OGH vom 29.06.2017, 8Ob64/17w

OGH vom 29.06.2017, 8Ob64/17w

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun-Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch MMag. DDr. Klaus H. Kindel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1) Dr. H***** K*****, 2) H***** K*****, 3) H***** K*****, und 4) A***** K*****, alle *****, alle vertreten durch Mag. Bertram Eisner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.101.161,18 EUR sA, über die außerordentliche Revision der erstbeklagten und der viertbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom , GZ 1 R 194/16f-131, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Das Berufungsgericht hat sich in seiner sorgfältig begründeten Entscheidung mit den einzelnen Argumenten der Beklagten, insbesondere auch der Erst und Viertbeklagten, umfassend auseinandergesetzt. Dabei hat es zugunsten aller Beklagten vom richterlichen Mäßigungsrecht gemäß § 25d KSchG Gebrauch gemacht. In Anbetracht der besonderen Rolle der Erst und Viertbeklagten, die die führenden Köpfe des Unternehmens der Hauptschuldnerin waren, die unternehmerischen Entscheidungen trafen, wegen der Finanzierung der Geschäftsidee des Viertbeklagten an die Klägerin herantraten, schon vor der Kontaktaufnahme mit der Klägerin zunächst selbst eine Haftungszusage der Österreichischen Hotel und Tourismusbank GmbH (ÖHT) erwirkt hatten, ein besonderes wirtschaftliches Eigeninteresse an den Geldmitteln der Klägerin hatten, als Sicherungsgeber für die Klägerin wichtig waren, weil der Unternehmenserfolg von deren Bemühen und Gebarung abhängig war und die von der Klägerin aufgrund deren Angaben und Auftreten als erfahrene Geschäftsleute eingestuft wurden, fiel die richterliche Mäßigung bei den Erst und Viertbeklagten wesentlich geringer als bei den Zweit und Drittbeklagten aus.

2.1 In der außerordentlichen Revision wiederholen die Erst und Viertbeklagten ihre Argumente und verneinen einzelne Aussagen des Berufungsgerichts. Dabei erschöpfen sich ihre Ausführungen im Wesentlichen in Behauptungen, ohne dass sie rechtliche Grundsätze oder höchstgerichtliche Entscheidungen konkret für ihren Standpunkt ins Treffen führen könnten. Damit zeigen die Erst und Viertbeklagten keine erhebliche Rechtsfrage auf.

2.2 Die Einkommensverhältnisse der Erst und Viertbeklagten hat das Berufungsgericht in seine Beurteilung miteinbezogen. In dieser Hinsicht wurde zu Lasten der Klägerin berücksichtigt, dass dieser hätte klar sein müssen, dass im Fall des Scheiterns des Unternehmens der Hauptschuldnerin die in den Selbstauskünften der Beklagten angegebenen Gehälter nicht mehr zur Verfügung stünden. Dementsprechend hat das Berufungsgericht auch ein grobes Missverhältnis zwischen dem Einkommen und der eingegangenen Verpflichtung der Beklagten bejaht. Dazu hat es aber auch festgehalten, dass die Klägerin aufgrund des Auftretens der Erst und Viertbeklagten als erfahrene Geschäftsleute allenfalls davon hätte ausgehen dürfen, dass sie auch sonst ähnliche Beträge verdienen könnten. Darauf geht die außerordentliche Revision nicht konkret ein.

2.3 Das Argument, die Erst und Viertbeklagten wären nicht darüber informiert gewesen, dass die ÖHTHaftungszusage nicht für die eingegangenen Gesamtverbindlichkeiten schlagend würde, sondern sich nur auf einen Teil der Kredite beziehe, ist nicht stichhaltig. Die Beklagten haben selbst vorgebracht, dass die ÖHT eine Haftung in Höhe von 70 % für den Kredit über 613.500 EUR übernommen habe. Dieser Kredit war als Investitionskredit im Rahmen der TopTourismusförderung der ÖHT bezeichnet. Die Haftungszusage hat sich somit von Anfang an nicht auf das gesamte Kreditvolumen bezogen, was den Beklagten bekannt sein musste.

Tatsächlich hat die ÖHT aus dem Titel der Haftungszusage 261.890,76 EUR geleistet. Dass in Wirklichkeit höhere Investitionskosten förderbar gewesen wären, konnte das Erstgericht nicht feststellen. Schließlich durfte die Klägerin auch berechtigt davon ausgehen, dass den Beklagten, insbesondere den Erst und Viertbeklagten, die Vertragsgrundlagen und Bedingungen der ÖHT bekannt waren.

2.4 Ähnliche Überlegungen gelten für das Argument, die Beklagten wären nicht über die Rechtsfolgen ihrer Bürgeneigenschaft im Verhältnis zur ÖHTHaftung aufgeklärt gewesen. Dazu hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Beklagten zu einer allfälligen Regressmöglichkeit der ÖHT gar nicht behauptet hätten, sie seien von der ÖHT auf dem Regressweg in Anspruch genommen worden. Sie hätten auch weder konkret behauptet noch bewiesen, dass die Klägerin sie zur unrichtigen Annahme verleitet hätte, ihre Bürgenhaftung sei gegenüber jener der ÖHT nachrangig.

2.5 Entgegen den Ausführungen der Erst und Viertbeklagten war die vorübergehende Sperre der Bankomatkarten nicht auf einen Mitarbeiterwechsel bei der Klägerin, sondern auf die widmungswidrige Verwendung der Geldmittel durch die Hauptschuldnerin zurückzuführen. Zudem lassen die Beklagten die Überlegung des Berufungsgerichts unbestritten, es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der kurzfristige Bargeldentzug für die Geschäftsführer die Liquidität der Hauptschuldnerin wesentlich hätte beeinträchtigen können.

2.6 Der Behauptung, die Zahlungsunfähigkeit der Hauptschuldnerin sei von der Gläubigerin oder von Dritten ganz oder teilweise mitverursacht worden, mangelt es an jeglichem Tatsachensubstrat. Die Erst und Viertbeklagten ignorieren neuerlich, dass das Erstgericht nicht nur die in den Kreditverträgen und in den Wechselwidmungserklärungen enthaltenen Klauseln über die Geltung der Allgemeinen Kreditbedingungen und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin, sondern auch Punkt 14 der Allgemeinen Kreditbedingungen in seinen Feststellungen wörtlich wiedergegeben hat.

3. Das Berufungsgericht ist zugunsten der Beklagten ohnedies davon ausgegangen, dass die von der Klägerin vorgenommene formularmäßige Belehrung gemäß § 25c KSchG keinen Bezug zum konkreten Einzelfall enthalte und daher nicht ausreiche. Das von den Erst und Viertbeklagten ins Treffen geführte Argument, für die Klägerin hätte aufgrund des Einkommens der Beklagten erkennbar sein müssen, dass die Kredite wahrscheinlich notleidend würden, ist wiederum nicht verständlich.

Das Berufungsgericht hat zutreffend beurteilt, dass die Aufklärungspflicht auf den Zeitpunkt des Eingehens der Verpflichtung durch die Interzedenten abstellt. Sowohl den Erst und Viertbeklagten als auch der Klägerin erschien der Businessplan und das Geschäftsmodell für das Franchiseprojekt als gut durchdacht und schlüssig. Die Beklagten haben selbst vorgebracht, dass die Hauptschuldnerin noch im Dezember 2010 sämtliche Liquiditätsparameter erfüllt habe. Als sich erste Probleme abzeichneten, erhielt die Klägerin nur unzureichende Informationen von den Beklagten. Im Dezember 2010 stellte sich heraus, dass Kreditmittel widmungswidrig verwendet wurden. Die Beklagten waren auch nicht in der Lage, die erforderlichen Unterlagen (zB Eigenmittelnachweise und Zahlungsbelege zu Rechnungen) vollständig beizubringen. Warum es aber letztlich zur Insolvenz kam, konnte im vorliegenden Verfahren nicht ermittelt werden.

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass wirtschaftliche Schwierigkeiten der Hauptschuldnerin nicht absehbar gewesen seien und von konkreten Schwächen im Unternehmenskonzept oder in der Finanzierung nicht auszugehen gewesen sei, erweist sich damit ebenfalls als nicht korrekturbedürftig.

4. Insgesamt gelingt es den Erst und Viertbeklagten nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:OGH0002:2017:0080OB00064.17W.0629.000
Schlagworte:
1 Generalabonnement,18 Konsumentenschutz- und Produkthaftungsrecht

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