VfGH vom 10.06.1991, b624/90

VfGH vom 10.06.1991, b624/90

Sammlungsnummer

12699

Leitsatz

Keine Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Einräumung eines Berufungsrechtes für den Landesgrundverkehrsreferenten im Tir GVG 1983; kein Verstoß gegen das Determinierungsgebot durch die Nichtregelung der Berufungsvoraussetzungen für den Landesgrundverkehrsreferenten; keine denkunmögliche oder willkürliche Versagung einer Genehmigung zum Erwerb eines landwirtschaftlichen Grundbesitzes aufgrund der großen Entfernung des betreffenden Grundstückes von der Betriebstätte des Erwerbers

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird daher abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1. Mit Kaufvertrag vom erwarb G H von A M und M S die Gp. 2345 im Ausmaß von 22.916 m2 aus der EZ 49 I KG Stams um einen Kaufpreis von S 1,500.000,--.

2.1. Mit Bescheid der Grundverkehrsbehörde Stams bei der Bezirkshauptmannschaft Imst vom wurde diesem Rechtserwerb gemäß §§3 Abs 1 und 4 Abs 1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1983, LGBl. Nr. 69/1983 idF LGBl. Nr. 45/1988 (künftig: GVG 1983), die Zustimmung erteilt.

2.2. Der gegen diesen Bescheid vom Landesgrundverkehrsreferenten erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Landesgrundverkehrsbehörde beim Amt der Tiroler Landesregierung vom , Z LGv-808/5-89, Folge gegeben und der Eigentumsübertragung gemäß § 4 Abs 1 GVG 1983 die Zustimmung versagt.

Der Bescheid wurde im wesentlichen wie folgt begründet:

"Die Landesgrundverkehrsbehörde vertritt ... die Auffassung, daß bei dem zur Genehmigung anstehenden Rechtserwerb ein Widerspruch zu den im § 4 Abs 1 GVG 1983 angeführten Schutzinteressen allein schon im Hinblick auf die Entfernung des Kaufgrundstückes zum Betrieb des Käufers erblickt werden muß. Von der Erhaltung bzw. Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes kann nämlich keinesfalls gesprochen werden, wenn ein Landwirt aus dem Inntal in 25 km (!) Entfernung ein landwirtschaftliches Grundstück wiederum im Inntal erwirbt. Daß damit die gegenwärtigen Besitzverhältnisse in eine agrarpolitisch unerwünschte Richtung verändert werden, bedarf in Ansehung des Umstandes, daß landwirtschaftliche Grundflächen - im Gegensatz zu Waldgrundstücken - in der Regel einer intensiven Bewirtschaftung bedürfen, wohl keiner weiteren Ausführungen. Dazu kommt noch, daß es Ziel vieler Zusammenlegungsverfahren nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1978 (TFLG 1978), i.d.F. LGBl. Nr. 18/1984, unter anderem auch ist, Überlandparzellen zu beseitigen und insbesondere die landwirtschaftlichen Nutzflächen möglichst in die Hofnähe der einzelnen Betriebe zu transferieren (vergl. § 1 TFLG 1978). Wenn man darüberhinaus noch bedenkt, daß für die Erreichung derartiger Ziele auch erhebliche öffentliche Mittel aufgewendet werden (vergl. hiezu etwa § 7 lita des Tiroler Landwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 3/1974), so erscheint klargestellt, daß der vorliegende Rechtserwerb mit den landwirtschaftlichen Schutzinteressen im Sinne des § 4 Abs 1 GVG 1983 nicht vereinbart werden kann.

Soweit der Genehmigungswerber vorbringt, daß im Hinblick auf den heutigen Stand der Technik bzw. Motorisierung die Entfernung kein Hindernis darstelle, ist ihm zu erwidern, daß dies zwar grundsätzlich zutreffen mag, den aufgezeigten Widerspruch zu den landwirtschaftlichen Schutzinteressen jedoch nicht beseitigen kann. Aber auch mit dem Hinweis des Käufers, daß er bereit wäre, in Stams ein eigenes Wirtschaftsgebäude zu errichten, zumal er ohnedies die Absicht habe, in Stams weitere Grundflächen zu erwerben, ist nichts zu gewinnen. Zum einen kann nämlich die derzeitige Kauffläche im Ausmaß von 2,3 ha bei der in Rede stehenden Verwendung (wechselweiser Anbau von Futtermais und Speisekartoffel) keinesfalls als Basis für einen landwirtschaftlichen Betrieb angesehen werden (vergl. dazu beispielsweise das Erk. des VfGH. vom , B827/87-12), zum anderen hat die Behörde nach den zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung gegebenen tatsächlichen Verhältnissen und nicht nach eventuellen zukünftigen Möglichkeiten zu entscheiden (vergl. das Erk. des VfGH. vom , B404/82). Was schlußendlich die (wirtschaftlichen) Überlegungen anbelangt, die zum vorliegenden Kaufvertrag geführt haben, ist darauf hinzuweisen, daß Gegenstand eines grundverkehrsbehördlichen Verfahrens ausschließlich die Frage ist, ob der Rechtserwerb öffentlichen Interessen im Sinne des Grundverkehrsgesetzes 1983 widerspricht und daher die diesbezüglichen Interessen nicht berücksichtigt werden konnten."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art 144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Liegenschaftserwerbsfreiheit und auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend gemacht und die Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde begehrt.

4. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

4.1.1. Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, der angefochtene Bescheid verletze ihn im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richer, weil "gegen den Landesgrundverkehrsreferenten, aufgrund dessen Berufung die belangte Behörde tätig geworden ist, als Institution verfassungsrechtliche Bedenken" bestünden. Die Grundverkehrsbehörden erster Instanz seien dermaßen organisiert, daß durch die Mitwirkung eines Vertreters der Bezirkslandwirtschaftskammer als Behördenmitglied die Interessen der Land- und Forstwirtschaft hinreichend gewahrt seien. Zudem räume das GVG 1983 der Bezirkslandwirtschaftskammer ein Berufungsrecht ein. Unter diesen Umständen erhebe sich daher die Frage, ob "das Berufungsrecht des Landesgrundverkehrsreferenten sinnvoll sein" könne. Zudem sei nicht zu erkennen, nach welchen Gesichtspunkten der Landesgrundverkehrsreferent seine behördliche Tätigkeit auszuüben habe. Die Einrichtung des Landesgrundverkehrsreferenten und die Art und Weise, in welcher er tätig wird, fänden im Legalitätsprinzip keine Deckung. Sei aber das Institut und das Berufungsrecht des Landesgrundverkehrsreferenten verfassungswidrig und würden deshalb die zugrundeliegenden Bestimmungen als verfassungswidrig aufgehoben, dann enfiele auch die gesetzliche Grundlage für die Berufung, über die die belangte Behörde meritorisch entschieden habe.

4.1.2. Mit diesen Beschwerdeausführungen wird jedoch lediglich in Frage gestellt, daß es zur Wahrung der öffentlichen Interessen der Einrichtung des Landesgrundverkehrsreferenten bedurft hätte. Daß der Gesetzgeber bei der Schaffung dieser Institution unsachlich vorgegangen wäre, wird jedenfalls nicht dargetan. Dem Vorwurf, das Gesetz enthalte keine nähere Bestimmung, wann der Landesgrundverkehrsreferent vom Berufungsrecht Gebrauch zu machen habe, sodaß die Regelung gegen das Determinierungsgebot verstoße, ist entgegenzuhalten, daß der Gesetzgeber im Falle einer Rechtsmittelbefugnis eines Organes davon ausgehen kann, daß es zu dessen Amtspflichten gehört, von dieser Befugnis Gebrauch zu machen, wenn es das Vorliegen einer Rechtswidrigkeit annimmt.

4.2.1. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, die belangte Behörde habe bei Erlassung des angefochtenen Bescheides § 4 Abs 1 GVG 1983 denkunmöglich angewendet: Sie habe nicht geprüft, ob der in Rede stehende Rechtserwerb den öffentlichen Interessen widerspreche, sondern habe die Zustimmung deshalb versagt, weil der Rechtserwerb keinen "positiven Beitrag zur Erhaltung und Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes" bedeute. Die Behörde berufe sich auch bei der Versagung der Zustimmung gar nicht auf das GVG 1983, sondern auf das Tiroler Flurverfassungs-Landesgesetz 1978; diesem Maßstab könne aber eine grundverkehrsrechtliche Genehmigung nicht unterworfen werden. Vom Amtssachverständigen sei schließlich auch festgestellt worden, daß die Entfernung des Kaufgrundstückes von der Betriebsstätte des Beschwerdeführers in der heutigen Zeit keineswegs ein Hindernis für die Bewirtschaftung darstelle. Damit erweise sich aber die Begründung der belangten Behörde als Scheinargumentation. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer durchaus in der Lage sei, das Kaufobjekt von seiner Betriebsstätte in Unterperfuß zu bewirtschaften, habe er auch dargetan, daß er durch Ankauf weiterer Grundstücke in der Gemeinde Stams eine neue Betriebsstätte errichten wolle.

Der angefochtene Bescheid verstoße daher auch gegen die verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Unversehrtheit des Eigentums und auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz.

4.2.2. Auch diese Beschwerdevorwürfe treffen offenkundig nicht zu.

Der angefochtene Bescheid greift in das Eigentum ein. Er stützt sich auf § 4 Abs 1 GVG 1983, wonach die nach § 3 Abs 1 leg.cit. erforderliche Zustimmung bei land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken nur erteilt werden darf, wenn der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht.

Bei der Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsgrundlage (vgl. zB VfSlg. 11413/1987 und die dort zitierte Vorjudikatur sowie zuletzt , und vom , B669/89) käme eine Gleichheitsverletzung nur in Frage, wenn die belangte Behörde dem Gesetz einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hätte - das wird nicht einmal behauptet - oder wenn sie Willkür geübt hätte (vgl. zB VfSlg. 10337/1985); eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums läge nur dann vor, wenn die Behörde das Gesetz denkunmöglich angewendet hätte.

Ein willkürliches Verhalten kann der Behörde unter anderem dann vorgeworfen werden, wenn sie den Beschwerdeführer aus unsachlichen Gründen benachteiligt hat oder aber, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985).

Eine denkunmögliche Gesetzesanwendung läge nur dann vor, wenn die Behörde einen so schweren Fehler begangen hätte, daß dieser mit Gesetzlosigkeit auf eine Stufe zu stellen wäre (vgl. zB VfSlg. 10356/1983, 10482/1985).

All dies liegt offenkundig nicht vor.

Es ist jedenfalls weder denkunmöglich noch willkürlich, wenn die belangte Behörde die Ansicht vertritt, daß der Rechtserwerb von sogenannten Überlandparzellen der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden landwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht. Es ist unbestritten, daß der in Rede stehende Rechtserwerb ein landwirtschaftliches Grundstück betrifft, das 25 km vom landwirtschaftlichen Besitz des Beschwerdeführers entfernt ist. Wenn auch, was die belangte Behörde gar nicht in Abrede stellt, die technische Ausstattung des Beschwerdeführers eine Bewirtschaftung des Kaufobjektes auch vom Liegenschaftsbesitz des Beschwerdeführers aus ermöglicht, wäre es - wie auch im eingeholten Sachverständigengutachten bekundet wird - agrarstrukturell sinnvoller, wenn das Objekt von einem Anrainer erworben werden könnte. Damit kann aber der belangten Behörde jedenfalls nicht angelastet werden, in Anwendung des Gesetzes denkunmöglich vorgegangen zu sein, wenn sie meint, daß der Rechtserwerb - worauf die Bescheidbegründung abstellt - den durch § 4 Abs 1 GVG 1983 gestützten öffentlichen Interessen widerspricht.

Ob die Behörde das Gesetz richtig angewendet hat, war vom Verfassungsgerichtshof nicht zu beurteilen.

4.3. Der Beschwerdeführer behauptet weiters, ohne dies gesondert zu begründen, daß der angefochtene Bescheid ihn auch im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Liegenschaftserwerbsfreiheit verletze.

Das durch Art 6 StGG gewährleistete Recht, Liegenschaften zu erwerben und darüber frei zu verfügen, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nur gegen jene historisch gegebenen Beschränkungen, die ehemals zugunsten bestimmter bevorrechteter Klassen bestanden haben. Allgemeine Einschränkungen des Liegenschaftsverkehrs, wie sie in den Grundverkehrsgesetzen enthalten sind, werden durch Art 6 StGG nicht ausgeschlossen (VfSlg. 9682/1983). Das durch Art 6 StGG gewährleistete Recht könnte durch den angefochtenen Bescheid somit nur dann berührt worden sein, wenn die Genehmigung des Rechtsgeschäftes versagt worden wäre, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen (VfSlg. 9070/1981, 10797/1986).

Daß der angefochtene Bescheid die Zustimmung verweigere, um einen Landwirt beim Erwerb der Grundstücke zu bevorzugen, wird auch vom Beschwerdeführer nicht behauptet.

4.4. Die behauptete Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte hat sohin nicht stattgefunden.

Das Verfahren hat nicht ergeben, daß der Beschwerdeführer in von ihm nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten oder wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in seinen Rechten verletzt wurde.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 Z 1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.