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OGH vom 08.03.1995, 9ObA6/95

OGH vom 08.03.1995, 9ObA6/95

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Mayr und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Betriebsrat des Arbeiterbetriebsrates der Firma I***** Gesellschaft mbH, vertreten durch dessen Vorsitzenden Eduard V*****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr.Gustav Teicht Dr.Gerhard Jöchl Partnerschaft in Wien, wider die beklagte Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Angelika Truntschnig, Rechtsanwältin in Wien, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom , GZ 32 Ra 146/94-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 27 Cga 79/94y-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.375,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.562,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrt die Feststellung, daß im Rahmen der Arbeitszeiteinteilung "kurze/lange Woche" der volle Lohnfortzahlungsanspruch auch für arbeitsfreie entgeltfortzahlungspflichtige Freitage in der "kurzen Woche" besteht.

Das Feststellungsbegehren berührt etwa 170 Dienstnehmer der beklagten Partei. Bei der beklagten Partei erfolgt die Arbeitszeiteinteilung nach dem Schema "kurze/lange Woche", deren zulässige Vereinbarung der Kollektivvertrag zur Zulassung der Arbeitszeiteinteilung "kurze/lange Woche" (im folgenden ZusKV bezeichnet) vorsieht. In diesem Fall besteht der Durchrechnungszeitraum aus zwei Wochen, wobei in der kurzen Woche bis inklusive Donnerstag und in der langen Woche bis inklusive Freitag gearbeitet wird. In beiden Wochen zusammen wird die Normalarbeitszeit, die seit laut dem Kollektivvertrag für Bauindustrie und Baugewerbe (im folgenden KV genannt) 39 Stunden beträgt, erreicht. In der kurzen Woche wird daher an einem Tag 8 sowie an drei Tagen 9 Stunden und in der langen Woche zusätzlich am Freitag 8 Stunden gearbeitet, was eine Arbeitszeit in der langen Woche von 43 und in der kurzen Woche von 35 Stunden ergibt. Im Jahr 1993 fiel in der Lohnwoche 51 (kurze Woche) der Heilige Abend auf einen Freitag, in der Lohnwoche 52 (lange Woche) fiel Silvester ebenfalls auf einen Freitag. Beide Tage sind nicht unter die gesetzlichen Feiertage einzuordnen. Nach § 2 Z 6 KV sind diese Tage, sofern sie auf einen Arbeitstag fallen, für die Arbeitnehmer unter Fortzahlung des Entgelts arbeitsfrei. Nach § 2 Z 7 KV gelten diese Tage hinsichtlich der urlaubsrechtlichen Auswirkungen als Feiertage. Um die Dienstnehmer bei der Arbeitszeiteinteilung "kurze/lange Woche" vor Nachteilen zu bewahren, sind in § 3 ZusKV Sonderbestimmungen zur arbeitsrechtlichen Absicherung hinsichtlich der Zuschlagsentrichtung zur Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse, für das Trennungsgeld, das Feiertagsentgelt und die Überstunden vereinbart worden.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der einzige Unterschied zwischen "Kurz/Langarbeitnehmern" und den Arbeitnehmern mit normaler Arbeitszeit liege allenfalls in einer Mehrarbeitszeit der ersteren. Dies sei aber nur von theoretischer Bedeutung, weil nach dem Vorbringen der klagenden Partei fast alle Dienstnehmer in den zwei fraglichen Wochen Urlaub konsumiert und daher nicht gearbeitet hätten. Es seien bei der gewählten Arbeitszeitverteilung immer zwei Wochen zu betrachten, sodaß, was auch geschehen sei, für zwei Wochen nur das volle Entgelt für 78 Stunden zu bezahlen sei.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht dürfe nach der eindeutigen Absicht der Kollektivvertragsparteien und dem Zweck des Zusatzkollektivvertrages durch die Einteilung kurze/lange Woche keine Benachteiligung der Dienstnehmer gegenüber solchen eintreten, für die die gesetzliche oder kollektivvertragliche Normalarbeitszeit gelte.

Das Gericht der zweiten Instanz gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge.

Es vertrat die Rechtsauffassung, daß es darauf ankäme, wie viele geleistete Arbeitsstunden einer Lohnzahlung für 78 Stunden gegenüberstünden. Werde nicht kurz/lang gearbeitet, habe der Arbeitnehmer in der Woche 51 und 52 von Montag bis Donnerstag zu arbeiten, erhalte aber für beide Freitage auf Grund der Bestimmung des § 2 Z 6 KV Entgeltfortzahlung, sodaß er insgesamt für zwei volle Wochen Entgelt für 78 Stunden erhalte, obwohl an beiden Freitagen keine Arbeitsleistung erbracht wird. Würde kurz/lang gearbeitet, habe der Dienstnehmer sowohl in der 51. als auch in der 52.Woche eine erhöhte Arbeitszeit in Kauf nehmen und Stunden einarbeiten müssen. In Summe erhalte er zwar wieder das volle Entgelt, müsse aber effektiv um die von ihm eingearbeiteten Stunden länger arbeiten als im ersten Fall. Eine isolierte Feststellung, daß die Arbeitnehmer eine Lohnzahlung für 78 Stunden erhalten, sei irreführend. Diese 78 Stunden müßten mit den geleisteten Arbeitsstunden verknüpft werden. Es werde dann ersichtlich, daß die beklagte Partei die volle Lohnfortzahlung nicht geleistet habe. Bei der Arbeitszeiteinteilung kurz/lang würde eine Schlechterstellung der Dienstnehmer gegenüber denjenigen eintreten, die nicht kurz/lang arbeiten, weil die Bestimmung des § 2 Z 6 KV zwingend für den Freitag der kurzen Woche Arbeitsfreiheit unter Fortzahlung des Entgeltes vorsehe, sodaß eine Mehrarbeit von rund einem Arbeitstag bei dieser Arbeitszeiteinteilung die Folge wäre. Zweck des Zusatzkollektivvertrages sei aber generell Nachteile für Dienstnehmer, die diese zugelassene andere Einteilung der Normalarbeitszeit in Anspruch nehmen zu vermeiden.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Klageabweisung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei stellt den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Es geht nicht darum, ob Dienstnehmer der Beklagten bei der in Abweichung des § 3 Abs 1 AZG gemäß § 4 Abs 8 und 9 AZG iVm der Bestimmung des § 2 ZusKV zulässigerweise vereinbarten anderen Verteilung der Normalarbeitszeit von 78 Stunden auf einen Durchrechnungszeitraum von 2 Wochen eine Lohnzahlung für 78 Stunden erhalten haben. Die zu entscheidende Frage ist, ob die Arbeitnehmer in dem Fall, daß sowohl auf den Freitag der kurzen als auch der langen Woche des gewählten Durchrechnungszeitraumes ein Feiertag oder ein nach dem Kollektivvertrag arbeitsfreier Tag fällt, einen vollen Entgeltfortzahlungsanspruch auch für diesen Tag der kurzen Woche, der auf Grund der Arbeitszeiteinteilung sonst arbeitsfrei wäre, haben.

Den Bestimmungen des § 3 ZusKV über die arbeitsrechtliche Absicherung der "kurzen/langen Woche" ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Kollektivvertragsparteien die dieser anderen Arbeitszeiteinteilung nach § 2 des ZusKV unterliegenden Arbeitnehmer gegenüber einem Arbeitnehmer, mit dem eine solche Vereinbarung nicht getroffen wurde, gleichstellen wollten. So ist beispielsweise nach § 3 lit a ZusKV ein Zuschlag zur Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse für die kurze und die lange Woche auch dann zu entrichten, wenn im Durchrechnungszeitraum von 2 Wochen mindestens 62 Stunden an Beschäftigungszeiten erreicht werden. Damit ist klargestellt, daß es angepaßt an die Verteilung der Arbeitszeit kurze/lange Woche für den Erwerb von zwei Anwartschaftswochen genügt, daß die gemäß § 6 BUAG für das Vorliegen zweier Anwartschaftswochen erforderlichen Beschäftigungszeiten von nicht weniger als 62 Stunden im gesamten Durchrechnungszeitraum erreicht werden. Andererseits besteht für den Freitag der kurzen Woche Anspruch auf Trennungsgeld als Ausfallstag gemäß § 9 II Z 2 lit f KV, weil er als eingearbeiteter Arbeitstag gilt.

Das bedeutet aber auch, daß eine Besserstellung der Dienstnehmer bei der Arbeitszeitverteilung kurze/lange Woche nicht besteht, weil der Durchrechnungszeitraum von 2 Wochen einem Beschäftigungszeitraum von 2 Wochen bei normaler Arbeitszeit gegenüberzustellen ist. Diese Betrachtung hat aber eine völlige Gleichstellung zur Folge. Der scheinbare Vorteil des arbeitsfreien Freitages der kurzen Wochen wird durch die an anderen Tagen erhöhte Arbeitszeit ausgeglichen.

Der Kollektivvertrag bezeichnet den 24. und 31.Dezember, sofern sie auf einen Arbeitstag fallen, nur hinsichtlich der urlaubsrechtlichen Auswirkungen als Feiertag (§ 2 Z 7 KV), normiert aber in § 2 Z 6 KV weiters, daß an diesem Tag die Arbeitnehmer unter Fortzahlung des Entgelts arbeitsfrei sind. Der Begriff Feiertag im Arbeitszeitgesetz erfaßt nicht nur die gesetzlichen Feiertage, die in § 7 Abs 2 und 3 Arbeitsruhegesetz aufgezählt sind, sondern auch durch Kollektivvertrag festgelegte bzw. sonst allgemein übliche Feiertage (Czerny, Arbeitszeitrecht2 49; Grillberger AZG 44). Das Wesen des Feiertages besteht vor allem in der Arbeitsruhe und der Fortzahlung des Entgelts. Diese Kriterien treffen auf die vom Kollektivvertrag als unter Fortzahlung des Entgelts arbeitsfrei erklärten Tage, 24. und 31.Dezember, ebenfalls zu. Dies hat zur Folge, daß § 3 lit c ZusKV zur Anwendung gelangt. Fällt ein Feiertag auf einen Freitag, so ist die Vereinbarung über einen Durchrechnungszeitraum bzw mehrere Durchrechnungszeiträume so zu gestalten, daß in dieser Kalenderwoche eine lange Woche vorgesehen wird.

Danach gelten daher die Wochen, in die ein arbeitsfreier entgeltfortzahlungspflichtiger Freitag fällt, hier die Wochen, in die der 24. oder fiel jeweils als lange Woche, sodaß für beide Freitage (- einer davon fiel nach dem Lauf der bisherigen Durchrechnungszeiträume, die auf die Regelung des § 3 lit c ZusKV keinen Bedacht nahmen, als "kurze Woche" an -) die volle Lohnfortzahlung gebührt. Nach dem Willen der Kollektivvertragsparteien sind beide Freitage Arbeitstage, die aber unter Fortzahlung des Entgelts arbeitsfrei sind.

Ob und inwieweit durch das Unterlassen der Gestaltung der Durchrechnungszeiträume im Sinne des § 3 lit c ZusKV Anspruch auf ein 78 Stunden übersteigendes Entgelt oder Überstundenentgelt besteht, braucht in diesem Verfahren nicht untersucht zu werden. Eine allfällige Besserstellung der "kurze/lange Woche" Arbeitnehmer ist nicht durch die kolletivvertragliche Regelung sondern durch Nichtgebrauch der im Kollektivvertrag eingeräumten Gestaltungsmöglichkeit der Durchrechnungszeiträume eingetreten.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.