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OGH vom 14.04.2021, 13Os19/21z

OGH vom 14.04.2021, 13Os19/21z

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Pauritsch in der Strafsache gegen Said C***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 15, 75 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Geschworenengericht vom , GZ 17 Hv 101/20z-137, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde Said C***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen jeweils eines Verbrechens des Mordes nach § 15, 75 StGB (A) und der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b Abs 1, 3 und 4 zweiter Fall StGB (B) schuldig erkannt.

[2] Danach hat er in St. P*****

(A) am Cheidi B***** vorsätzlich zu töten versucht, indem er sie im Zuge eines eskalierenden Beziehungskonflikts auf ein Bett stieß und sie mit beiden Händen derart stark würgte, dass sie keine Luft mehr bekam, ihr „schwarz vor Augen“ wurde und sie das Gefühl hatte, ihre Augen würden platzen, wobei er erst nach dem Einschreiten der gemeinsamen, damals 16jährigen, Tochter die Hände von B*****s Hals löste, bevor die von ihm durch das Würgen unterbundene Sauerstoffzufuhr zu ihrem Tod geführt hätte, sowie

(B) vom Jahresanfang 2018 bis zum gegen Cheidi B***** länger als ein Jahr fortgesetzt Gewalt ausgeübt, indem er ihr zweimal im Monat Tritte gegen den Körper, Ohrfeigen und Faustschläge gegen das Gesicht und den Körper versetzte, sie ferner durch häufig die Gewaltausübung begleitende Äußerungen, sie zu töten, mit dem Tod bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, so unter anderem am , als er ihr ein Küchenmesser an die Brust hielt und ihr sagte, dass sie jetzt sterben würde, wenn er ihr das Messer in das Herz stechen würde, und sie ab November 2019 im Abstand von jeweils etwa zwei Wochen würgte, wodurch er insgesamt eine umfassende Kontrolle ihres Verhaltens herstellte oder eine erhebliche Einschränkung ihrer autonomen Lebensführung bewirkte, indem er durch die fortgesetzte Gewaltausübung Verhaltensanweisungen durchsetzte, wie insbesondere, keiner Erwerbstätigkeit nachzugehen, die deutsche Sprache nicht durch weitere Kurse zu verbessern, den „Führerschein“ nicht zu erwerben, kein Mobiltelefon zu besitzen, nicht selbständig über finanzielle Mittel zu verfügen, nicht selbstbestimmt soziale Kontakte zu pflegen und nicht ohne Erlaubnis das Haus zu verlassen.

Rechtliche Beurteilung

[3] Dagegen richtet sich die aus Z 6, 11 lit a, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

[4] Mit dem Einwand der Undeutlichkeit der Hauptfrage I infolge der darin verwendeten Wortfolgen „keine Luft mehr bekam“ und „eskalierenden Beziehungskonflikts“ lässt die Fragenrüge (Z 6) nicht erkennen, warum die angesprochene Fragestellung den Kriterien des § 312 Abs 1 StPO nicht genügen soll. Nach dieser Norm muss die Hauptfrage den Sachverhalt subsumtionstauglich umschreiben und zu diesem Zweck die Tat individualisieren und konkretisieren (Lässig, WKStPO § 312 Rz 9 und 17 ff mwN). Welche dieser Funktionen die Frage, ob der Angeklagte versucht habe, Cheidi B***** durch heftiges (eingehend beschriebenes) Würgen zu töten, in Bezug auf das in Rede stehende Verbrechen des Mordes nach § 15, 75 StGB nicht erfüllen soll, wird durch den Hinweis auf die relevierten Details der Fragestellung nicht klar.

[5] Eventualfragen sind dann zu stellen, wenn sie durch erhebliche (Ratz, WK-StPO § 345 StPO Rz 42), prozessordnungsgemäß in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse (§ 258 Abs 1 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO) indiziert sind (RISJustiz RS0100608 [T2, T 4], RS0100677, RS0100888, RS0100991 und RS0101087; Lässig, WKStPO § 314 Rz 2 mwN). Sollte das Vorbringen, wonach „die Anwendung von § 15, 75 StGB in Relation zu § 15, 76 StGB rechtlich offen bleiben muss“, in Richtung einer Eventualfragestellung nach dem Verbrechen des Totschlags zu verstehen sein, entzieht es sich mangels Hinweises auf entsprechende Verfahrensergebnisse einer meritorischen Erledigung.

[6] Soweit die Beschwerde in Zweifel zieht, dass ein 16jähriges Mädchen einen 41jährigen Mann von einem Mordvorhaben abhalten könnte, wendet sie sich nach Art einer im geschworenengerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung (§ 283 Abs 1 StPO iVm § 344 StPO) in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Geschworenen (§ 258 Abs 2 StPO iVm § 302 Abs 1 StPO).

[7] Weshalb der Sachverhalt in der Hauptfrage II nicht subsumtionstauglich beschrieben worden sein soll, macht die Fragenrüge mit der Kritik am plakativen Hervorheben einer (besonders massiven) Drohung neben der pauschalierenden Beschreibung der übrigen Tathandlungen nicht klar.

[8] Die Geltendmachung materieller Nichtigkeit im geschworenengerichtlichen Verfahren verlangt den Vergleich der im Wahrspruch der Geschworenen (§§ 330 bis 333 StPO) festgestellten Tatsachen mit der im Schuldspruch (§§ 260 Abs 1 Z 2, 270 Abs 2 Z 4 StPO iVm § 342 StPO) vorgenommenen Subsumtion (RIS-Justiz RS0101148, RS0101403).

[9] Soweit die Rechtsrüge (Z 11 lit a) und die Subsumtionsrüge (Z 12) den mit Blick auf § 7 Abs 1 StGB durch die dem Text des § 75 StGB entsprechende Formulierung der Hauptfrage hinreichend zum Ausdruck gebrachten (RISJustiz RS0113270 [T1]) und solcherart im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten (zumindest bedingten [§ 5 Abs 1 StGB]) Tötungsvorsatz bestreiten, entziehen sie sich somit einer inhaltlichen Erwiderung.

[10] Indem die Sanktionsrüge (Z 13) einen zusätzlichen Milderungsgrund reklamiert, erstattet sie bloß ein Berufungsvorbringen (RISJustiz RS0099911 [T1]).

[11] Mit den substratlosen Ausführungen zu angeblichen Befugnissen des Angeklagten nach tschetschenischem Recht und angeblichen „Besonderheiten des Familienlebens“ des Angeklagten und der Privatbeteiligten sowie der darauf gegründeten Behauptung der Missachtung der sich aus Art 8 Abs 2 MRK ergebenden Grenzen für den staatlichen Eingriff in das Familienleben lässt die Rüge keinen Konnex zu den Kriterien der Nichtigkeitsgründe erkennen.

[12] Die urteilsmäßige Entscheidung über die Kostenersatzpflicht (§ 260 Abs 1 Z 5 iVm § 389 Abs 1 StPO) und die von der Sanktionsrüge (Z 13) behauptete Verfassungswidrigkeit von Strafnormen sind nicht Gegenstand der Nichtigkeitsbeschwerde (RISJustiz RS0099654 [T1] , RS0053859 und RS0101604).

[13] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 344, 285d Abs 1 StPO).

[14] Die Entscheidung über die Berufung kommt dem Oberlandesgericht zu (§§ 344, 285i StPO).

[15] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2021:0130OS00019.21Z.0414.000

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