OGH vom 17.05.2017, 13Os18/17x
Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lässig, Dr. Bachner-Foregger, Mag. Michel und Dr. Brenner in Gegenwart der Richteramtswärterin Mag. Adamowitsch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Amadeo S***** und einen weiteren Angeklagten wegen des Vergehens der schweren gemeinschaftlichen Gewalt nach § 274 Abs 1 und Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Amadeo S***** sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom , GZ 115 Hv 27/16g-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten Amadeo S***** fallen auch jene Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last, die durch seine zur Gänze erfolglos gebliebene Nichtigkeitsbeschwerde verursacht worden sind.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Amadeo S***** des Vergehens der Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.
Danach hat er am in S***** versucht, ein unbekanntes Opfer durch Versetzen eines Faustschlags gegen den Hinterkopf am Körper zu verletzen.
Hingegen wurden Amadeo S***** und Arne D***** von den wider sie erhobenen Vorwürfen, sie hätten am in W*****
A./ wissentlich an einer Zusammenkunft vieler Menschen, die darauf abzielte, dass durch ihre vereinten Kräfte ein Mord (§ 75 StGB), ein Totschlag (§ 76 StGB), eine Körperverletzung (§§ 84 bis 87 StGB) oder eine schwere Sachbeschädigung nach § 126 Abs 1 Z 5 oder Abs 2 StGB begangen werde, wobei es zu einer solchen Gewalttat, nämlich unter anderem der unter Punkt B./ angeführten schweren Sachbeschädigung sowie der Beschädigung der Polizeiinspektion „A*****“, sohin einer weiteren schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 5 StGB, gekommen ist, dadurch teilgenommen, dass sie an einem Personenzug von mehreren hundert Menschen, aus dem sich lediglich kurzzeitig teilweise Gruppierungen von etwa 30 Personen trennten und in Folge wieder zusammenfanden, durch die W***** Innenstadt teilnahmen und im Rahmen ihrer Teilnahme die unter Punkt B./ genannte strafbare Handlung ausführten oder zu ihrer Ausführung beitrugen;
B./fremde Sachen,
1./ nämlich den vor der Polizeiinspektion A***** abgestellten Funkwagen mit dem Kennzeichen BP*****, sohin einen wesentlichen Bestandteil der kritischen Infrastruktur (§ 74 Abs 1 Z 11 StGB), zerstört, indem sie gemeinsam mit abgesondert verfolgten Personen Gegenstände gegen diesen warfen, wodurch ein Totalschaden am Fahrzeug entstand;
2./ Amadeo S***** alleine die in ***** A***** eintreffenden Polizeiautos, sohin einen wesentlichen Bestandteil für die kritische Infrastruktur, zu beschädigen versucht, indem er zwei YtongSteine in hohem Bogen in Richtung der Polizeiautos geworfen hätte,
gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die bloß angemeldete (ON 45), aber nicht ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft. Gegen den Schuldspruch wendet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5 und Z 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Amadeo S*****.
Da die Anklagebehörde keine Ausführung ihrer Beschwerdegründe (§ 285 Abs 1 erster Satz StPO) überreichte und auch bei der Anmeldung (ON 45) die Nichtigkeitsgründe nicht einzeln und bestimmt bezeichnete, war ihre Beschwerde gemäß § 285d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285a Z 2 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.
Die Mängelrüge (Z 5) wendet sich gegen die – für die Tatrichter eine notwendige Bedingung für die Feststellung der subjektiven Tatseite bildende (US 13; vgl RISJustiz RS0116737; Ratz, WKStPO § 281 Rz 410) – Konstatierung, wonach Amadeo S***** mit der Faust gegen den Hinterkopf des Opfers schlug (US 8).
Dem Einwand der Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) zuwider haben sich die Tatrichter sowohl mit der Videoaufzeichnung des Vorfalls als auch mit den Aussagen der Zeugen Johann K*****, Daniel R***** und Sabine St***** hinreichend auseinandergesetzt (US 12 f). Dass die bezughabenden Erwägungen dem Rechtsmittelwerber nicht überzeugend erscheinen und aus den Beweismitteln auch andere Schlüsse gezogen werden könnten, stellt keinen Begründungsmangel im Sinn der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO dar.
Der Sache nach wendet sich der Beschwerdeführer bloß nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Schuldberufung gegen die den Tatrichtern vorbehaltene Beweiswürdigung.
Die gesetzmäßige Ausführung einer Diversionsrüge (Z 10a) erfordert eine methodisch korrekte Argumentation auf Basis der Tatsachenfeststellungen unter Beachtung der Notwendigkeit des kumulativen Vorliegens sämtlicher Diversionsvoraussetzungen (RISJustiz RS0124801, RS0116823). Diese Kriterien verfehlt das Beschwerdevorbringen, indem es den vom Erstgericht in tatsächlicher Hinsicht festgestellten spezialpräventiv negativen Prognoseindikator der Tendenz einer unangebrachten Bagatellisierung der eigenen Tat (US 17; vgl Schroll, WKStPO § 198 Rz 37) übergeht. Zudem lässt es prozessordnungswidrig die zur Annahme schwerer Schuld (vgl Schroll, WK-StPO § 198 Rz 13 ff) getroffenen Feststellungen außer Acht, wonach Amadeo S***** einen ihm unbekannten Mann völlig provokationslos allein aufgrund der Tatsache, dass dieser an einer Demonstration teilnahm, die der Nichtigkeitswerber nicht gut hieß, attackierte (US 17) und er sich aus eben diesem Grund mit einer Körperverletzung des Opfers abfand (US 9; vgl RIS-Justiz RS0116021 [T5]).
Daher waren – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – beide Nichtigkeitsbeschwerden bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).
Daraus folgt die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung des Angeklagten Amadeo S***** (§ 285i StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO (vgl Lendl, WKStPO § 390a Rz 8; RISJustiz RS0108345 [T2]).
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2017:0130OS00018.17X.0517.000 |
Schlagworte: | Strafrecht |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.