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OGH vom 21.09.2006, 8ObA77/05i

OGH vom 21.09.2006, 8ObA77/05i

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Kuras sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andrea Komar und Dr. Lukas Stärker als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Johann L*****, Pensionist, *****, vertreten durch DDr. René Laurer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei V*****, nunmehr I*****, vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer und andere Rechtsanwälte in Linz, wegen EUR 97.727,48 sA und Feststellung (Streitwert EUR 18.771,28), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 7 Ra 114/05v-157, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen ( § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung:

Der Kläger war vom bis bei der beklagten Partei beschäftigt. Im Jahre 1987 kam es zu einer Umgruppierung und Verselbständigung der einzelnen Standorte durch Einbringung in zu diesem Zweck errichtete, der beklagten Partei gehörige Gesellschaften mbH, wobei letztmalig ein ÖIAG-Zuschuss zur Sanierung des gesamten Stahlsektors gewährt werden sollte. Die beklagte Partei machte seit dem Jahre 1973 Verluste. Im Zeitraum von 1973 bis 1987 lief ein Gesamtverlust von 38,976 Mrd S auf. Im Zeitraum 1981 bis 1987 wurden aufgrund der Bundesgesetze BGBl 602/81, 589/83 und 298/87 Mittel im Gesamtausmaß von 36,535 Mrd S zu Zwecken der Kapitalerhöhung und Verlustabdeckung zugesagt bzw zugeführt. Insgesamt wurden von 1973 bis 1990 über 55 Mrd ATS an Eigenmittel zugeführt, davon allein in den Jahren 1986 und 1987 ca 26 Mrd ATS.

Die betrieblichen Pensionszuschussleistungen wurden ab Dezember 1974 mit zwischen der beklagten Partei und der Belegschaftsvertretung abgeschlossenen Betriebsvereinbarungen geregelt. Die Betriebsvereinbarung vom Dezember 1974 wurde ua durch die Betriebsvereinbarungen vom Oktober 1982 geändert.

Der jeweils in Punkt XII der Betriebsvereinbarungen in der für den Kläger maßgebenden Fassung von Oktober 1982 enthaltene Kürzungs- und Widerrufsvorbehalt hat folgenden Wortlaut:

".....

Das Unternehmen behält sich vor, die Zuschussleistungen zu kürzen

oder einzustellen, wenn

a) die wirtschaftliche Lage des Unternehmens sich nachhaltig so wesentlich verschlechtert hat, dass ihm eine Aufrechterhaltung der zugesagten Leistung nicht mehr zugemutet werden kann; dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn das Unternehmen durch mehr als drei aufeinanderfolgende Jahre hindurch erhebliche, nicht auf die Inanspruchnahme steuerlicher Investitionsbegünstigungen zurückzuführende Verluste in der Handelsbilanz aufweist, oder ... Es besteht Übereinstimmung darüber, dass über Kürzung oder Einstellung von Zuschussleistungen gemäß Punkt XII der Richtlinien frühestens ab , mit Bilanzwirksamkeit 1984 entschieden wird.

Weiters gilt als vereinbart, dass allfällig ausgewiesene Jahresgewinne, die durch ertragswirksame Zuschüsse und/oder Kapitalzuführungen des Eigentümers bzw des Bundes zustande kommen, keinen Anlass zur Neubehandlung der Zuschussleistungen geben."

Mit kürzte die beklagte Partei den bisherigen Pensionszuschuss auf ein Drittel des bisher zugeflossenen Betrages und ersetzte ihn durch eine nach versicherungsmathematischen Grundsätzen errechnete Entschädigungsleistung. An den Kläger wurde ein Entschädigungsbetrag von S 118.961 ausgezahlt, den der Kläger unter Vorbehalt seiner Rechte entgegennahm.

Rechtliche Beurteilung

Gegenstand diese Verfahrens ist nicht die Berechtigung des 1987 vorgenommenen Widerrufs der Pensionsleistung, sondern die Frage eines allfälligen „Wiederauflebens", wegen der verbesserten Ertragslage. Der Oberste Gerichtshof hat in seiner in einem Verfahren nach § 54 Abs 2 ASGG ergangenen Entscheidung zu 9 ObA 512/88 (SZ 61/275 = ZAS 1989/15 [Tomandl] = DRdA 1990/8 [Grillberger; derselbe WBl 1989, 33 ff, insbesondere 36 f]) zum Widerruf der Betriebspensionen aufgrund einer gleichlautenden Widerrufsklausel ausgesprochen, dass dann, wenn davon ausgegangen werde, dass das Unternehmen nicht liquidiert, sondern fortgeführt werde, eine Interessenabwägung ergebe, dass auch gewaltige wirtschaftliche Schwierigkeiten in der Gegenwart nicht die Einstellung von Pensionsleistungen für alle Zukunft - etwa auch für den Fall, dass eine nachhaltige Besserung der Ertragslage eine wenigstens teilweise Wiederaufnahme der Pensionsleistung erlaube - rechtfertigen.

Im nunmehr vorliegende Verfahren hat der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung zu 8 ObA 17/99d (DRdA 2001/38 [krit Runggaldier] = ASoK 2001, 134) auch bereits zu den Voraussetzungen des „Wiederauflebens" ausführlich Stellung bezogen und zu der nunmehr in der außerordentlichen Revision des Klägers relevierten Frage des Umfanges der Berücksichtigung der Eigentümerzuschüsse folgendes festgehalten:

„Weiters ist zu beachten, dass die Insolvenz der beklagten Partei, die zu einem gänzlichen Verlust der zugesagten Pensionsleistungen geführt hätte, durch hohe Zuschüsse des Eigentümers verhindert wurde. Mit Punkt XII letzter Satz der Betriebsvereinbarung vom Oktober 1982, wonach allfällig ausgewiesene Jahresgewinne, die durch ertragswirksame Zuschüsse und/oder Kapitalzuführungen des Eigentümers bzw des Bundes zustande kommen, keinen Anlass zur Neubehandlung der Zuschussleistungen geben, wird daher dem sachlich gerechtfertigten Anliegen des Eigentümers Rechnung getragen, dass diese nicht vom Unternehmen erwirtschafteten Mittel bzw die dadurch erzielten Erträge nicht zur Wiederaufnahme der Betriebspensionsleistungen verwendet werden. Da diese Mittelzuführungen letzten Endes zu einer entsprechenden Erhöhung der Verschuldung des Bundes führten, kann eine Verpflichtung zur Wiederaufnahme der Pensionsleistungen erst bejaht werden, wenn nachhaltig ein die angemessene Verzinsung - die in Anbetracht der gegenüber der des Bundes schlechteren Bonität der beklagten Partei und ihrer Nachfolgeunternehmen jedenfalls über der von Bundesanleihen liegen müsste - dieser Eigenmittel erheblich übersteigender Ertrag erzielt wurde. Für die Zeiten, in denen kein wenigstens diese Zinsen deckender Ertrag erzielt oder ein solcher zwar erzielt, aber in den in die Ergebnisprüfung einzubeziehenden Unternehmen belassen wurde, wäre der nicht gedeckte Teil der Zinsen zu kapitalisieren. Als ertragswirksame Zuschüsse und Kapitalzuführungen im Sinne von Punkt XII der Betriebsvereinbarung vom Oktober 1982 sind wohl derartige Mittelzuführungen an die beklagte Partei ab Beginn der letzten Endes zum Widerruf der Pensionen führenden - nach den bisherigen Feststellungen ab dem Jahre 1973 andauernden - Verlustphase anzusehen."

Soweit ausgegliederte Unternehmen ganz oder teilweise veräußert wurden, sollte der Erlös, soweit er nicht in den in die Ergebnisprüfung einzubeziehenden Unternehmen belassen wurde, von den zu verzinsenden Eigenmitteln in Abzug gebracht werden. Eine zur Wiederaufnahme der Pensionsleistungen führende nachhaltige und wesentliche Besserung der Ertragslage sollte bei Zugrundelegung von Punkt XII der angeführten Betriebsvereinbarung nur dann angenommen werden, wenn durch mehr als drei aufeinanderfolgende Jahre ein die oben angeführte Eigenmittelverzinsung erheblich übersteigender Ertrag erzielt wurde.

Die Vorinstanzen haben übereinstimmend für die Verzinsung der zugeführten Eigenmittel sowohl eine Berechnungsvariante mit der Verzinsung der ab 1973 zugeführten Eigenmittel unter Hinzurechnung der jeweiligen Zinsergebnisse als auch unter Berücksichtigung der Eigenmittelzuführungen von 1973 bis 1987 als Vorsaldo herangezogen und sind dabei jeweils dazu gelangt, dass eine angemessene Verzinsung der Eigenmittelzuführungen auch unter Berücksichtigung der Veräußerungserlöse bei weitem nicht erreicht werden konnte, was zur Abweisung des Klagebegehrens führte. Die ordentliche Revision wurde im Hinblick auf die bereits vorliegende Entscheidung des Obersten Gerichtshofes im ersten Rechtsgang nicht zugelassen. Der Kläger macht nun als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO geltend, inwieweit nicht die aus der Entscheidung in dem früheren Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG (9 ObA 512/88 (SZ 61/275 = ZAS 1989/15 [Tomandl] = DRdA 1990/8 [Grillberger; derselbe WBl 1989, 33 ff, insbesondere 36 f]) seiner Ansicht nach abzuleitende Auslegung der Betriebsvereinbarung, Bedeutung haben könne. Sei aus dieser früheren Entscheidung doch im Ergebnis abzuleiten, dass nur die Eigenkapitalzuführungen nach dem Widerruf, also ab 1988 zu berücksichtigen wären. Vorweg ist dazu darauf zu verweisen, dass die in einem Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 2 ASGG ergangene Entscheidung nur Wirkung zwischen den Parteien des Feststellungsverfahrens hat, aber für die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber keine unmittelbare rechtliche Wirkung äußert (vgl RIS Justiz RS0085728 mwN etwa OGH 9 Ob 63/97y). Im übrigen kann aber der Entscheidung in dem Feststellungsverfahren zu 9 ObA 512/88 zu der Frage einer allfälligen Verzinsung der Eigenkapitalzuschüsse für ein „Wiederaufleben" überhaupt nichts entnommen werden, da diese Frage in diesem Vorverfahren und im übrigen auch der entsprechende Satz der Betriebsvereinbarung gar nicht näher behandelt wurde. Auch ist zwischen der Frage, gegenüber welchem Zeitpunkt die Verbesserung eingetreten sein muss und welche Intensität sie haben muss - also hier, inwieweit und in welchem Umfang auch eine angemessene Verzinsung von Eigenkapitalzuschüssen gegeben sein muss - zu unterscheiden. Zu letzterer Frage enthielt die Vorentscheidung keine weiteren Ausführungen.

Dass in dem im ersten Rechtsgang ergangenen Beschluss zu 8 ObA 17/99d (DRdA 2001/38 [krit Runggaldier] = ASoK 2001, 134) nur festgehalten wurde, dass „wohl" die in der seit 1973 andauernden Verlustphase erfolgten Eigenkapitalzuschüsse der Zinsberechnung zugrunde zu legen sind, ist darauf zurückzuführen, dass unter anderem die Ertragslage noch mit den Parteien zu erörtern war. Anhaltspunkte für eine abweichende zeitliche Lagerung der Verlustphase oder ein durch zusätzliches Erklärungsverhalten sich abweichend gestaltender Vertragsinhalt (vgl dazu, dass die Betriebsvereinbarung ja mit dem Ausscheiden des Klägers Vertragsinhalt wurde, auch die Vorentscheidung 9 ObA 512/88 (SZ 61/275 = ZAS 1989/15 [Tomandl] = DRdA 1990/8 [Grillberger; derselbe WBl 1989, 33 ff, insbesondere 36

f) haben sich nicht ergeben. Damit ist aber auch der Oberste Gerichtshof an seine im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung im vorliegenden Fall gebunden (Kodek in Rechberger ZPO2 § 511 Rz 1; RIS Justiz RS0043752 uva). Im Übrigen würde das vom Kläger angestrebte Auslegungsergebnis, dass nur nach dem Widerruf erfolgte Eigenkapitalzuführungen bei der Beurteilung einer Verbesserung der Wirtschaftslage außer Betracht zu bleiben hätten, nicht nur klar den bindenden Vorgaben des Aufhebungsbeschlusses widersprechen, sondern auch bedeuten, dass die Betriebsvereinbarungsparteien 1982 gemeint hätten, dass schon vor der Kapitalzuführung ein Widerruf erfolgen muss, um wirksam zu sein.

Auch wäre nicht einsichtig, warum in der Betriebsvereinbarung 1982 eine ganz allgemein gehaltene Formulierung, dass Jahresgewinne aus Eigenkapitalzuführungen keinen Anlass zur Neubehandlung der Pensionsleistungengen geben, erst - wie der Kläger meint - die Eigenkapitalzuführungen ab 1988 erfassen sollte. Zu beachten ist hiebei, dass 90 % der Eigenmittelzuführungen erst ab 1982 stattfanden und zwar die wesentlichsten, nämlich 26 Mrd ATS (etwa 50 %) erst in den Jahren 1986 und 1987.