VfGH vom 03.12.1992, b631/92
Sammlungsnummer
13280
Leitsatz
Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wegen Verweigerung der Sachentscheidung in einem grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsverfahren; Beurteilung des Eigentumes des Verkäufers als Vorfrage durch die Grundverkehrsbehörde unzulässig
Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 15.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer erwarb mit Kaufvertrag vom Liegenschaften in St. Johann in Tirol. Diesem Rechtserwerb versagte die Grundverkehrsbehörde St. Johann in Tirol mit Bescheid vom unter Berufung auf § 4 Abs 1 und § 6 Abs 1 litc, dritter Tatbestand, des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, Anlage zur Kundmachung der Landesregierung vom über die Wiederverlautbarung des Grundverkehrsgesetzes 1970, LGBl. für Tirol 69/1983, idF der Kundmachungen LGBl. für Tirol 44/1984 und 45/1988 (für dieses verfassungsgerichtliche Beschwerdeverfahren ist im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides dieses LG idF des Gesetzes LGBl. für Tirol 74/1991 maßgeblich) (im folgenden: GVG 1983), mangels Gewährleistung der Selbstbewirtschaftung des Hofes durch den Beschwerdeführer ihre Zustimmung.
2. Auf Grund der dagegen vom Beschwerdeführer rechtzeitig erhobenen Berufung behob die Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung - die belangte Behörde dieses verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahrens - nach einem ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren mit Bescheid vom , Zl. LGv - 1031/5-90, den angefochtenen Bescheid wegen Unzuständigkeit der Grundverkehrsbehörde erster Instanz und wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Zustimmung gemäß § 6 Abs 1 AVG iVm. § 3 Abs 1 GVG 1983 zurück. Die belangte Behörde begründet dies im wesentlichen damit, daß im ergänzend durchgeführten Ermittlungsverfahren offengelegt worden sei, daß der nunmehrige Verkäufer im Jahre 1977 lediglich als "Strohmann" für den Käufer (di. der Beschwerdeführer) aufgetreten sei, sodaß der damalige Rechtserwerb als ein von Anfang an nichtiges Umgehungsgeschäft iSd. § 879 ABGB angesehen werden müsse. Damit sei aber der nunmehrige Verkäufer seinerzeit gar nicht Eigentümer der Grundstücke geworden, weshalb auch der dem Grundverkehrsverfahren zugrundeliegende Kaufvertrag vom einen Rechtserwerb durch den Beschwerdeführer nicht bewirken könne. Die belangte Behörde führt dazu aus:
"Daß der nunmehrige Verkäufer tatsächlich seinerzeit bereits als 'Strohmann' für den nunmehrigen Käufer I R aufgetreten ist, wurde von letzterem im Zuge des durchgeführten Berufungsverfahrens wiederholt bestätigt. Dies bedeutet aber, daß sich die Landesgrundverkehrsbehörde vorweg mit der (Vor-)Frage auseinanderzusetzen hat, ob der zur grundverkehrsbehördlichen Behandlung vorgelegte Kaufvertrag überhaupt geeignet ist, einen Rechtserwerb im Sinne des § 3 Abs 1 GVG 1983 - hier einen Eigentumserwerb nach § 3 Abs 1 lita leg.cit. - zu bewirken, zumal eben ein Rechtserwerb gemäß § 3 Abs 1 GVG 1983 Voraussetzung für die Durchführung eines grundverkehrsbehördlichen Verfahrens ist (vgl. hiezu das Erk. d. , und vom , B195/86-7). Die Vorschrift des § 38 AVG berechtigt und verpflichtet die Behörde nämlich, Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von Gerichten zu entscheiden sind, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrundezulegen. Eine Vorfrage ist ein dem Sachverhalt angehörendes, vorweg zu klärendes rechtliches Element des konkreten, zur Entscheidung stehenden Rechtsfalles.
Bei der Beurteilung der für den vorliegenden Fall nunmehr relevanten (Vor-)Frage, ob der vorgelegte Kaufvertrag geeignet ist, einen Rechtserwerb nach § 3 Abs 1 GVG 1983 zu bewirken bzw. ob dieses Rechtsgeschäft überhaupt gültig zustande gekommen ist, geht die erkennende Behörde davon aus, daß dies nicht der Fall ist, zumal der seinerzeitige Erwerb durch den Voreigentümer und nunmehrigen Verkäufer A S als nichtiges Umgehungsgeschäft im Sinne des § 879 ABGB angesehen werden muß.
Dies aus folgenden Gründen:
Für das Umgehungsgeschäft ist kennzeichnend, daß die Parteien, um den Zweck der Gesetzesumgehung zu erreichen, vielfach rechtliche Wirkungen in Kauf nehmen, die ihren wahren wirtschaftlichen Zwecken nicht entsprechen; anders ist aber der angestrebte Erfolg, die Umgehung des Gesetzes, nicht zu erreichen. Wollen die Parteien das Gesetz umgehen, dann sind sie gezwungen, die tatsächlichen Verhältnisse so zu manipulieren, daß der Sachverhalt dem Gesetz nicht mehr unterstellt werden kann. Die Parteien versuchen, bestimmten, für sie ungünstigen Rechtssätzen durch Umgestaltung (Manipulation) des Sachverhaltes auszuweichen (...). Ein Geschäft, wodurch die Bestimmungen des Grundverkehrsgesetzes und insbesondere das Erfordernis der behördlichen Genehmigung beim Grunderwerb umgangen werden soll, ist nach jüngster, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung (...) nicht schon wegen der rechtswidrigen Umgehungsabsicht im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB nichtig, sondern unterliegt der Rechtsnorm, die auf das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft anzuwenden ist. Ist das in Wahrheit beabsichtigte Rechtsgeschäft nur genehmigungsbedürftig, ist es im allgemeinen in seinen rechtlichen Wirkungen so lange in Schwebe, bis die Genehmigung erteilt oder versagt oder festgestellt wird, daß es keiner Genehmigung bedarf (...). Es ist hingegen von Anfang an nichtig, wenn die Parteien die grundverkehrsbehördliche Zustimmung gar nicht beantragen wollen, weil sie wissen, daß dem Vertrag nicht zugestimmt wird (...).
Als außer Streit stehend kann in diesem Zusammenhang angesehen werden, daß der Voreigentümer und nunmehrige Verkäufer A S bereits seinerzeit (Kaufvertrag vom ) nur als Treuhänder für I R aufgetreten ist, zumal letzterem bewußt war, daß bei einem direkten Erwerb durch ihn mit einer Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde nicht gerechnet werden konnte (...). Dieser gesamte Sachverhalt kann nach Ansicht der Landesgrundverkehrsbehörde nur dahingehend gewürdigt werden, daß von den Beteiligten eine auf die Umgehung der §§3 Abs 1 in Verbindung mit 4 Abs 1 GVG 1983 zielende 'Ersatzlösung' getroffen wurde, die ein im Sinne des § 879 Abs 1 ABGB von Anfang an nichtiges Umgehungsgeschäft darstellt. Wird nämlich beim Ankauf einer Liegenschaft der Vertrag vom Käufer nur als Treuhänder abgeschlossen, um die grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Eigentumserwerbes durch den Treugeber zu umgehen, so liegt ein Umgehungsgeschäft vor (...). Da I R bewußt war, daß bei einem direkten Erwerb durch ihn im Jahre 1977 mit einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nicht gerechnet werden konnte, liegt darüberhinaus im Sinne der oben aufgezeigten Judikatur ein von Anfang an nichtiges Umgehungsgeschäft vor."
3. Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in welcher die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie auf Unversehrtheit des Eigentums behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in welcher sie den angefochtenen Bescheid verteidigt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Unbestritten ist in diesem verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren, daß sich der zur Genehmigung vorgelegte Rechtserwerb auf land- und forstwirtschaftliche Grundstücke iSd.
§1 Abs 1 Z 1 GVG 1983 bezieht und daß er - sollte sich der von den Vertragsparteien vereinbarte Eigentumserwerb als rechtswirksam erweisen - gemäß § 3 Abs 1 GVG 1983 der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bedarf.
2. Gegen die präjudiziellen Regelungen, insbesondere gegen § 3 Abs 1 GVG 1983, bringt die Beschwerde keine verfassungsrechtlichen Bedenken vor; auch beim Verfassungsgerichtshof sind aus Anlaß dieser Beschwerde keine solchen Bedenken entstanden (vgl. etwa VfSlg. 10895/1986, 10927/1986).
3.1. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde im wesentlichen vor, daß sie den am zwischen dem Masseverwalter und dem Treuhänder abgeschlossenen Kaufvertrag in denkunmöglicher und rechtswidriger Weise als Scheingeschäft beurteilt habe, weil lediglich ein Vertragsteil von der Treuhänderschaft gewußt habe und mangels eines gemeinsamen dolus sohin kein gemäß § 916 ABGB mit Nichtigkeit bedrohtes Scheingeschäft vorgelegen sei. Dieser Kaufvertrag sei seinerzeit grundverkehrsbehördlich genehmigt worden. Die von der belangten Behörde zur Begründung der Nichtigkeit dieses Kaufvertrages zitierten Entscheidungen des OGH seien im vorliegenden Fall "unzutreffend", da sie davon ausgingen, daß beiden Parteien des Vertrages die Umgehungsabsicht bekannt gewesen sei bzw. daß spätestens im Zuge des grundverkehrsbehördlichen Genehmigungsverfahrens das Umgehungsgeschäft festgestellt und damit dem Vertrag die grundverkehrsbehördliche Genehmigung versagt worden sei. Ein gutgläubiger Vertragsteil müsse aber auf die Rechtsgültigkeit vertrauen dürfen, wenn dem Vertrag die grundverkehrsbehördliche Genehmigung rechtskräftig erteilt sei. Auch begrenze § 16 Abs 5 GVG 1983 die Möglichkeit nachträglicher Löschungen grundbücherlicher Eintragungen dahingehend, daß eine Löschung nicht mehr zulässig sei, wenn seit der Eintragung drei Jahre verstrichen seien "oder wenn Dritte im guten Glauben auf diese Eintragung bücherliche Rechte erwoben haben". Damit müsse für die Grundverkehrsbehörde die Eigentümereigenschaft des Treuhänders ein Faktum darstellen, das nicht als Vorfrage einer eigenständigen Prüfung zu unterziehen sei, die auch nicht vom Antrag des Beschwerdeführers umfaßt gewesen sei.
Weiters führt die Beschwerde aus:
"Bei ihren Ausführungen hat die belangte Behörde nicht nur die Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes in denkunmöglicher und rechtswidriger Weise angewendet, sie hat auch eklatant gegen die Bestimmungen des ABGB entschieden. Gemäß §§431 ff wird das Eigentum an unbeweglichen Sachen durch Vertrag und Einverleibung im Grundbuch erworben. Gemäß § 444 ABGB wird das Eigentum an unbeweglichen Sachen aber nur durch die Löschung aus den öffentlichen Büchern aufgehoben. Die Löschung des A S als Eigentümer ist der Landesgrundverkehrsbehörde aber versagt."
3.2. Dieser Beschwerdevorwurf ist im Ergebnis begründet:
3.2.1. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB. VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB. VfSlg. 10374/1985).
3.2.2. Die streitentscheidende Frage ist hier, ob die belangte Behörde zu Recht im Rahmen einer Vorfragenbeurteilung prüfte, ob der Verkäufer Eigentümer der zu übereignenden Liegenschaften ist.
Dies ist deshalb zu verneinen, weil Gegenstand eines grundverkehrsbehördlichen Verfahrens nur jener Rechtsübergang sein kann, der der Behörde zur grundverkehrsbehördlichen Zustimmung bzw. zur Ausstellung einer sogenannten Negativbestätigung vorgelegt wird; dies erhellt schon daraus, daß dieses Verfahren immer nur über Antrag, nicht jedoch von Amts wegen eingeleitet werden kann. In einem solchen Verfahren sind keineswegs sämtliche nur denkbaren zivilrechtlichen Aspekte zu durchleuchten; vielmehr ist die Grundverkehrsbehörde lediglich in jenen Fällen befugt, ihre Zuständigkeit abzulehnen, in denen die Nichtigkeit des dem (ihr zur Genehmigung vorgelegten) Rechtserwerb zugrundeliegenden Rechtsgeschäftes gegeben ist.
In Verkennung dieser Rechtslage prüfte hier die belangte Behörde ausschließlich jenes Rechtsgeschäft auf allfällige Rechtsmängel, das dem von ihr zu beurteilenden Rechtserwerb voranging; sie verneinte lediglich aufgrund dieser Prüfung ihre Zuständigkeit. Sie war jedoch verpflichtet, zu untersuchen, ob der ihr zur Genehmigung vorgelegte Rechtserwerb dem GVG 1983 unterliegt, und hätte - da diese Frage nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes zu bejahen ist - in der Sache entscheiden müssen. Da sie zu Unrecht eine Entscheidung in der Sache verweigert hat, wurde der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt.
Der angefochtene Bescheid war daher aufzuheben.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 88 VerfGG; in den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 2.500,-- enthalten.
III. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4, erster Satz, und Z 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.