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VfGH vom 01.12.2012, B619/12

VfGH vom 01.12.2012, B619/12

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Aufhebung eines Bescheides betreffend die Zurückweisung von Maßnahmenbeschwerden gegen eine vom Kartellgericht auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde angeordnete Hausdurchsuchung in Ansehung der im richterlichen Beschluss nicht namentlich genannten Unternehmen; willkürliche Annahme einer Erstreckung des Hausdurchsuchungsbefehls auf die Geschäftsräume der konzernmäßig verbundenen Gesellschaften; Kostenzuspruch; im Übrigen Ablehnung der Beschwerdebehandlung

Spruch

I. 1. Die siebent- bis

vierunddreißigstbeschwerdeführenden Gesellschaften sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

2. Der Bescheid wird in Ansehung dieser beschwerdeführenden Gesellschaften aufgehoben.

3. Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend) ist schuldig, den beschwerdeführenden Gesellschaften zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 9.760,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. 1. Die Behandlung der Beschwerden der erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften wird abgelehnt.

2. Diese Beschwerden werden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. Sachverhalt, Beschwerdevorbringen und Vorverfahren

1. Mit Beschluss vom ordnete das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht gemäß § 12 Abs 1 und 3 Wettbewerbsgesetz auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde eine Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften an einem bezeichneten Standort an. Diesem Hausdurchsuchungsbefehl lag der begründete Verdacht der Teilnahme an wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und/oder des gegen § 1 Kartellgesetz 2005 bzw. Art 101 AEUV verstoßenden abgestimmten Verhaltens (betreffend Preisabstimmungen zwischen den Unternehmen der erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften und ihren Lieferanten für alle Produktsgruppen, Preisabstimmungen zwischen den Unternehmen der erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften und ihren Mitbewerbern im Lebensmitteleinzelhandel über die Lieferanten für die Produktsgruppe Bier sowie die Abstimmung des Marktverhaltens zwischen den erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften und einer näher bezeichneten Handelsgesellschaft) zugrunde. Mit der Durchführung der Hausdurchsuchung wurde gemäß § 12 Abs 3 Wettbewerbsgesetz die Bundeswettbewerbsbehörde beauftragt.

2. Gegen die von der Bundeswettbewerbsbehörde vom bis durchgeführte Hausdurchsuchung erhoben die nunmehr beschwerdeführenden Gesellschaften eine Maßnahmenbeschwerde an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (im Folgenden: UVS), in der ein exzessives Überschreiten des Hausdurchsuchungsbefehls durch Organe der Bundeswettbewerbsbehörde geltend gemacht wird. Begründend wird dazu u.a. ausgeführt, dass nicht nur die Geschäftsräumlichkeiten der im Hausdurchsuchungsbefehl ausdrücklich genannten erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften am bezeichneten Standort, sondern auch Geschäftsräumlichkeiten der übrigen an diesem Standort ansässigen, mit den erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften (anscheinend) konzernmäßig verbundenen Unternehmen (die nunmehr siebent- bis vierunddreißigstbeschwerdeführenden Gesellschaften) durchsucht worden seien.

3. Diese Maßnahmenbeschwerde wies der UVS mit angefochtenem Bescheid vom als unzulässig zurück, weil seiner Auffassung nach der Hausdurchsuchung der Zwangscharakter fehle, da die Ausübung (oder Androhung) unmittelbarer Zwangsgewalt bei deren Durchführung von den beschwerdeführenden Gesellschaften nicht behauptet worden sei; weiters seien sämtliche Amtshandlungen der Organe der Bundeswettbewerbsbehörde von der gerichtlichen Bewilligung gedeckt gewesen und somit nicht in Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vorgenommen worden. Die Vorgangsweise in Durchsetzung des Hausdurchsuchungsbefehls sei dem Gericht zuzurechnen; ein offenkundiges Überschreiten des gerichtlichen Auftrages durch die Organe der Bundeswettbewerbsbehörde liege insbesondere im Hinblick darauf, dass dem Hausdurchsuchungsbefehl zufolge sämtliche am im Hausdurchsuchungsbefehl bezeichneten Standort vorhandenen Unterlagen und Speichermedien durchsucht werden mussten, nicht vor. Zum Vorwurf, dass die Bundeswettbewerbsbehörde auch nicht vom Hausdurchsuchungsbefehl umfasste Geschäftsräumlichkeiten durchsucht habe, führte der UVS aus, dass sich der Umfang des gerichtlichen Beschlusses auch auf die im Beschluss nicht namentlich genannten Unternehmen erstrecke, da - wie in der Begründung des Hausdurchsuchungsbefehls ausgeführt - " 'die Hausdurchsuchung für die Geschäftsräume des Konzerns beantragt' und das Gericht diesem Auftrag nachgekommen ist".

4. Gegen diesen Bescheid richten sich die

vorliegenden, auf Art 144 B-VG gestützten (wortgleichen) Beschwerden, in denen die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter (Art83 Abs 2 B-VG) und der Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren (Art6 EMRK iVm Art 41 und Art 47 GRC) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides bzw. für den Fall der Abweisung der Beschwerden oder der Ablehnung der Beschwerdenbehandlung die Abtretung der Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof beantragt wird. Weiters wird angeregt, ein Gesetzesprüfungsverfahren einzuleiten und die Bestimmung des § 12 Abs 1 Wettbewerbsgesetz als verfassungswidrig aufzuheben.

Begründend wird insbesondere ausgeführt, dass der UVS zu Unrecht eine Sachentscheidung über "eine zeitlich, personell und räumlich exzessive Hausdurchsuchung" verweigert habe, indem er die Maßnahmenbeschwerde der beschwerdeführenden Gesellschaften als unzulässig zurückgewiesen habe. Die Begründung im angefochtenen Bescheid, dass die Hausdurchsuchung bei den nicht vom Hausdurchsuchungsbefehl umfassten Gesellschaften deshalb zulässig gewesen sei, weil die Hausdurchsuchung für Geschäftsräume des Konzerns beantragt worden sei, sei willkürlich. Zudem unterstelle der UVS dem § 12 Abs 1 Wettbewerbsgesetz, der das Kartellgericht ermächtige, einen Hausdurchsuchungsbefehl zu erlassen, einen verfassungswidrigen Inhalt, indem er die Rechtmäßigkeit des Verhaltens der Bundeswettbewerbsbehörde im Zuge von Hausdurchsuchungen seiner nachprüfenden Kontrolle entziehe. Die Frage der Verfassungskonformität des § 12 Abs 1 Wettbewerbsgesetz stelle sich jedenfalls dann, wenn es zu nicht exzessiven, einfachgesetzlichen Rechtsverletzungen im Rahmen von gerichtlich angeordneten Hausdurchsuchungen der Bundeswettbewerbsbehörde komme, da diesbezüglich ein Rechtsschutzbehelf fehle.

5. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor (einschließlich des Hausdurchsuchungsbefehles des Kartellgerichts vom sowie der Niederschrift der Bundeswettbewerbsbehörde über die durchgeführte Hausdurchsuchung in Kopie); auf die Erstattung einer Gegenschrift zu den Beschwerden wurde verzichtet.

Die Bundeswettbewerbsbehörde erstattete auf Ersuchen des Verfassungsgerichtshofes eine Äußerung, in der sie bekräftigte, dass die beanstandete Hausdurchsuchung auf Grund des richterlichen Beschlusses am Industriestandort NÖ-Süd, Straße 3, Objekt 16, 2355 Wiener Neudorf, durchgeführt worden sei und entgegen der Behauptung der beschwerdeführenden Gesellschaften keine vom richterlichen Befehl nicht umfassten Gesellschaften betroffen gewesen seien.

Darauf replizierten die beschwerdeführenden Gesellschaften.

II. Rechtslage

Das Bundesgesetz über die Einrichtung einer Bundeswettbewerbsbehörde (Wettbewerbsgesetz - WettbG), BGBl. I 62/2002 idgF, lautet auszugsweise:

"Einrichtung der Bundeswettbewerbsbehörde

§1. (1) Beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit wird eine Bundeswettbewerbsbehörde mit dem Ziel eingerichtet,

a) funktionierenden Wettbewerb sicherzustellen und Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen im Sinne des KartG 2005, BGBl. I Nr. 62/2005, oder der Europäischen Wettbewerbsregeln (§4 Abs 1) in Einzelfällen entgegenzutreten sowie

b) eine die Vereinbarkeit mit dem Gemeinschaftsrecht und den Zusammenhang mit Entscheidungen der Regulatoren (§4 Abs 2) wahrende Anwendung des KartG 2005, BGBl. I Nr. 62/2005, zu gewährleisten.

(2) Die Bundeswettbewerbsbehörde wird vom Generaldirektor für Wettbewerb geleitet. Dieser wird im Verhinderungsfall vom Leiter der Geschäftsstelle vertreten. Der Generaldirektor für Wettbewerb hat eine Geschäftsordnung zu erlassen, in der insbesondere nähere Bestimmungen über die Aufgaben des Leiters der Geschäftsstelle zu treffen sind.

(3) Der Generaldirektor für Wettbewerb und im Verhinderungsfall der Stellvertreter sind bei der Besorgung der in § 2 genannten Aufgaben weisungsfrei und unabhängig.

Aufgaben der Bundeswettbewerbsbehörde

§2. (1) Zur Erreichung ihrer Ziele gemäß § 1 ist die Bundeswettbewerbsbehörde befugt zur Untersuchung und Bekämpfung vermuteter oder drohender Wettbewerbsverzerrungen oder -beschränkungen (§1), insbesondere durch Ausübung der in den folgenden Ziffern genannten Befugnisse:

1. Wahrnehmung der der Bundeswettbewerbsbehörde in Verfahren vor dem Kartellgericht und Kartellobergericht zukommenden Parteistellung nach § 40 KartG 2005,

2. Durchführung der Europäischen Wettbewerbsregeln in Österreich (§3),

3. allgemeine Untersuchung eines Wirtschaftszweigs, sofern die Umstände vermuten lassen, dass der Wettbewerb in dem betreffenden Wirtschaftszweig eingeschränkt oder verfälscht ist,

4. Leistung von Amtshilfe in Wettbewerbsangelegenheiten gegenüber Kartellgericht, Kartellobergericht, Gerichten und Verwaltungsbehörden einschließlich der Regulatoren sowie des Bundeskartellanwaltes,

5. Abgabe von Stellungnahmen zu allgemeinen Fragen der Wirtschaftspolitik,

6. Antragstellung nach § 7 Abs 2 Bundesgesetz zur Verbesserung der Nahversorgung und der Wettbewerbsbedingungen, BGBl. Nr. 392/1977, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 62/2005 sowie

7. Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen nach § 14 Abs 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 - UWG, BGBl. Nr. 448, in der jeweils geltenden Fassung, wobei die §§11 bis 14 WettbG keine Anwendung finden.

(2) Der Bundeswettbewerbsbehörde obliegt die Geschäftsführung für die Wettbewerbskommission (§16).

(3) Die Bundeswettbewerbsbehörde nimmt ihre

Befugnisse von Amts wegen wahr.

(4) Die Bundeswettbewerbsbehörde veröffentlicht in regelmäßigen Zeitabständen, zumindest aber jedes Jahr, einen Bericht über ihre Tätigkeit. Dieser Bericht ist nach Anhörung der Wettbewerbskommission vom Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit unverzüglich dem Nationalrat vorzulegen."

"Zusammenarbeit mit anderen Behörden

§10. (1) Soweit es zur Erfüllung der ihr übertragenen Aufgaben notwendig ist und dem keine gemeinschaftsrechtlichen Verpflichtungen entgegenstehen, ist die Bundeswettbewerbsbehörde berechtigt, unter Bedachtnahme auf schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen im Sinne des Datenschutzgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 165/1999, dem Kartellgericht, dem Kartellobergericht, dem Bundeskartellanwalt, der Wettbewerbskommission, der Europäischen Kommission, Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und den Regulatoren sämtliche Informationen zur Kenntnis zu bringen und Unterlagen zu übermitteln, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Sie ist weiters berechtigt, den Bundeskartellanwalt, die Wettbewerbskommission, die Europäische Kommission, die Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die Regulatoren um Auskünfte sowie Stellungnahmen zu ersuchen. Sie ist zu diesem Zweck befugt, den genannten Stellen nach den Vorschriften des ersten Satzes sämtliche Informationen zur Kenntnis zu bringen und Unterlagen zu übermitteln, die diese dafür benötigen.

(2) Soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, können Kartellgericht und Kartellobergericht die Bundeswettbewerbsbehörde um die Erteilung von Auskünften sowie die Abgabe von begründeten Stellungnahmen ersuchen.

(3) Soweit dies zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlich ist, kann die Bundeswettbewerbsbehörde den Bundeskartellanwalt um Auskünfte ersuchen und in die Akten des Bundeskartellanwaltes Einsicht nehmen.

(4) Ist der Luftverkehrssektor betroffen, so ist dem Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie, ist der Medienbereich betroffen, so ist der KommAustria (BGBl. I Nr. 32/2001) Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(5) Beabsichtigt die Bundeswettbewerbsbehörde, insbesondere wegen Modifikationen des ursprünglichen Zusammenschlussvorhabens, die dessen nunmehrige Vereinbarkeit mit dem KartG sicherstellen,

a) die Erklärung abzugeben, dass sie einen Antrag

nach § 11 KartG 2005 nicht stellen wird, oder

b) einen nach § 11 KartG 2005 gestellten Antrag zurückzuziehen,

so hat die Bundeswettbewerbsbehörde dem Bundeskartellanwalt - und, hat sie eine Empfehlung im Sinne des § 17 abgegeben, der Wettbewerbskommission - Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(6) Die Bundeswettbewerbsbehörde trägt dafür Sorge, dass dem Bundeskartellanwalt eine Zusammenschlussanmeldung (§9 KartG 2005) unverzüglich nach dem Einlagen mit ihren Beilagen in zwei Gleichschriften weitergeleitet wird."

"Ermittlungen

§11. (1) Die Bundeswettbewerbsbehörde kann nach

Maßgabe dieses Bundesgesetzes alle Ermittlungen führen, die ihr zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß diesem Bundesgesetz zukommen. Die im Rahmen von Ermittlungen erlangten Kenntnisse dürfen - sofern nicht eine Berechtigung zur Zusammenarbeit nach § 10 Abs 1 besteht - nur zu dem mit der Ermittlungshandlung verfolgten Zweck verwertet werden.

(2) Die Bundeswettbewerbsbehörde ist befugt, sich

unter sinngemäßer Anwendung des AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Sachverständiger zu bedienen sowie Zeugen und Beteiligte heranzuziehen. Die §§7, 9 bis 16, 18 bis 20, 45 Abs 1 und 2, 46 bis 51, 54, 55, 74 Abs 1, 75 Abs 1 und 2 sowie die Abschnitte 4, 5 und 6 des I. Teiles des AVG sind anzuwenden.

(3) Die Bundeswettbewerbsbehörde kann davon Abstand nehmen, die Verhängung einer Geldbuße gegen Unternehmer oder Unternehmervereinigungen zu beantragen, die

1. ihre Mitwirkung an einer Zuwiderhandlung gegen § 1 KartG 2005 oder Art 81 Abs 1 EGV eingestellt haben,

2. die Bundeswettbewerbsbehörde über diese Zuwiderhandlung informieren, bevor sie von dem Sachverhalt erfährt,

3. in der Folge uneingeschränkt und zügig mit der Bundeswettbewerbsbehörde zwecks vollständiger Aufklärung des Sachverhaltes zusammenarbeiten und

4. andere Unternehmer oder Unternehmervereinigungen nicht zur Teilnahme an der Zuwiderhandlung gezwungen haben.

War der Sachverhalt der Bundeswettbewerbsbehörde

bereits bekannt, so kann sie bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen eine geminderte Geldbuße beantragen. Die Bundeswettbewerbsbehörde hat den Bundeskartellanwalt zu benachrichtigen, wenn sie keine oder eine geminderte Geldbuße beantragt.

(4) Die Bundeswettbewerbsbehörde hat ihre Praxis bei der Durchführung des Abs 3 in einem Handbuch darzulegen. Darin ist jedenfalls zu erläutern, in welchen Fällen des § 1 KartG 2005 und Art 81 Abs 1 EGV eine Aufdeckung durch ein Kronzeugenprogramm besonders förderlich ist, wann sie bei Kenntnis des Sachverhaltes eine geminderte Geldbuße beantragt und in welchem Ausmaß diese Reduktion erfolgt. Bei der Reduktion ist auf den Zeitpunkt der Abgabe der zusätzlichen Information und deren Mehrwert gegenüber der bereits bekannten Information abzustellen. Das Handbuch ist auf der Website der Bundeswettbewerbsbehörde zu veröffentlichen.

(5) Möchte ein Unternehmer oder eine Unternehmervereinigung Abs 3 in Anspruch nehmen, hat die Bundeswettbewerbsbehörde auf Verlangen in einer rechtsunverbindlichen Mitteilung bekannt zu geben, ob sie von diesem Absatz Gebrauch machen wird.

(6) Informationen aus dem Netzwerk der Wettbewerbsbehörden infolge eines Ersuchens um Kronzeugenbehandlung dürfen nicht als Grundlage für einen Antrag auf Verhängung einer Geldbuße herangezogen werden. Die Befugnis der Bundeswettbewerbsbehörde, Ermittlungen aufgrund von Informationen aus anderen Quellen als dem Netzwerk der Wettbewerbsbehörden einzuleiten und auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse insbesondere Anträge auf Verhängung einer Geldbuße zu stellen, bleibt unberührt.

Auskunftsverlangen und Unterlagenvorlage

§11a. (1) Die Bundeswettbewerbsbehörde ist, soweit dies zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben gemäß diesem Bundesgesetz erforderlich ist, auch befugt:

1. von Unternehmern und Unternehmervereinigungen die Erteilung von Auskünften innerhalb einer jeweils zu setzenden, angemessenen Frist anzufordern,

2. geschäftliche Unterlagen, unabhängig davon, in welcher Form diese vorliegen, einzusehen und zu prüfen oder durch geeignete Sachverständige einsehen und prüfen zu lassen, Abschriften und Auszüge der Unterlagen anzufertigen sowie

3. vor Ort alle für die Durchführung von Ermittlungshandlungen erforderlichen Auskünfte zu verlangen.

(2) Die Inhaber der Unternehmen und deren Vertreter, bei juristischen Personen und teilrechtsfähigen Personengesellschaften die nach Gesetz oder Satzung zur Vertretung berufenen Personen, sind - es sei denn, sie setzen sich dadurch der Gefahr strafgerichtlicher Verfolgung aus - verpflichtet, die verlangten Auskünfte (Abs1 Z 1 und 3) zu erteilen. Dies gilt auch für die Vorlage der geschäftlichen Unterlagen und die Erlaubnis zu ihrer Prüfung sowie das Anfertigen von Abschriften und Auszügen aus diesen Unterlagen.

(3) Das Kartellgericht hat durch den Senatsvorsitzenden auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde die Erteilung von Auskünften und die Vorlage von Unterlagen nach Abs 1 binnen angemessener Frist mit Beschluss aufzutragen. Gegen den Beschluss steht ausschließlich das Rechtsmittel des Rekurses offen. Auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde hat das Kartellgericht dem Rekurs die aufschiebende Wirkung zu versagen, soweit dies zur Sicherung des Erfolges der Ermittlungshandlung erforderlich ist.

Hausdurchsuchung

§12. (1) Das Kartellgericht hat, wenn dies zur Erlangung von Informationen aus geschäftlichen Unterlagen erforderlich ist, auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen des begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen §§1, 5 oder 17 KartG 2005, Art 81 oder 82 EGV eine Hausdurchsuchung anzuordnen.

(2) Das Kartellgericht hat weiters auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde eine Hausdurchsuchung anzuordnen auf Grund einer Nachprüfungsentscheidung der Europäischen Kommission wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen die Wettbewerbsregeln. Dem Antrag ist das Original oder eine beglaubigte Ausfertigung der Nachprüfungsentscheidung anzuschließen. Das Kartellgericht hat neben der Echtheit der Nachprüfungsentscheidung der Europäischen Kommission nur zu prüfen, ob die beabsichtigte Durchsuchung nicht willkürlich oder, gemessen am Gegenstand der Nachprüfung, unverhältnismäßig ist. Im Falle von Nachprüfungen nach Art 21 Verordnung (EG) Nr. 1/2003 gilt der Hausdurchsuchungsbefehl nach dem ersten Satz auch als Genehmigung im Sinne des Art 21 Abs 3 erster Satz der zitierten Verordnung.

(3) Die Hausdurchsuchung ist vom Senatsvorsitzenden im Verfahren außer Streitsachen mit Beschluss anzuordnen. Gegen den Beschluss steht ausschließlich das Rechtsmittel des Rekurses offen; dieses hat keine aufschiebende Wirkung. Mit der Durchführung der Hausdurchsuchung ist die Bundeswettbewerbsbehörde zu beauftragen, die den Hausdurchsuchungsbefehl den in § 11a Abs 2 genannten Personen sogleich oder doch innerhalb von 24 Stunden zuzustellen hat.

(4) § 142 StPO, BGBl. Nr. 631/1975, ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass an die Stelle der Gerichtszeugen eine Vertrauensperson tritt, die der Betroffene beiziehen kann und im Falle einer nach Abs 2 angeordneten Hausdurchsuchung keine Bestätigung nach § 142 Abs 4 zweiter Satz StPO erteilt wird.

§145 Abs 1 gilt sinngemäß. Der Bundeswettbewerbsbehörde kommen bei Hausdurchsuchungen die im § 11a Abs 1 Z 2 und 3 genannten Befugnisse zu.

(5) Unmittelbar vor einer auf Grund von Abs 1 angeordneten Hausdurchsuchung ist derjenige, bei dem die Hausdurchsuchung vorgenommen werden soll, zu den Voraussetzungen der Hausdurchsuchung zu befragen, es sei denn, dies würde den Ermittlungserfolg wegen Gefahr im Verzug gefährden. Will der Inhaber von geschäftlichen Unterlagen deren Durchsuchung oder Einsichtnahme bei den eben genannten Hausdurchsuchungen nicht gestatten, so sind diese Unterlagen auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und dem Kartellgericht vorzulegen; zuvor dürfen sie nicht durchsucht oder eingesehen werden. Das Kartellgericht hat die Unterlagen zu sichten und mit Beschluss des Senatsvorsitzenden zu entscheiden, ob und in welchem Umfang sie durchsucht, eingesehen und Abschriften und Auszüge daraus angefertigt werden dürfen oder sie dem Inhaber zurückzustellen sind. Gegen diesen Beschluss steht ausschließlich das Rechtsmittel des Rekurses offen. Dieses hat keine aufschiebende Wirkung.

Rechtliches Gehör

§13. (1) Sind einem von der Bundeswettbewerbsbehörde beabsichtigten Antrag auf Einleitung eines kartellgerichtlichen Verfahrens nach §§26, 27 oder 28 KartG 2005 Ermittlungen nach §§11, 11a oder 12 WettbG vorausgegangen, so ist dem Antragsgegner Gelegenheit zu geben, von den Ermittlungsergebnissen Kenntnis und in angemessener Frist Stellung dazu zu nehmen.

(2) Geben die im Hinblick auf eine Antragstellung der Bundeswettbewerbsbehörde durchgeführten Ermittlungen im Sinne des Abs 1 keinen Anlass zu einer Antragstellung der Bundeswettbewerbsbehörde nach Abs 1, ist dies dem Antragsgegner auf Verlangen mitzuteilen.

Heranziehung der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes

§14. Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben der Bundeswettbewerbsbehörde über deren Ersuchen zur Sicherung der Ermittlungen und Hausdurchsuchungen (§§11 und 12) im Rahmen ihres gesetzmäßigen Wirkungsbereiches Hilfe zu leisten."

III. Erwägungen

A. Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm § 35 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen - zulässigen - Beschwerden der siebent- bis

vierunddreißigstbeschwerdeführenden Gesellschaften erwogen:

A.1. Gemäß § 12 Abs 1 Wettbewerbsgesetz hat das Kartellgericht auf Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde bei Vorliegen des begründeten Verdachts einer Zuwiderhandlung gegen näher bezeichnete Bestimmungen des Kartellgesetzes oder gegen Art 81 und 82 EGV eine Hausdurchsuchung mit Beschluss anzuordnen. Mit der Durchführung der Hausdurchsuchung ist gemäß § 12 Abs 3 Wettbewerbsgesetz die Bundeswettbewerbsbehörde zu beauftragen, die ihrerseits gemäß § 14 Wettbewerbsgesetz die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Sicherung der Hausdurchsuchung heranziehen darf.

Soweit die Beschwerden unter Hinweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zur Einordnung von Maßnahmen der Jugendwohlfahrtsträger als nicht hoheitlich Bedenken hinsichtlich § 12 Abs 1 Wettbewerbsgesetz konstruieren, übersehen sie, dass § 12 Wettbewerbsgesetz verfassungskonform - im Interesse der Partei - eine Hausdurchsuchung nur auf Grund eines richterlichen Befehls zulässt (vgl. Art 9 StGG iVm § 1 des Gesetzes zum Schutze des Hausrechtes). Auch eine Rechtsschutzlücke vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen, sichert § 12 Wettbewerbsgesetz doch gerichtlichen Rechtsschutz gegen die Anordnung der Hausdurchsuchung zu (vgl. § 12 Abs 3 Wettbewerbsgesetz); soweit es aber zu einer offenkundigen Überschreitung des richterlichen Befehls ("Exzess") kommt, kann - mangels Zurechnung des Organhandelns zur Gerichtsbarkeit - gemäß Art 129a Abs 1 Z 2 B-VG Beschwerde an den UVS erhoben werden (vgl. dazu jüngst mwN).

Dass, wie die beschwerdeführenden Gesellschaften behaupten, bei gesetzwidrigem Vorgehen der Bundeswettbewerbsbehörde "ohne Exzess" kein Rechtsschutz bestünde, trifft nicht zu, da der Rechtsschutzweg ja - je nachdem, ob das Verwaltungshandeln dem Gericht zuzurechnen ist oder nicht - eröffnet ist. Dass es dabei zu teils unterschiedlichen Beurteilungen kommen kann, führt nicht dazu, dass die Bestimmung des § 12 Wettbewerbsgesetz verfassungswidrig ist.

Auch sonst sind keine Bedenken gegen die maßgeblichen Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass der Beschwerden entstanden.

A.2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der angewendeten Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnten die beschwerdeführenden Gesellschaften im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB

VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

A.2.1. Ein derartiger Fehler ist dem UVS bei

Beurteilung der Frage, ob die von der Bundeswettbewerbsbehörde durchgeführte Hausdurchsuchung als ein der Verwaltung zuzurechnendes Organhandeln einzuordnen ist, hinsichtlich der siebent- bis vierunddreißigstbeschwerdeführenden Gesellschaften unterlaufen:

Der Hausdurchsuchungsbefehl des Kartellgerichts vom lautet in seinem Spruch wörtlich wie folgt:

"Hausdurchsuchungsbefehl

Das Oberlandesgericht Wien als Kartellgericht ordnet durch den Senatsvorsitzenden [...] über Antrag der Antragstellerin Bundeswettbewerbsbehörde, 1020 Wien, Praterstraße 31, bei den Antragsgegnerinnen 1. R AG,

2. R Dienstleistungsgesellschaft m.b.H., 3. R Lager- und Transportgesellschaft mbH, 4. M Aktiengesellschaft,

5. B Aktiengesellschaft, 6. A Handelsaktiengesellschaft, alle 2355 Wiener Neudorf, Industriezentrum NÖ-Süd, Straße 3, Objekt 16, wegen des begründeten Verdachts der Teilnahme an wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen, die gegen § 1 KartG bzw Art 101 AEUV verstoßen, und zwar betreffend Preisabstimmungen zwischen den Unternehmen der Antragsgegnerinnen und ihren Lieferanten für alle Produktgruppen, Preisabstimmungen zwischen den Unternehmen der Antragsgegnerinnen und ihren Mitbewerbern im Lebensmitteleinzelhandel über die Lieferanten (Sternkartell) für die Produktgruppe Bier sowie Abstimmung des Mar[k]tverhaltens, ua der Endverkaufspreise, zwischen den Unternehmen der Antragsgegnerinnen und S GmbH, gemäß § 12 Abs 1 und 3 WettbG eine Hausdurchsuchung in den Geschäftsräumlichkeiten der genannten Unternehmen in 2355 Wiener Neudorf, Industriezentrum NÖ-Süd, Straße 3, Objekt 16 an.

Mit der Durchführung der Hausdurchsuchung und der Zustellung dieser Entscheidung an die betroffenen Unternehmen wird gem § 12 Abs 3 WettbG die Bundeswettbewerbsbehörde beauftragt. Diese wird weiters ersucht, dem Kartellgericht über die Ausführung dieser Aufträge umgehend Bericht zu erstatten.

Gegen diesen Beschluss steht ausschließlich das Rechtsmittel des Rekurses offen; dieses hat keine aufschiebende Wirkung." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

A.2.2. Vorauszuschicken ist, dass die im

angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, dass der Hausdurchsuchung der Zwangscharakter fehle, unzutreffend ist. Die Hausdurchsuchung wäre nämlich erforderlichenfalls mit Gewalt durchzusetzen gewesen, womit ihr jedenfalls Zwangscharakter zukommt (vgl. VfSlg. 12.072/1989).

A.2.3. Eingriffe in das verfassungsgesetzlich

geschützte Hausrecht unterliegen strengen Anforderungen (zu den Anforderungen an einen richterlichen Befehl vgl. Wiederin, Art 9 StGG, in: Korinek/Holoubek [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Rz 54 [2001]). In diesem Sinne hat auch der der hier zu beurteilenden Amtshandlung zugrunde liegende richterliche Hausdurchsuchungsbefehl eindeutig und unmissverständlich die Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften am Standort "2355 Wiener Neudorf, Industriezentrum NÖ-Süd, Straße 3, Objekt 16" angeordnet. Damit grenzte der richterliche Befehl den Durchsuchungsumfang sowohl in personeller als auch in örtlicher Hinsicht ein.

Dieser Hausdurchsuchungsbefehl des hiefür zuständigen Gerichtes ist Grundlage für die vom UVS zu beurteilende Frage, ob - wie in den Beschwerden behauptet - die Amtshandlungen der durchsuchenden Organe sowohl in personeller als auch in örtlicher Hinsicht dieses "Mandat" überschritten haben.

Der UVS unterlässt es in seiner zurückweisenden Entscheidung jedoch, diese - verfassungsrechtlich gebotene - Beurteilung nachvollziehbar vorzunehmen; er behauptet nämlich, dass der Hausdurchsuchungsbefehl die Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten aller beschwerdeführenden Gesellschaften anordne. Wörtlich führt er Folgendes aus:

"[...] Hiebei handelt es sich um sämtliche auf dieses gerichtliche Verfahren bezughabenden Räume und Gegenstände, insbesondere Unterlagen, welche Preisabsprachen zwischen den Unternehmen der Antragsgegnerinnen und ihren Lieferanten für alle Produktgruppen, zwischen den Unternehmen der Antragsgegnerinnen und ihren Mitbewerbern über die Lieferung (Sternkartell) für die Produktgruppe Bier und Abstimmung des Marktverhaltens (u.a. der Endverkaufspreise) zwischen den Unternehmen der Antragsgegnerinnen und der Firma S betreffen.

Das Einschreiten der Bundeswettbewerbsbehörde stützt sich aktenkundig nur auf gerichtliche Anordnungen (im Außerstreitverfahren) und erfolgte daher ausschließlich im Rahmen der Besorgung von Aufgaben der Gerichtsbarkeit. Sie betraf die Beschwerdeführerinnen ausschließlich als Antragsgegnerinnen eines kartellgerichtlichen Ermittlungsverfahrens nach dem Wettbewerbsgesetz wegen des begründeten Verdachtes der Teilnahme an wettbewerbswidrigen Vereinbarungen und/oder abgestimmten Verhaltensweisen, die gegen § 1 KartG bzw. Art 101 AEUV verstoßen.

Die Hausdurchsuchung ist zweifelsfrei hinsichtlich Anordnung und Durchführung zur Gänze dem Imperium der Justiz zuzurechnen.

[...]

Die Art der Vornahme der Hausdurchsuchung, in deren Verlauf die in den Geschäftsräumen der Beschwerdeführerinnen bestandene Ordnung in massiver Weise gestört worden sei (so das Beschwerdevorbringen), - insbesondere im Hinblick darauf, dass dem Hausdurchsuchungsbefehl zufolge sämtliche im Standort Wr. Neudorf vorhandenen Unterlagen und Speichermedien durchsucht werden mussten, erfolgte nach Auffassung des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich in dem durch den Rahmen des richterlichen Auftrages gesetzten Durchsuchungsumfanges und ist daher insoweit der Prüfungskompetenz des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ entzogen.

Was die behauptete exzessive personelle

Überschreitung des kartellgerichtlichen Hausdurchsuchungsbeschlusses betrifft, stellt der Unabhängige Verwaltungssenat im Land NÖ fest, dass auf Seite acht des gegenständlichen Beschlusses 'die Hausdurchsuchung für die Geschäftsräume des Konzerns beantragt' und das Gericht diesem Antrag nachgekommen ist. Somit erstreckt sich der Umfang des Hausdurchsuchungsbeschlusses auch auf die im Beschluss nicht namentlich genannten Unternehmen."

Für den Verfassungsgerichtshof ist diese Argumentation jedoch nicht nachvollziehbar. Insbesondere vermag der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen, auf Basis welcher Überlegungen der UVS zu der Annahme gelangt, dass sich der Hausdurchsuchungsbefehl des Kartellgerichts auf die im richterlichen Beschluss nicht namentlich genannten Unternehmen - der siebent- bis vierunddreißigstbeschwerdeführenden Gesellschaften, die mit den erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften anscheinend zwar konzernmäßig verbunden, aber Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit sind - erstreckt, mögen diese vom Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde auch umfasst gewesen sein. Für die Begrenzung des Umfanges der Hausdurchsuchung kommt es nämlich allein auf den richterlichen Befehl und nicht auf den Antrag der Bundeswettbewerbsbehörde an. Dass die Bundeswettbewerbsbehörde die Hausdurchsuchung für die Geschäftsräumlichkeiten des Konzerns beantragt hat und zur Auffindung von Unterlagen eine möglichst weitgehende Durchsuchung anstrebt, ändert - entgegen der rechtlich verfehlten Auffassung des UVS - somit nichts an der Formulierung des Hausdurchsuchungsbefehls, der sich nur auf die Geschäftsräumlichkeiten der erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften bezieht.

B. Zu den Beschwerden der erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde in einer nicht von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes ausgeschlossenen Angelegenheit ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs 2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Nach den Beschwerdebehauptungen wären die gerügten Rechtsverletzungen zum erheblichen Teil nur die Folge einer - allenfalls grob - unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Soweit die Beschwerden aber insofern verfassungsrechtliche Fragen berühren, als die Rechtswidrigkeit der den angefochtenen Bescheid tragenden Rechtsvorschriften behauptet wird, lässt ihr Vorbringen die behauptete Rechtsverletzung, die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg haben (vgl. Punkt III.A.1.).

IV. Ergebnis und damit zusammenhängende Ausführungen

1. Dem UVS sind in Ansehung der siebent- bis vierunddreißigstbeschwerdeführenden Gesellschaften grobe Begründungsmängel unterlaufen, die den angefochtenen Bescheid insoweit mit Willkür behaften. Diese beschwerdeführenden Gesellschaften sind dadurch in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid war in Ansehung dieser beschwerdeführenden Gesellschaften daher aufzuheben.

1.1. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 88

VfGG. Den siebent- bis vierunddreißigstbeschwerdeführenden Gesellschaften war insgesamt der einfache Pauschalsatz - erhöht um einen Streitgenossenzuschlag in der Höhe von 50 % - zuzusprechen, weil sie durch ein und denselben Rechtsanwalt vertreten waren und es ihnen sowohl in zeitlicher als auch in sachverhaltsmäßiger und rechtlicher Hinsicht möglich gewesen wäre, gegen den Bescheid eine gemeinsame Beschwerde zu erheben. In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von € 600,- sowie der Ersatz der für jede Beschwerde der siebent- bis vierunddreißigstbeschwerdeführenden Gesellschaften entrichteten Eingabengebühr in Höhe von € 220,-

enthalten.

1.2. Diese Entscheidung konnte gemäß § 19 Abs 4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

2. Die Behandlung der Beschwerden der erst- bis sechstbeschwerdeführenden Gesellschaften war aus den oben genannten Gründen abzulehnen und die Beschwerden waren gemäß Art 144 Abs 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abzutreten (§19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG).