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OGH vom 15.07.2011, 8Ob64/11m

OGH vom 15.07.2011, 8Ob64/11m

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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Spenling als Vorsitzenden und durch den Hofrat Hon. Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann Prentner sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Insolvenzsache des Schuldners F***** N*****, vertreten durch Stenitzer Stenitzer Rechtsanwälte OG in Leibnitz, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom , GZ 4 R 119/11s 42, womit der Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Leibnitz vom , GZ *****, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Mit Beschluss des Erstgerichts vom wurde das Abschöpfungsverfahren über den Schuldner eingeleitet. Er erreichte in den sieben Jahren des Abschöpfungsverfahrens eine Quote von lediglich 0,34 % der angemeldeten Forderungen. Mit Antrag vom , verbessert am , beantragte der Schuldner die Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens um drei Jahre gemäß § 213 Abs 4 IO (§ 213 Abs 4 KO) verbunden mit der Aussetzung der Restschuldbefreiung.

Das Erstgericht erklärte das Abschöpfungsverfahren mit Beschluss als beendet. Es sprach mit diesem Beschluss aus, dass dem Schuldner die Restschuldbefreiung nicht erteilt werde und wies den Antrag des Schuldners auf Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens um drei Jahre gemäß § 213 Abs 4 IO ab. Dieser Beschluss wurde am in der Insolvenzdatei bekannt gemacht und dem Rechtsvertreter des Schuldners am elektronisch zugestellt.

Das Rekursgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss den am elektronisch eingebrachten Rekurs des Schuldners als verspätet zurück. Das Erstgericht habe das Abschöpfungsverfahren für beendet erklärt und die Restschuldbefreiung nicht erteilt, weshalb der angefochtene Beschluss gemäß § 213 Abs 6 IO in der Insolvenzdatei öffentlich bekannt zu machen gewesen sei. Die Rekursfrist habe demnach gemäß § 252 IO am Tag nach der öffentlichen Bekanntmachung des angefochtenen Beschlusses in der Insolvenzdatei zu laufen begonnen. Sie habe daher am geendet. Dass ein Antrag des Schuldners iSd § 213 Abs 3 bzw § 213 Abs 4 IO im Hintergrund gestanden sei, habe nicht zur Folge, dass die Rekursfrist erst mit Zustellung des angefochtenen Beschlusses an den Schuldner zu laufen beginne.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Eine mit der Entscheidung 8 Ob 17/05s vergleichbare Situation liege nicht vor.

Der dagegen vom Schuldner erhobene außerordentliche Revisionsrekurs ist zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur hier zu beurteilenden Rechtsfrage fehlt. Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Voranzustellen ist, dass gemäß § 273 Abs 1 IO materiell im Verfahren § 213 KO anzuwenden ist, während gemäß § 273 Abs 8 IO die verfahrensrechtlichen Vorschriften insbesondere der §§ 252 bis 263 IO idF des IRÄG 2010 anzuwenden sind.

2. Der Rechtsmittelwerber stellt nicht in Abrede, dass nach ständiger Rechtsprechung zu § 257 Abs 2 IO (§ 174 Abs 2 KO) die Rechtsmittelfrist bereits mit der öffentlichen Bekanntmachung durch Aufnahme in die Insolvenzdatei in Lauf gesetzt wird, und zwar unabhängig davon, ob auch noch eine besondere Zustellung an die Beteiligten erfolgt ist (RIS Justiz RS0065237; RS0110969; 8 Ob 125/10f mwN). Entgegen der Rechtsansicht des Rekursgerichts sei jedoch ein Beschluss, mit dem ein Antrag gemäß § 213 Abs 4 KO abgewiesen worden sei, nicht § 213 Abs 6 KO zu unterstellen, sodass ein Fall des § 257 Abs 2 IO nicht vorliege, weshalb der Rekurs fristgerecht erhoben worden sei.

3. § 213 Abs 6 KO (nunmehr § 213 Abs 6 IO) sieht vor, dass der Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und über das Ausmaß der Restschuldbefreiung öffentlich bekanntzumachen ist. Die Gesetzesmaterialien (RV 1218 BlgNR 18. GP, abgedruckt in Feil , IO 7 § 213 Rz 1) halten dazu fest: „ Abs 6 regelt die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens. Zu veröffentlichen ist auch der weitere Beschlussinhalt über das Ausmaß der Restschuldbefreiung nach Billigkeit nach Abs 2 “.

4. Der Oberste Gerichtshof hat sich ausführlich mit der Bestimmung des § 213 Abs 6 KO in der Entscheidung 8 Ob 17/05s auseinandergesetzt. In dieser Entscheidung führte er ua aus, dass nach dem Wortlaut von der öffentlichen Bekanntmachung nur der in § 213 Abs 1 und § 213 Abs 2 KO behandelte Fall umfasst sei, dass ein positiver Ausspruch über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens und über die Erteilung der Restschuldbefreiung erfolge. Die Abweisung der Anträge nach § 213 Abs 2 und/oder Abs 3 KO falle hingegen nicht unter § 213 Abs 6 KO. Diese Auslegung stehe auch im Einklang mit dem Zweck des Gesetzes: Die Erteilung der Restschuldbefreiung wirke gegen alle Konkursgläubiger, gleichgültig, ob sie sich am Verfahren beteiligt haben oder nicht. Demgegenüber entfalte die Abweisung eines Schuldnerantrags nach § 213 Abs 2 und/oder Abs 3 KO keine konstitutiven Rechtswirkungen.

5. Zutreffend hat das Rekursgericht jedoch darauf hingewiesen, dass sich der hier zu beurteilende Sachverhalt von jenem in 8 Ob 17/05s wesentlich unterscheidet: Gegenstand des Verfahrens 8 Ob 17/05s waren Anträge des Schuldners, Restschuldbefreiung gemäß § 213 Abs 2 KO zu erteilen, hilfsweise, die Entscheidung über die Restschuldbefreiung nach § 213 Abs 3 KO auszusetzen. Das Erstgericht wies im damaligen Verfahren diese Anträge ab, sprach aber aus, dass das Abschöpfungsverfahren um drei Jahre verlängert werde, wenn der Schuldner eine näher bestimmte Erklärung abgebe. Das Erstgericht fasste in jenem Verfahren daher weder einen Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens noch einen Beschluss über das Ausmaß einer Restschuldbefreiung.

6. Anders als in 8 Ob 17/05s fasste das Erstgericht hier einen Beschluss über die Beendigung des Abschöpfungsverfahrens, der von § 213 Abs 6 KO ausdrücklich genannt wird. Alleine daraus ergibt sich die Pflicht zur öffentlichen Bekanntmachung des Beschlusses des Erstgerichts gemäß § 213 Abs 6 KO im konkreten Fall. Dass der weitere Beschlussinhalt die Abweisung der Anträge des Schuldners auf Restschuldbefreiung und auf Verlängerung des Abschöpfungsverfahrens gemäß § 213 Abs 4 KO umfasst, ändert an der durch § 213 Abs 6 KO normierten Veröffentlichungspflicht nichts. Anträge des Schuldners gemäß § 213 Abs 2 oder Abs 3 KO wurden im konkreten Fall gar nicht gestellt, sodass auf die diesbezüglichen Ausführungen im Revisionsrekurs nicht einzugehen ist.

7. Ausgehend davon hat jedoch das Rekursgericht den Rekurs des Schuldners zu Recht als verspätet zurückgewiesen, sodass dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben war.