei selbst nicht rechtswirksam zugestellt werden (vgl. zB , Z 969, 970/77; VfSlg. 7385/1974, 8957/1980).

Das Straferkenntnis vom wurde jedoch - entgegen der Vorschrift des § 26 Abs 1 AVG 1950 - vorerst nicht dem Rechtsvertreter des Bf., sondern - am - dem Bf. unmittelbar, somit ohne Rechtswirksamkeit und erst am seinem Rechtsfreund, diesmal rechtswirksam, zugestellt.

2.2.2. Als der Beschuldigte am in Strafhaft kam, war das Straferkenntnis somit noch keinesfalls in Rechtkraft erwachsen, die Strafvollstreckung also gesetzwidrig (§53 Abs 1 Satz 1 VStG 1950).

2.3. Aus diesen Erwägungen folgt, daß der Bf., wie er zutreffend geltend macht, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf persönliche Freiheit (Art8 StGG) verletzt wurde.