OGH vom 07.09.2022, 26Ds16/21h
Kopf
Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Grohmann sowie die Anwaltsrichter Dr. Angermaier und Dr. Hofmann in Gegenwart des Schriftführers Mag. Kornauth in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer * vom , AZ *, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Artner, des Kammeranwalts Mag. Jakauby und des Beschuldigten zu Recht erkannt:
Spruch
Der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld wird nicht Folge gegeben. Der Berufung wegen Strafe wird Folge gegeben und über den Beschuldigten unter Bedachtnahme auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 26 Ds 5/20i, eine Geldbuße von 1.000 Euro verhängt.
Der Beschuldigte hat auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu tragen.
Text
Gründe:
[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt schuldig erkannt und zu einer Geldbuße von 3.000 Euro verurteilt.
[2] Danach hat er in dem gegen ihn als Verpflichteten geführten Exekutionsverfahren AZ * des Bezirksgerichts * beim Versteigerungstermin betreffend seinen PKW am
a./ den Gerichtsvollzieher, den Sachverständigen sowie potentielle Ersteher aufgefordert, eine von ihm errichtete Erklärung zu unterfertigen, in welcher „die gegenständliche Exekutionsführung und insbesondere die versuchte Versteigerung“ des PKW als eine Verwirklichung des Tatbestands der zumindest versuchten Geldwäscherei nach § 165 Abs 2 StGB und die dem Exekutionsverfahren zugrunde liegenden Forderungen als auf Amtsmissbrauch beruhend bezeichnet werden und zumindest angedeutet wird, dass die Fortsetzung der Exekution eine Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs 1 StGB bedeuten würde;
b./ dem Gerichtsvollzieher nicht den konkreten Standort seines PKW mitgeteilt, weil dieser, der Sachverständige und die potentiellen Ersteher die zuvor erwähnte Erklärung nicht unterschrieben;
c./ aufgrund der Nichtunterfertigung der Erklärung die Unterfertigung eines Vermögensverzeichnisses verweigert.
Rechtliche Beurteilung
[3] Gegen das Erkenntnis richtet sich die – auch Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 1, 4 sowie 9 lit a und b StPO relevierende (vgl RIS-Justiz RS0128656 [T1]) – Berufung des Beschuldigten wegen der Aussprüche über die Schuld und die Strafe (§ 49 letzter Satz DSt).
[4] Die Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld verfehlt ihr Ziel.
[5] Die Besetzungsrüge (Z 1) kritisiert, dass das zunächst vorgesehene Senatsmitglied * an der Disziplinarverhandlung nicht teilgenommen hätte und der erkennende Senat demnach nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen wäre. Sie scheitert schon am Fehlen einer sofortigen Rüge nach Bekanntwerden dieses Umstands am Beginn der Disziplinarverhandlung (ON 25a S 1 f, PS 1 f; Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek, RAO10 § 49 DSt Rz 6/2).
[6] Mit der Behauptung, über einen Ablehnungsantrag des Beschuldigten vom in Ansehung der Vorsitzenden des erkennenden Senats * und des weiteren Senatsmitglieds * (ON 16) sei durch den Präsidenten des Disziplinarrats (§ 26 Abs 5 erster Satz DSt; ON 18) mit Blick auf einen gegen diesen eingebrachten Ablehnungsantrag vom (Beilage ./1 des Verhandlungsakts), der vom Präsidenten des Obersten Gerichtshofs mit Verfügung vom im Hinblick auf den Beschluss vom , AZ 1 Präs 2690-1948/17g, „nach § 78 Abs 5 GOG behandelt“ wurde (Beilage ./7), nicht ordnungsgemäß entschieden worden, wird Nichtigkeit iSd Z 1 des § 281 Abs 1 StPO nicht geltend gemacht.
[7] Die Verfahrensrüge (Z 4, auch Z 1) erschöpft sich in dem Vorbringen, der erkennende Senat hätte durch Abweisung offenkundig relevanter Beweisanträge gezeigt, dass er zum Nachteil des Disziplinarbeschuldigten voreingenommen sei. In Ermangelung deutlicher und bestimmter (vgl §§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) Bezeichnung jener Anträge, durch deren Abweisung sich der Berufungswerber beschwert findet, entzieht sich die Rüge einer inhaltlichen Erwiderung.
[8] Die erfolgreiche Ausführung einer Rechtsrüge (hier dSn Z 9 lit b) setzt voraus, dass der Rechtsmittelwerber die vom Gesetz hierfür festgelegten Bezugspunkte im Auge behält, nämlich zum einen die erstinstanzlichen Feststellungen und zum anderen das Gesetz (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 584). Diesen Anfechtungskriterien wird die Berufung mit ihrem erkenntnisfremden Vorbringen, der Beschuldigte wäre in mehreren Verfahren vor dem Landesgericht * und dem Oberlandesgericht * seinem gesetzlichen Richter entzogen worden und die „exekutive Geltendmachung der solcherart auf Amtsmissbrauch beruhenden Kostentitel“ stelle Geldwäsche dar, weshalb die ihm vorgeworfenen Handlungen durch das Notwehrrecht gedeckt wären, nicht gerecht.
[9] Soweit die weitere Rüge das Vorliegen „sekundärer Feststellungsmängel“ reklamiert, sich insoweit jedoch auf die bloße Behauptung beschränkt, der Disziplinarrat hätte keine Feststellungen zu den einschlägigen Ausführungen des Beschuldigten getroffen, unterlässt sie es, auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, aber indizierten Sachverhalt hinzuweisen und die solcherart Nichtigkeit begründenden Umstände deutlich und bestimmt (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 285a Z 2 StPO) zu bezeichnen.
[10] Mit ihrer Kritik am „Außerachtlassen aktenkundiger Beweisergebnisse“ und dem Hinweis auf die „Pflicht zur amtswegigen Wahrheitserforschung“ (Z 5a) übersieht die Berufung, dass der relevierte Nichtigkeitsgrund im anwaltlichen Disziplinarverfahren nicht geltend gemacht werden kann (RIS-Justiz RS0132515 [T1]; siehe im Übrigen auch RS0115823 [T3]).
[11] Für eine Beweisaufnahme durch den Obersten Gerichtshof bot das darauf gerichtete Vorbringen des Beschuldigten keine Grundlage (§ 49 DSt).
[12] Der Berufung wegen Strafe war insoweit Folge zu geben, als (erstens) auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom , AZ 26 Ds 5/20i, Bedacht zu nehmen und – unter Berücksichtigung des Schuldgehaltes des Verhaltens des Beschuldigten und seiner wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse – nur eine Zusatzstrafe zu bemessen war (§ 31 Abs 1 StGB), von der (zweitens) ein Betrag von 1.500 Euro zum Ausgleich der unverhältnismäßig langen Verfahrensdauer (Art 6 MRK) in Abzug zu bringen war, woraus sich die aus dem Spruch dieser Entscheidung ersichtliche Geldbuße ergab.
[13] Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.
Zusatzinformationen
Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI: | ECLI:AT:OGH0002:2022:0260DS00016.21H.0907.001 |
Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.