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OGH vom 03.05.2011, 10ObS38/11b

OGH vom 03.05.2011, 10ObS38/11b

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle und Dr. Reinhard Drössler (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Stefan Hoffmann und Dr. Thomas Herzog, Rechtsanwälte in Vöcklabruck, wider die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84-86, vertreten durch Dr. Eva-Maria Bachmann-Lang und Dr. Christian Bachmann, Rechtsanwälte in Wien, wegen Kostenerstattung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 11 Rs 151/10w 34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 14 Cgs 162/09v 30 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Übernahme der Kosten einer Oberkieferoperation zwecks Vorbereitung einer Zahnimplantatversorgung bei seiner mitversicherten Tochter M***** gemäß den Zahnarztrechnungen vom und über 959,06 EUR, 605,06 EUR und 999,63 EUR (insgesamt sohin 2.563,75 EUR) ab. Aus der Begründung des Bescheids ergibt sich, dass die Versorgung mit einem abnehmbaren Zahnersatz auch ohne die Operation möglich gewesen wäre, sodass diese Krankenbehandlung das Maß des Notwendigen übersteige.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Klage mit dem Antrag, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Kosten der Zahnbehandlung in Höhe von 2.563,75 EUR samt 4 % Zinsen ab und die Verfahrenskosten zu ersetzen.

Der Kläger bringt zusammengefasst vor, seine Tochter habe bei einem Badeunfall einen Zahn verloren. In der Folge habe der Zahnarzt Dr. B***** ein Implantat eingebracht. Dabei sei es zu einer ärztlichen Fehlbehandlung gekommen, durch die ein entzündliches Geschehen mit massiv fortschreitendem Knochendefekt und Knochen- sowie Schleimhautschädigungen aufgetreten sei. Seine Tochter habe sich deshalb einer zwingend erforderlichen viereinhalbstündigen Operation unterziehen müssen, die von einer anderen Zahnärztin (Frau Dr. G*****) durchgeführt wurde. Die klageweise geltend gemachten Operationskosten seien für die Behandlung der Entzündung und der durch die Entzündung entstandenen Knochen- und Schleimhautdefekte aufgelaufen (ON 28).

Die beklagte Partei wendete ein, die Operationskosten seien ausschließlich im Hinblick auf die in Aussicht genommene (neuerliche) Einbringung eines festsitzenden Zahnersatzes (Implantats) entstanden. Die Versorgung mit einem abnehmbaren Zahnersatz wäre aber ausreichend und zweckmäßig gewesen. Hätten sich der Kläger und seine Tochter nach der Fehlbehandlung für den abnehmbaren Zahnersatz entschieden, hätte sich die Operation zum Knochenaufbau erübrigt. Die Behandlung übersteige deshalb das in § 90 Abs 2 GSVG vorgesehene Maß des Notwendigen, weshalb die Operation keine Krankenbehandlung iSd § 90 Abs 2 GSVG darstelle. Für das in der Rechnung vom enthaltene Panoramaröntgen und die Extraktion des (ebenfalls gelockerten) benachbarten Zahnes samt Anästhesie sei Kostenerstattung im Ausmaß von 37,30 EUR und 18,10 EUR geleistet worden.

In seinem Schriftsatz vom (ON 7) brachte der Kläger vor, an seinem bisherigen Klagebegehren dennoch festhalten zu wollen. Selbst wenn die Versorgung mit einem abnehmbaren Zahnersatz möglich gewesen sein sollte, habe die beklagte Partei zumindest Kosten in jenem Ausmaß zu ersetzen, in dem sie bei Inanspruchnahme des abnehmbaren Zahnersatzes leistungspflichtig geworden wäre. Das Klagebegehren finde in diesem Betrag jedenfalls Deckung.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

„Die Schließung einer Zahnlücke ist grundsätzlich durch eine (kostengünstige) abnehmbare Prothese möglich, weiters mittels einer festsitzenden Brücke oder durch den Einbau einer künstlichen Zahnwurzel (Implantat). Der Kläger entschloss sich, die bei seiner mj Tochter im Zuge eines Badeunfalls entstandene Zahnlücke durch ein Implantat versorgen zu lassen. Das Implantat wurde vom Zahnarzt Dr. B***** gesetzt, lockerte sich aber nach wenigen Monaten. Die Schleimhaut wies eine entzündliche und massiv gerötete Struktur auf, auch der neben dem Implantat liegende Zahn wurde locker. Die Tochter des Klägers begab sich daraufhin in die Behandlung der deutschen Zahnärztin Dr. G*****. Nach Abklingen des entzündlichen Geschehens im Oberkiefer entfernte diese operativ das vorhandene Implantat und extrahierte den daneben gelegenen Zahn. Sie säuberte den Knochen, schraubte einen Knochenblock ein und nahm den Volumenaufbau mit Knochenersatzmaterial vor. Die für die Operation in Rechnung gestellten 959,06 EUR, 605,06 EUR und 999,63 EUR wurden vom Kläger bezahlt. Die beklagte Partei leistete für das Panoramaröntgen und für die Extraktion des benachbarten Zahnes Kostenerstattung (Urteil S 7). Nicht die Entzündung machte die Knochenaufbauoperation erforderlich, sondern das Vorhaben, fünf Monate später zwei (neue) Implantate zu inserieren. Bei der Tochter des Klägers wäre aber auch die Anfertigung eines abnehmbaren Zahnersatzes durchführbar, ausreichend und zweckmäßig gewesen und hätte keine Operation erfordert. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Tochter des Klägers mit einem abnehmbaren Zahnersatz nicht kauen, essen oder sprechen hätte können. Die Kosten eines abnehmbaren Zahnersatzes betragen 790 EUR, davon sind vom Versicherten 197,50 EUR an Eigenanteil zu tragen.

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, die Zahnbehandlung und der verwendete Zahnersatz seien zwar zweckmäßig gewesen, hätten jedoch das Maß des Notwendigen überschritten. Als unentbehrlicher Zahnersatz sei im Allgemeinen nur der abnehmbare Zahnersatz anzusehen. Die Kosten eines festsitzenden Zahnersatzes seien nur dann zu übernehmen, wenn ein abnehmbarer Zahnersatz aus medizinischen Gründen nicht möglich sei. Dies sei nicht festgestellt. Sei ein festsitzender Zahnersatz aus medizinischen Gründen nicht indiziert, sehe das Gesetz auch keinen Ersatz „fiktiver“ Kosten des nicht angefertigten abnehmbaren Zahnersatzes vor.

Gegen dieses Urteil erhob der Kläger Berufung, in der er das Berufungsurteil nur insoweit anfocht, als das Klagebegehren mit einem den Betrag von 592,50 EUR übersteigenden Betrag abgewiesen wurde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung nicht Folge und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage des fiktiven Kostenersatzes einer Zahnbehandlung nach dem GSVG keine oberstgerichtliche Rechtsprechung auffindbar sei. In seiner rechtlichen Beurteilung ging das Berufungsgericht davon aus, dass sich diese Frage im vorliegenden Fall (doch) noch nicht stelle. Nach den Feststellungen sei es bislang noch nicht zu einer Versorgung mit Zahnersatz gekommen, da die Zahnlücke erst nach einer Abheil- und Wartezeit von fünf Monaten mittels Implantat geschlossen werden könne. Erst wenn die Tochter des Klägers über den festsitzenden Zahnersatz mittels Implantaten verfügen werde und dafür Kosten begehrt werden sollten, stelle sich die Frage, ob Anspruch auf „fiktiven“ Kostenersatz für den nicht durchgeführten abnehmbaren Zahnersatz bestehe. Das Klagebegehren sei demnach verfrüht, sodass das klageabweisliche Urteil des Erstgerichts schon aus diesem Grund zu bestätigen sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im klagestattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionswerber macht im Wesentlichen geltend, die Berufungsentscheidung sei mangelhaft, weil das Berufungsgericht die Streitteile mit seiner Rechtsansicht überrascht habe. Keine der Parteien habe im erstinstanzlichen Verfahren vorgebracht oder erkennbar in Betracht gezogen, dass eine Abweisung des Klagebegehrens darauf gestützt werden könnte, die eingereichten Rechnungen beträfen nicht den Zahnersatz mittels Implantaten, sondern nur die (aufgrund der besonderen Umstände) dafür nötigen Vorarbeiten. Das Berufungsgericht habe diese Rechtsansicht von sich aus erstmalig aufgegriffen. Die Implantate seien mittlerweile, (spätestens im Jänner 2009) inseriert worden. Erhielt ein Versicherter, der aus eigenen Mitteln eine die Pflichtleistung übersteigende medizinische Versorgung in Anspruch nimmt, keinen fiktiven Kostenersatz für die Pflichtleistung, würde dies zu dessen Schlechterstellung gegenüber jenem Versicherten führen, der sich mit der zur Gänze zu ersetzenden Mindestversorgung begnüge.

Dazu ist auszuführen:

Gegenstand des Berufungs- und Revisionsverfahrens ist ausschließlich das Begehren des Klägers auf einen „fiktiven“ Zuschuss für den (nicht in Anspruch genommenen ) festsitzenden Zahnersatz.

1. Das GSVG weist - anders als das ASVG - die Erbringung der Leistung von Zahnbehandlung und Zahnersatz dem Versicherungsfall der Krankheit zu ( Binder in Tomandl , SV-System 21. Erg-Lfg 264/36). Während nach dem ASVG und dem B-KUVG es weitgehend der Satzung überlassen ist, den Leistungsumfang bei Zahnbehandlung und Zahnersatz zu bestimmen, ergibt sich der konkrete Anspruch auf Zahnbehandlung und Zahnersatz nach dem GSVG und dem BSVG bereits aus dem Gesetz ( Binder aaO 264/40), nur die nähere Ausgestaltung wird der Satzung überlassen.

Nach § 94 Abs 1 Z 2 GSVG muss der im vorliegenden Revisionsverfahren allein interessierende als Pflichtleistung zu gewährende Zahnersatz dazu notwendig sein, eine Gesundheitsstörung oder eine wesentliche Störung der Berufsfähigkeit hintanzuhalten. Gemäß § 94 Abs 2 GSVG wird er durch niedergelassene Zahnärzte/Zahnärztinnen, Gruppenpraxen oder Dentisten/Dentistinnen, in eigenen hiefür ausgestatteten Einrichtungen des Versicherungsträgers oder in Vertragseinrichtungen nach Maßgabe der Bestimmungen der Satzung gewährt; § 90 Abs 2 GSVG gilt entsprechend.

Nach § 18 Abs 1 der Satzung der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft 2008 (Neufassung 44/2008) werden als Leistungen des Zahnersatzes ua Zahnprothesen, Zahnbrücken, Kronen, Stiftzähne und andere Leistungen ähnlicher Art sowie in besonderer Ausführung gewährt. Gemäß der Anlage 2 „Vergütungstarife für Zahnbehandlung und Zahnersatz gemäß § 85 Abs 2 lit c GSVG im Zusammenhalt mit § 94 GSVG“ werden auf die in Vorlage gebrachten saldierten Rechnungen der Zahnbehandler/Zahnbehandlerinnen (Fachärzte/Fachärztinnen für Zahn-, Mund-, und Kieferheilkunde und Dentisten/Dentistinnen) über in Anspruch genommene Leistungen gemäß § 94 Abs 2 GSVG Kostenersätze unter Zugrundelegung der im Rahmen des Verrechnungsübereinkommens mit der Österreichischen Ärztekammer, Bundesfachgruppe für Zahn-, Mund-, und Kieferheilkunde, bzw des mit der Dentistenkammer bestehenden Gesamtvertrags erbracht, soweit in der Folge keine abweichenden Tarife festgelegt werden. In den Abschnitten 1-8 der Anlage 2 sind Kostenersatzfälle geregelt (etwa im 2. Abschnitt „Kunststoffprothethik abnehmbarer Zahnersatz“, in Abschnitt 3 „Metallprothetik“, in Abschnitt 7 „Zuschüsse für sonstige Leistungen der konservierend prothetischen Zahnbehandlung, in Abschnitt 8 für Leistungen der konservierend-prothetischen Zahnbehandlung in medizinischen Sonderfällen, etwa bei Patienten/Patientinnen mit Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Tumorpatienten, bei denen eine normale prothetische Versorgung nicht möglich ist. Nur in diesen Sonderfällen sieht die Satzung Kostenersätze auch für Implantationen vor.

Eine generelle auch für Zahnersatz geltende Begrenzung des Leistungsumfangs enthält § 90 Abs 2 GSVG, nach dem die Krankenbehandlung ausreichend und zweckmäßig sein muss, jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten darf. Zu der dem § 90 Abs 2 GSVG gleichlautenden Regelung des § 133 Abs 2 ASVG hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 157/09z unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung (10 ObS 252/97z = SSV-NF 11/96) bereits ausgeführt, dass Zweckmäßigkeit des Zahnersatzes dann gegeben ist, wenn die gesetzten Maßnahmen nach dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft zum Zeitpunkt der Maßnahme objektiv geeignet waren, die durch das Fehlen von Zähnen oder Zahnstücken bzw durch schadhafte Zähne beeinträchtigten Funktionen des Kauens, Beißens oder Sprechens wiederherzustellen. Das Maß des Notwendigen bestimme sich zwar aus dem Zweck der Leistung; notwendig sei jedoch nur jene Maßnahme, die zur Erreichung des Zwecks unentbehrlich oder unvermeidbar sei. Diese Einschränkung solle unnotwendige und kostenintensive Maßnahmen vermeiden, die finanzielle Belastung in Grenzen halten und so dem Gebot der Wirtschaftlichkeit der Krankenbehandlung zum Durchbruch verhelfen. Bei mehreren gleichermaßen zweckmäßigen Behandlungsmethoden sei jeweils diejenige zu wählen, welche die geringsten Kosten verursacht, bzw bei der die Relation der Kosten zum Nutzen (Heilerfolg) am Günstigsten ist. Unter dem Gesichtspunkt des Prinzips der Kostenbegrenzung sei es jedenfalls verfassungsrechtlich unbedenklich, zwischen abnehmbarem und festsitzendem Zahnersatz zu differenzieren, letzteren nur subsidiär für den Fall zu gewähren, dass ein abnehmbarer Zahnersatz aus medizinischen Gründen nicht möglich sei und die Ersatzleistung auf den unbedingt notwendigen Zahnersatz zu beschränken (RIS-Justiz RS0108530).

Nach den im vorliegenden Fall getroffenen Feststellungen hätte bei der Tochter des Klägers ein abnehmbarer Zahnersatz den zur Hintanhaltung einer Gesundheitsstörung notwendigen und damit unentbehrlichen Zahnersatz iSd § 94 Abs 2 GSVG dargestellt; wäre dieser für sie angefertigt worden, hätte der Kläger die dafür nach der Satzung zustehende Kostenersatzleistung erhalten.

2. Der Kläger fordert aber eine „Mischverrechnung“ - also die Gewährung zumindest der Versicherungsleistung für die von seiner Tochter nicht in Anspruch genommene Pflichtversicherungsleistung des abnehmbaren Zahnersatzes. Zur „Mischverrechnung“ - liegen bereits mehrere höchstgerichtliche Entscheidungen vor (10 ObS 382/98v = SSV-NF 13/65 = RIS-Justiz RS0112196 zu Alternativmethoden; 10 ObS 78/99i = SSV-NF 13/66 zu unentbehrlichem Zahnersatz nach B-KUVG;10 ObS 78/09g = SSV-NF 23/40 zu den Kosten einer Nicht-Vertragshebamme; 10 ObS 157/09z = DRdA 2010, 514). Der erkennende Senat hat die „Mischverrechnung“ bereits ausdrücklich unter Hinweis darauf abgelehnt, dass das Krankenversicherungsrecht zwar von einer freien Wahl des Leistungserbringers, nicht aber von einer freien Methoden- oder Therapiewahl ausgeht. Der Grundsatz der freien Arztwahl verfolgt nur den Zweck, dem Versicherten zu ermöglichen, den Arzt seines Vertrauens zur Erbringung der von der Krankenversicherung bereitzustellenden Leistung in Anspruch zu nehmen, nicht aber dazu, sich Leistungen zu verschaffen, die von der gesetzlichen Krankenversicherung nicht zu erbringen sind (10 ObS 382/98v = SSV-NF 13/65; 10 ObS 157/09z = DRdA 2010, 514). „Fiktive“ - also gar nicht in Anspruch genommene Leistungen aus der Krankenversicherung nach dem GSVG waren zudem bereits Gegenstand der Entscheidung 10 ObS 29/00p = SSV NF 14/78. Zu der in § 85 Abs 2 lit b GSVG geregelten Erbringung von Geldleistungen wurde ausgesprochen, dass der Versicherte, der für eine Operation nicht die Sachleistung des Versicherungsträgers (Bandscheibenoperation nach der Standardmethode in einer Krankenanstalt) in Anspruch nahm, sondern eine CT-gezielte, ambulante Bandscheibenresektion in einer Tagesklinik durchführen ließ, als Kostenersatz nicht jene fiktiven Kosten begehren kann, die dem Versicherungsträger bei Inanspruchnahme einer Vertragseinrichtung erwachsen wären. Sei Anstaltspflege tatsächlich nicht zuteil geworden, könne nicht Ersatz für „fiktive Anstaltspflege“ begehrt werden, die nur bei Inanspruchnahme der Sachleistung theoretisch erbracht worden wäre.

3. Art 14 EMRK verbietet nicht jegliche, sondern nur die diskriminierende unterschiedliche Behandlung, die keine objektive und vernünftige Rechtfertigung erkennen lässt. Da eine sachliche Differenzierung für den Umfang oder den Erwerb von Leistungsansprüchen dem Gesetzgeber nicht verwehrt ist (VfGH G 363/97), wurde die sachliche Rechtfertigung für eine Ungleichbehandlung von Personen, die nicht festsitzenden Zahnersatz tatsächlich in Anspruch nehmen und solchen Personen, die wie die Tochter des Klägers keinen derartigen Zahnersatz in Anspruch nehmen, als nicht zweifelhaft erachtet (10 ObS 157/09z). Es liegt demnach kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, wenn die Tochter des Klägers, die eine bessere als die ihr zustehende Leistung in Anspruch genommen hat, nicht (zumindest) die geringere Pflichtleistung erhält.

Ist ein Anspruch des Klägers auf „Mischverrechnung“ betreffend den Kostenersatz für „fiktiven“ abnehmbaren Zahnersatz jedenfalls zu verneinen, bedarf es keiner Erörterung, ob die geplante Versorgung durch Implantate mittlerweile schon vorgenommen wurde. Eine entscheidungsrelevante Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens infolge Verstoßes gegen das „Überraschungsverbot“ liegt deshalb nicht vor.

Diese Erwägungen führen zur Bestätigung der Entscheidung des Berufungsgerichts.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch an den unterlegenen Kläger nach Billigkeit wurden nicht dargetan und sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich.