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OGH vom 04.07.2017, 14Os33/17k

OGH vom 04.07.2017, 14Os33/17k

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Limberger, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Philipp G***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Schöffengericht vom , GZ 39 Hv 148/16k-64, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jenichl, des Angeklagten und des Verteidigers Mag. Lesigang zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch A./I./ im Umfang des Erwerbs und Besitzes einer (vom Schuldspruch A./II./ erfassten) Teilmenge von 1.000 Gramm Cannabiskraut beinhaltend 63 Gramm THCA und 60 Gramm Delta9THC, sowie im Schuldspruch B./I./, demzufolge auch im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung), aufgehoben und insoweit in der Sache selbst erkannt:

Philipp G***** wird von der Anklage, er habe in E***** vorschriftswidrig Suchtgift erworben und besessen, und zwar

- von Anfang 2015 bis 1.000 Gramm Delta-9-THC-hältiges Cannabiskraut, bezogen von einem unbekannten Lieferanten namens „Mustafa“, und

- von 2015 bis 50 Gramm Kokain „zumindest in Straßenqualität“,

gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für das ihm weiterhin zur Last liegende Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (richtig: A./II./ und B./II./) und die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (A./I./) wird Philipp G***** unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 28a Abs 4 SMG zu einer Freiheitsstrafe von

drei Jahren

verurteilt.

Die Anrechnung der Vorhaft wird dem Erstgericht überlassen.

Mit ihrer gegen den Strafausspruch gerichteten Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf die Strafneubemessung verwiesen.

Der gegen den Verfallsausspruch gerichteten Berufung des Angeklagten wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen Verfallsausspruch (§ 20 Abs 1 StGB) enthält (US 4), wurde Philipp G***** (richtig:) mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall SMG (A./I./ und B./I./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (A./II./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (B./II./) schuldig erkannt und hiefür zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Danach hat er in E***** und an anderen Orten vorschriftswidrig Suchtgift, und zwar:

A./ von Anfang 2015 bis

I./ Delta-9-THC-hältiges Cannabiskraut erworben und besessen, nämlich 25.000 Gramm, bezogen vom gesondert verfolgten Michael Gä*****, sowie 1.000 Gramm, bezogen von einem unbekannten Lieferanten namens „Mustafa“;

II./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge, nämlich zumindest „22.000“ (richtig [vgl US 6]: 21.000) Gramm Cannabiskraut, beinhaltend 2.811 Gramm THCA und 214 Gramm Delta-9-THC, sowie 1.000 Gramm Cannabiskraut, beinhaltend 63 Gramm THCA und 60 Gramm Delta-9-THC, anderen durch gewinnbringenden Verkauf überlassen, und zwar:

1./ bis 9./ im Urteil namentlich genannten Abnehmern insgesamt 5.020 Gramm;

10./ unbekannten Abnehmern zumindest 17.000 Gramm;

B./ von 2015 bis Kokain „zumindest in Straßenqualität“

I./ erworben und besessen, und zwar 50 Gramm;

II./ anderen durch gewinnbringenden Verkauf in zumindest fünf Übergaben zumindest 50 Gramm überlassen, und zwar zumindest Michael Gä***** zu einem Grammpreis von 100 Euro.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schlägt fehl.

Der ausschließlich gegen die Urteilsannahmen zu A./II./10./ gerichteten Mängelrüge zuwider hat das Erstgericht die als übergangen kritisierte (Z 5 zweiter Fall) Einlassung des Angeklagten, wonach er an unbekannte Abnehmer lediglich Kleinmengen Cannabiskraut weitergegeben habe, ohnedies erörtert (US 8 f).

Indem die Beschwerde auf Basis eigenständiger Bewertung der Angaben der Zeuginnen Ulrike R***** und Caroline S***** bezweifelt, dass der (Haupt)Lieferant des Angeklagten, Michael Gä*****, Cannabiskraut so häufig erntete wie im Urteil angenommen und daraus ableitet, dass dieser den Angeklagten nicht im inkriminierten Ausmaß mit verbotenen Substanzen hätte versorgen können, bekämpft sie bloß die Beweiswürdigung des Schöffensenats nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Aus welchem Grund die Ergebnisse der (den Telefonanschluss des Angeklagten betreffenden) Nachrichtenüberwachung im Urteil zu Unrecht verwertet worden sein sollen, erklärt der Beschwerdeführer nicht. Indem er (ohne daran geknüpfte Rechtsmittelargumentation) auf das bloße Ergebnis dieser Ermittlungsmaßnahme hinweist, zeigt er einen Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht deutlich und bestimmt auf. Bleibt lediglich der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die Ergebnisse der erwähnten Telefonüberwachung mit Einverständnis des Angeklagten vorgetragen wurden (ON 63 S 40), solcherart Eingang in die Hauptverhandlung gefunden haben und daher vom Gericht (zwingend) zu berücksichtigen waren (§ 258 Abs 1 StPO).

Der weiteren Rüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider stehen die Verfahrensergebnisse, wonach die Verwendung nur eines Telefonanschlusses ermittelt werden konnte, beim Angeklagten nur ein Mobiltelefon sichergestellt wurde, die durchgeführte Kontenöffnung keine Rückschlüsse auf fortlaufende Einnahmen ergab und nur neun Suchtgiftkäufer ausgemittelt werden konnten, der Urteilsannahme, dass der Angeklagte noch weitere als die namentlich bekannten Suchtgiftabnehmer hatte, nicht entgegen. Diese Beweisresultate bedurften daher keiner Erwähnung in den gedrängt abzufassenden Entscheidungsgründen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO).

Soweit der Beschwerdeführer die Konstatierungen betreffend einzelne Suchtgiftübergaben von Michael Gä***** an den Angeklagten unter Hinweis auf (Details betreffende) Widersprüche zwischen den Angaben von Tatzeugen und jenen des Angeklagten bezweifelt, spricht er
– angesichts der dem Angeklagten angelasteten Überlassungshandlungen an weitere Abnehmer – keine entscheidenden Tatsachen an. Im Übrigen wendet sich das Rechtsmittel bloß erneut unzulässig gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.

Entgegen der Sanktionsrüge (Z 11 erster Fall) stellt die Vermögenslosigkeit des Angeklagten keinen Anwendungsfall des § 20a Abs 3 zweiter Fall StGB dar. Denn die Unverhältnismäßigkeit nach dieser Bestimmung bezieht sich allein auf den Ermittlungsaufwand, nicht jedoch auf die geringe Wahrscheinlichkeit der (erst im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens zu prüfenden [§§ 408 f StPO]) Einbringung des jeweiligen Vermögenswerts (Fuchs/Tipold in WK2 StGB § 20a Rz 34 f; Leukauf/Steininger/Stricker, StGB4§ 20a Rz 11; aA Fabrizy StGB12§ 20a Rz 8; EBRV StRÄG 1996, 31).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – zu verwerfen (§ 288 Abs 1 StPO).

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde überzeugte sich der Oberste Gerichtshof, dass das angefochtene Urteil vom Rechtsmittelwerber nicht geltend gemachte Rechts- und Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a, Z 10 StPO) aufweist:

1) Der dem (mit von vornherein bestehenden Additionsvorsatz vorgenommenen) Überlassen von 50 Gramm Kokain (B./II./) vorangehende Erwerb und Besitz derselben Substanz (B./I./) ist – ebenso wie der Erwerb und Besitz (A./I./) des sodann anderen überlassenen Cannabiskrauts (A./II./) – nicht gesondert strafbar, sondern subsidiär zu (hier:) § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (vgl RISJustiz RS0126213). Insoweit war daher in amtswegiger Wahrnehmung (§ 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO) der verfehlten Annahme von Realkonkurrenz (vgl Ratz, WKStPO § 281 Rz 565, § 290 Rz 23) mit Freispruch wie im Spruch ersichtlich vorzugehen. Bleibt anzumerken, dass ein solcher Ausspruch in Betreff der von Michael Gä***** bezogenen (und sodann weiterveräußerten) Teilmenge von 21.000 Gramm Cannabiskraut nicht in Betracht kam, weil es sich bei diesen Suchtgiftmanipulationen um eine gleichartige Verbrechensmenge bloß pauschal individualisierter Taten handelt (vgl RISJustiz RS0119552). Die Reduktion der vom Schuldspruch A./I./ erfassten Suchtgiftmenge kann nur im Rahmen der Strafbemessung berücksichtigt werden.

2) Im Hinblick auf die Urteilsannahmen zum Vorliegen eines Additionsvorsatzes hinsichtlich sämtlicher Suchtgiftverkäufe des Angeklagten (US 7) ist die gesonderte Annahme eines durch Überlassen von Kokain begangenen Vergehens nach § 27 Abs 1 Z 1 achter Fall SMG (B./II./) neben dem in Bezug auf Cannabiskraut verwirklichten Verbrechen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG (A./II./) verfehlt. Denn die letzterwähnte Bestimmung stellt eine besondere Art von Zusammenrechnungsgrundsatz – vergleichbar mit dem für wert- und schadensqualifizierte Delikte geltenden § 29 StGB – dar, sodass gleichartige strafbare Handlungen derart qualifiziert stets nur ein einziges Verbrechen nach § 28a Abs 4 Z 3 SMG begründen (RISJustiz RS0117464 [T14]). Dieser Subsumtionsfehler (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) wirkte sich jedoch nicht zum Nachteil des Angeklagten im Sinn des § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO aus, weil das Schöffengericht insoweit nur das (auf Basis der unbedenklichen Schuldsprüche genauso zum Tragen kommende) „Zusammentreffen strafbarer Handlungen“ als erschwerend wertete (US 15). Angesichts dieser Klarstellung besteht bei der Entscheidung in der Straffrage keine Bindung an den verfehlten Schuldspruch (vgl RISJustiz RS0118870).

3) Entgegen der Auffassung der Generalprokuratur sind jedoch keine Indizien dafür auszumachen, dass der Angeklagte die über den Schuldspruch A./II./ hinausgehenden, vom (verbleibenden) Schuldspruch A./I./ erfassten Suchtgiftquanten (und zwar 4.000 Gramm Cannabiskraut) ausschließlich zum eigenen persönlichen Gebrauch erworben und besessen hätte und davon ausgehend ein Feststellungsmangel in Betreff der Voraussetzungen des § 27 Abs 2 SMG anzunehmen wäre. Denn insoweit ging ja das Erstgericht von einem – diese genannte Restmenge nicht erreichenden – Eigenbedarf des Angeklagten von („nur“) ca 2.500 Gramm Cannabiskraut aus (US 6, 11). Ebensowenig ergeben sich Hinweise dafür, dass der Angeklagte insoweit uneigennützig für den persönlichen Gebrauch eines anderen handelte (vgl RISJustiz RS0124624).

Bei der erforderlichen Neubemessung der Strafe waren der lange Tatzeitraum, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit mehreren Vergehen (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB) sowie die mehrfache Überschreitung der in § 28a Abs 4 Z 3 SMG normierten Suchtgiftmenge (RIS-Justiz RS0088028; Ebner in WK2 StGB § 32 Rz 64) erschwerend. Mildernd waren der bisher ordentliche Lebenswandel (§ 34 Abs 1 Z 2 StGB), das teilweise Geständnis (vgl Ebner in WK2 StGB § 34 Rz 38) und die Sicherstellung des Suchtgifts zu werten.

Bei Abwägung der Strafzumessungsgründe (§ 32 StGB) entspricht bei einem Strafrahmen von einem bis zu fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe eine solche von drei Jahren dem Unrechts- und Schuldgehalt der Taten sowie der Täterpersönlichkeit. Zur bedingten Nachsicht eines Teils der verhängten Freiheitsstrafe nach § 43a Abs 4 StGB sah sich der Oberste Gerichtshof nicht bestimmt. Denn die erwähnte Vorschrift kommt nur in besonderen Ausnahmefällen zum Tragen (RIS-Justiz RS0092050). Eine solche Konstellation liegt hier nicht vor.

Die Anrechnung der Vorhaft kommt gemäß § 400 Abs 1 StPO dem Erstgericht zu.

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

In seiner (ausschließlich) gegen den Verfallsausspruch gerichteten Berufung behauptet der Angeklagte betragsmäßige Bindung des Gerichts an den – sich vorliegend auf 620 Euro beschränkenden – Antrag der Staatsanwaltschaft, weshalb die Vermögensmaßnahme diese Summe nicht hätte überschreiten dürfen. Dieser Einwand ist angesichts dessen, dass solche Entscheidungen auch amtswegig ergehen können, unzutreffend (Fuchs/Tipold, WKStPO § 443 Rz 6; vgl auch BMJ, Leitfaden vermögensrechtliche Anordnungen, 127).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0140OS00033.17K.0704.000
Schlagworte:
3 Alle Os-Entscheidungen

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