Suchen Hilfe
OGH 27.01.2017, 8ObA76/16h

OGH 27.01.2017, 8ObA76/16h

Rechtssatz


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Normen
ZPO §528b
VfGG §57a Abs6
VfGG §62a Abs6
RS0131361
Bei vernünftiger Betrachtungsweise muss dem Gesetzgeber zugesonnen werden, dass er mit den Regelungen zur Gesetzesbeschwerde ein funktionierendes und von gegenseitigem Respekt getragenes System des Zusammenwirkens vom Verfassungsgerichtshof und den ordentlichen Gerichten schaffen wollte. Es ist daher zu unterstellen, dass normaufhebende Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs im gerichtlichen Ausgangsverfahren nach Tunlichkeit Berücksichtigung finden sollen. Bei vernünftiger Auslegung des Regelungswerks zur Gesetzesbeschwerde, das der Gesetzgeber auf verfassungs‑ und einfachgesetzlicher Ebene in engem zeitlichen Zusammenhang geschaffen hat, ist daher davon auszugehen, dass bei einer aus Sicht des Rechtsmittelgerichts verspäteten Mitteilung iSd § 62a Abs 5 VfGG bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 62a Abs 6 VfGG der Oberste Gerichtshof den Ausgang eines (präjudiziellen) Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof abwarten kann, um eine allenfalls normaufhebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Gesetzesbeschwerde bei seiner Entscheidung berücksichtigen zu können. In einem solchen Fall kann der Oberste Gerichtshof das Revisions‑ oder Revisionsrekursverfahren unterbrechen.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christoph Kainz und Mag. Canan Aytekin-Yildirim als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Slana Loidl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch die BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH in Wien, wegen 91.666,98 EUR sA, im Verfahren über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 76/16g-16, mit dem das Urteil des Landesgerichts Ried im Innkreis als Arbeits- und Sozialgericht vom , GZ 3 Cga 7/16m-10, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das Verfahren über die außerordentliche Revision wird bis zur Erledigung des von der beklagten Partei erhobenen Parteienantrags auf Normenkontrolle (VfGH G 331/2016) unterbrochen.

Text

Begründung:

Gegen das Urteil des Erstgerichts vom erhob die Beklagte am fristgerecht Berufung. Am wurde der Akt dem Berufungsgericht vorgelegt. Mit Urteil vom wurde der Berufung keine Folge gegeben.

Ebenfalls am , also gleichzeitig mit der Berufung, brachte die Beklagte beim Verfassungsgerichtshof einen Parteienantrag auf Normenkontrolle ein, mit dem sie die Aufhebung der Bestimmungen der § 334 Abs 1 und § 334 Abs 3 ASVG idF BGBl 1989/642 begehrte. Mit Verständigung vom teilte der Verfassungsgerichtshof dem Erstgericht mit, dass die Beklagte im zugrunde liegenden Verfahren einen auf Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG gestützten Antrag (Parteienantrag auf Normenkontrolle) gestellt hat. Diese Mitteilung ist beim Erstgericht am eingelangt. Das Berufungsgericht wurde von dieser Mitteilung am verständigt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts vom erhob die Beklagte eine außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof. Darin stellt sie den Antrag, das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

1.1 Nach § 62a Abs 6 VfGG darf das Rechtsmittelgericht bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs – über die aus Anlass des rechtzeitigen und zulässigen Rechtsmittels erhobene Gesetzesbeschwerde (Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B-VG iVm § 62a Abs 5 VfGG und § 528b Abs 2 ZPO) – nur solche Handlungen oder Anordnungen und Entscheidungen treffen, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten (vgl dazu 3 Ob 130/15m). Ein Parteienantrag auf Normenkontrolle setzt somit ein rechtzeitiges und zulässiges Rechtsmittel gegen eine (Sach-)Entscheidung eines ordentlichen Gerichts erster Instanz voraus. Bei dem „beim Rechtsmittelgericht anhängigen Verfahren“ nach § 62a Abs 6 VfGG handelt es sich demnach um das Berufungs- oder Rekursverfahren (8 ObA 65/15i). Die Innehaltungsverpflichtung des § 62a Abs 6 VfGG betrifft also das Berufungs- oder Rekursgericht.

1.2 Sind die Voraussetzungen nach § 62a Abs 6 VfGG gegeben, so hat das Rechtsmittelgericht mit dem Verfahren inne zu halten, sobald es durch eine entsprechende Mitteilung des Verfassungsgerichtshofs (§ 62a Abs 5 VfGG) Kenntnis davon hat, dass beim Verfassungsgerichtshof ein Parteienantrag auf Normenkontrolle eingebracht wurde (6 Ob 150/16a). Dies bedeutet, dass in einem solchen Fall das Berufungs- oder Rekursgericht – funktionell als Erstgericht – das Rechtsmittelverfahren zu unterbrechen hat (10 Ob 3/16p; vgl auch RIS-Justiz RS0116275). In diesem Zusammenhang hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass der Rechtsmittelausschluss des § 192 Abs 2 ZPO nicht zum Tragen kommt, weil die Unterbrechung des Berufungs- oder Rekursverfahrens unter den Voraussetzungen des § 62a Abs 6 VfGG zwingend vorgeschrieben ist (3 Ob 130/15m; 10 Ob 3/16p; RIS-Justiz RS0037110; RS0037034).

2.1 Die Rechtsfolge, die ein Verstoß des Rechtsmittelgerichts gegen die Innehaltungsverpflichtung des § 62a Abs 6 VfGG zur Folge hat, ist im Gesetz nicht geregelt (10 ObS 153/15w). Grabenwarter/Musger (Praxisfragen der Gesetzesbeschwerde im Zivilverfahren, ÖJZ 2015/75, 551 [562]) vertreten für den Fall, dass die Rechtsmittelentscheidung vor Erledigung der Gesetzesbeschwerde ergangen ist und die Gesetzesbeschwerde Erfolg hat, die Ansicht, dass die Rechtslage dann unproblematisch sei, wenn die Sache noch nicht endgültig erledigt sei und die Aufhebung einer präjudiziellen Norm im konkreten Fall im weiteren Verfahren noch berücksichtigt werden könne. Bei einer bestätigenden oder abändernden Entscheidung der zweiten Instanz könne die Aufhebung einer präjudiziellen Norm noch berücksichtigt werden, wenn bei Zustellung des verfassungsgerichtlichen Erkenntnisses die Frist für ein Rechtsmittel an den Obersten Gerichtshof noch offen oder ein solches Rechtsmittel bereits eingebracht, aber noch nicht erledigt sei.

2.2 Es ergibt sich somit folgender Grundsatz: Kann eine normaufhebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im gerichtlichen Verfahren vor dessen rechtskräftigem Abschluss noch berücksichtigt werden, so begründet eine inhaltliche Entscheidung des Berufungs- oder Rekursgerichts über das Rechtsmittel auch bei einem Verstoß gegen die Innehaltungsverpflichtung des § 62a Abs 6 bzw § 57a Abs 6 VfGG weder Nichtigkeit noch einen Verfahrensmangel; ein solcher Verstoß führt damit nicht zur Aufhebung der Entscheidung des Rechtsmittelgerichts.

3.1 Diese Überlegungen betreffen den Fall, dass ein Verstoß des Rechtsmittelgerichts gegen die Innehaltungsverpflichtung vorliegt. Dafür ist vorausgesetzt, dass das Rechtsmittelgericht rechtzeitig, nämlich vor seiner Entscheidung, aufgrund einer Mitteilung des Verfassungsgerichtshofs vom Parteienantrag auf Normenkontrolle Kenntnis erlangt hat.

Ein solcher Verstoß liegt im Anlassfall nicht vor, weil die Mitteilung des Verfassungsgerichtshofs an das Erstgericht erst am Tag der Entscheidung des Berufungsgerichts beim Erstgericht eingelangt ist und das Berufungsgericht vom Parteienantrag erst am erfahren hat.

3.2 Bei vernünftiger Betrachtungsweise muss dem Gesetzgeber zugesonnen werden, dass er mit den Regelungen zur Gesetzesbeschwerde ein funktionierendes und von gegenseitigem Respekt getragenes System des Zusammenwirkens vom Verfassungsgerichtshof und den ordentlichen Gerichten schaffen wollte. Es ist daher zu unterstellen, dass normaufhebende Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofs im gerichtlichen Ausgangsverfahren nach Tunlichkeit Berücksichtigung finden sollen. Bei vernünftiger Auslegung des Regelungswerks zur Gesetzesbeschwerde, das der Gesetzgeber auf verfassungs- und einfachgesetzlicher Ebene in engem zeitlichen Zusammenhang geschaffen hat, ist daher davon auszugehen, dass bei einer aus Sicht des Rechtsmittelgerichts verspäteten Mitteilung iSd § 62a Abs 5 VfGG bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 62a Abs 6 VfGG der Oberste Gerichtshof den Ausgang eines (präjudiziellen) Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof abwarten kann, um eine allenfalls normaufhebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs über die Gesetzesbeschwerde bei seiner Entscheidung berücksichtigen zu können. In einem solchen Fall kann der Oberste Gerichtshof das Revisions- oder Revisionsrekursverfahren unterbrechen (vgl auch 4 Ob 53/16x).

4. Im Anlassfall sind die Voraussetzungen für eine fakultative Unterbrechung des Verfahrens durch den Obersten Gerichtshof gegeben. Gemäß § 528b Abs 3 ZPO wird das Verfahren nach Vorliegen der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs und Verständigung des Obersten Gerichtshofs durch das Erstgericht darüber von Amts wegen fortgesetzt werden.

Entscheidungstext

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner und den Hofrat Dr. Brenn sowie die fachkundigen Laienrichter MMag. Ferdinand Dietrich und Mag. Michaela Puhm als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch Slana Loidl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch die BLS Rechtsanwälte Boller Langhammer Schubert GmbH in Wien, wegen 91.666,98 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 12 Ra 76/16g-16, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die behauptete Nichtigkeit und die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen
– wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.

Die Beklagte wirft dem Berufungsgericht einen Verstoß gegen die Innehaltungsverpflichtung des § 62a Abs 6 VfGG vor. Ein solcher Verstoß liegt allerdings nicht vor. Dafür wäre vorausgesetzt, dass das Rechtsmittelgericht rechtzeitig, nämlich vor seiner Entscheidung, aufgrund einer Mitteilung des Verfassungsgerichtshofs vom Parteienantrag auf Normenkontrolle Kenntnis erlangt hat. Im Anlassfall ist die Mitteilung des Verfassungsgerichtshofs an das Erstgericht erst am Tag der Entscheidung des Berufungsgerichts beim Erstgericht eingelangt; das Berufungsgericht hat vom Parteienantrag erst am erfahren.

Davon abgesehen würde selbst ein Verstoß gegen die Innehaltungsverpflichtung weder Nichtigkeit noch einen Verfahrensmangel begründen, wenn eine normaufhebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs im gerichtlichen Verfahren vor dessen rechtskräftigem Abschluss noch berücksichtigt werden könnte. Der Oberste Gerichtshof hat dafür Sorge getragen, dass auch diese Voraussetzung gegeben gewesen wäre (siehe dazu den Beschluss des Obersten Gerichtshofs vom zu 8 ObA 76/16h).

2. Die verfassungsrechtlichen Bedenken der Beklagten gegen § 334 ASVG sind nicht begründet. Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom , G 331/2016, die Behandlung des zugrunde liegenden Parteienantrags der Beklagten gemäß § 19 Abs 3 Z 1 iVm § 31 letzter Satz VfGG abgelehnt.

3. Hinsichtlich der von der Beklagten angesprochenen unionsrechtlichen Bedenken verweist sie selbst auf einen reinen Inlandssachverhalt und bezieht sich damit auf das Erfordernis eines grenzüberschreitenden Bezugs. Der Anwendungsbereich des Unionsrechts ist damit nicht eröffnet (siehe dazu 8 ObA 34/17h).

4.1 Zur Auslegung des Feststellungsurteils im Vorprozess zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Die von der Beklagten zitierte Entscheidung 3 Ob 79/05x betrifft die Frage der Bewilligung und Vollziehung einer Unterlassungsexekution nach § 355 EO. Nach dieser Bestimmung setzt die Bewilligung der Exekution zur Erwirkung einer Unterlassung das Zuwiderhandeln gegen den Exekutionstitel voraus. Dazu hielt der 3. Senat fest: „Für die Beurteilung des Umfangs des Gegenstands des Exekutionstitels [der Unterlassungspflicht] ist in erster Linie der Spruch maßgebend; die Bewilligung hat sich streng an den Wortlaut desselben zu halten; es kommt nicht darauf an, was der Verpflichtete nach dem Gesetz zu unterlassen hat. [Auch in Bezug auf die Exekutionsbewilligung] ist es bei Undeutlichkeit des Spruchs aber zulässig, die Gründe zur Auslegung heranzuziehen.“

Die Entscheidung 2 Ob 215/10x betrifft eine Verbandsklage, die (ebenfalls) ein Unterlassungsgebot zum Gegenstand hat. Der 2. Senat hatte zu beurteilen, ob eine verwendete Klausel „sinngleich“ zu einer verbotenen Klausel war. Dazu wurde ausgeführt: „Führt bei einem Exekutionstitel die Auslegung des Spruchs nach dem gewöhnlichen Wortsinn zu keinem Ergebnis, ist auch die der Entscheidung beigegebene Begründung heranzuziehen. Die ansonsten vom Exekutionsgericht bei der Exekutionsbewilligung zu beachtende Regel ist auch für die hier vom Prozessgericht vorzunehmende Prüfung des Rechtsschutzbedürfnisses maßgeblich.“

Beide Entscheidungen beziehen sich auf den besonderen Fall der Reichweite eines Unterlassungsgebots mit Bezug auf das Exekutionsverfahren. Auch ihnen lässt sich keineswegs entnehmen, dass die Heranziehung der Entscheidungsgründe zur Auslegung des Spruchs unzulässig wäre.

4.2 Der hier zu beurteilende Fall weist eine enge Nahebeziehung zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft, konkret der Bindungswirkung der Entscheidung im Vorprozess auf (vgl 7 Ob 67/10v; 6 Ob 77/11h). Bei der Bindungswirkung handelt es sich um einen Aspekt der materiellen Rechtskraft. Rechtskräftig wird nur die Entscheidung über den Anspruch, der geltend gemacht wurde. Das Ausmaß der Bindungswirkung wird grundsätzlich durch den Urteilsspruch bestimmt, doch sind die Entscheidungsgründe zur Auslegung und Individualisierung des rechtskräftigen Anspruchs heranzuziehen, sodass sich die materielle Rechtskraft auf die Tatsachenfeststellungen insoweit erstreckt, als dies zur Individualisierung des Spruchs notwendig ist (3 Ob 5/16f). Dies bedeutet, dass die Entscheidungsgründe zur Auslegung und Individualisierung des rechtskräftigen Anspruchs heranzuziehen sind (RIS-Justiz RS0043259; 8 Ob 26/17g).

4.3 § 334 ASVG gewährt den Sozial-versicherungsträgern im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen bzw Berufskrankheiten für alle von ihnen erbrachten Leistungen bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit des Dienstgebers gegen diesen einen originären Aufwandsersatzanspruch, der unabhängig davon besteht, ob dem Verletzten ein privatrechtlicher Anspruch zusteht. Soweit daneben Ansprüche bestehen, für die die Legalzession des § 332 ASVG eingreift, ist § 334 ASVG nicht maßgebend (Neumayr/Huber in Schwimann/Kodek4, § 334 ASVG Rz 6). § 332 ASVG betrifft aufgrund einer Legalzession übergegangene Ansprüche gegen Drittschädiger. Bei Schädigermehrheit mit einem haftungsbefreiten Schädiger (Dienstgeber) kann der Sozialversicherungsträger Ansprüche aus § 332 ASVG und aus § 334 ASVG nebeneinander geltend machen (Neumayr/Huber, aaO Rz 7).

4.4 Die Klägerin hat im Vorverfahren diese Vorgangsweise gewählt. Der Spruch des Feststellungsurteils im Vorverfahren unterscheidet klar zwischen übergegangenen Ansprüchen einerseits und anderen Ansprüchen der Klägerin. Zudem bringt der Urteilsspruch klar zum Ausdruck, dass die hier Beklagte der Klägerin für künftige Schäden aus dem Arbeitsunfall des Versicherten vom zur Gänze haftet. Für übergegangene Ansprüche (§ 332 ASVG), die die Drittschädigerin betreffen, besteht eine solidarische Haftung.

Der Spruch des Feststellungsurteils bezieht sich darüber hinaus eindeutig auch auf andere Ansprüche. In dieser Hinsicht ist die Formulierung „künftige Schäden des [Versicherten]“ nicht eindeutig. Aus diesem Grund ist es nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanzen die Begründung der Vorentscheidung zur Auslegung des Urteilsspruchs herangezogen haben. Aus der Begründung ergibt sich, dass die Regressansprüche nach § 334 ASVG als originäre Aufwandsersatzansprüche ausdrücklich in die Beurteilung miteinbezogen wurden. Von diesen Ansprüchen wurden jene unterschieden, für die eine solidarische Haftung bejaht wurde. Dies sind nach der Begründung der Vorentscheidung die übergegangenen Ansprüche des Versicherten gegenüber der Drittschädigerin.

4.5 Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung des Urteilsspruchs im Vorverfahren betrifft typisch den Einzelfall (RIS-Justiz RS0044088). Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Einschränkung auf übergegangene Ansprüche des Versicherten nur die Solidarhaftung mit der Drittschädigerin betreffe und die Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte zur Gänze als originäre Ansprüche nach § 334 ASVG beurteilt worden seien, erweist sich keinesfalls als korrekturbedürftig.

5. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
Rechtsgebiet
Zivilrecht
ECLI
ECLI:AT:OGH0002:2017:008OBA00076.16H.0127.000
Datenquelle

Fundstelle(n):
UAAAE-05301